Wenn man sehr genau hinhört, registriert man eine interessante Vielfalt der Bezeichnungen für die Menschen, die da gerade aus Krisengebieten zu uns wollen. Lassen wir die offensichtlichen Produkte der Neonazi-Propaganda mal weg, bleibt immer noch genug übrig:
Flüchtling
Zur Silbe "-ling" eine Definition: "Die resultierenden Ableitungen können der Sprachökonomie dienen (...), aber auch ironisch, diminutiv
oder pejorativ verwendet werden." (
wiktionary) "Diminutiv" heißt "verkleinernd" und "pejorativ" beleidigend. Sprachliche Konstruktionen mit "-ling" neigen also zur Abwertung des Bezeichneten, vgl. Lehrling, Schwächling, Flüchtling, aber nicht Ärztling, Pilotling, Ingenieurling.
Asylant
Warum sagt man "1938 ging Thomas Mann ins Exil." und nicht "Thomas Mann kam 1938 als Asylant nach Amerika."? Warum sagt man heute nicht "In Syrien war sein Leben bedroht, deshalb ging er ins Exil nach Deutschland."? Macht ein Literaturnobelpreis den Unterschied? Ja! Natürlich! Außerdem hatte
Thomas Mann wesentliche Teile seines üppigen Vermögens rechtzeitig auf neutrale Auslandskonten transferiert und ergo Kohle ohne Ende, als er in den Staaten ankam. Das ist der zweite wesentliche Unterschied zwischen einem Asylanten und einem Exilanten.
Asylbewerber
Herrliches Beispiel für die Perversion (Sinnverdrehung) der political correctness. Es sollte bürokratisch neutraler und also fairer klingen als "Asylant". Aber: Ein Bewerber ist einer, der sich um etwas bewirbt. Was daraus wird, entscheidet jemand gaaanz Anderes. Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der Bewerber steht in der Nahrungskette eines Unternehmens ja noch nicht mal auf der untersten Stufe. Und wenn Asyl ein verwaltungsmäßiger Vorgang ist, dann kann's ja so schlimm nicht sein. Und wenn's hier nicht klappt, bewerbe ich mich eben woanders, das ist alles geschäftsmäßig beliebig. Was möchtest Du später mal werden? Asylant, ich bewerbe mich schon mal.
Und überhaupt: Asyl
Das Krisenhafte der sogenannten Flüchtlingskrise ist doch
, dass das Gesetz damals, als es entstand, ganz anders gemeint war. Das Grundgesetz sagt eindeutig:
Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. §16,1 GG
Damals, in den 1950ern, zu Beginn des Kalten Krieges, wurde dieses Gesetz vor allem als propagandistische Keule geplant und benutzt. In brisanten Einzelfällen, die dann,
Beispiel Solschenizyn, presseöffentlich hochgepeitscht wurden, um der kommunistischen Weltmacht eins auszuwischen. Aber es hat damals natürlich niemand damit gerechnet, auch nicht rechnen können, dass plötzlich normale, unberühmte und unreiche Leute, Ausländer zumal, Muslime zumal, es massenhaft schaffen könnten, auf deutschem Boden berechtigte Asylanträge zu stellen.
Ich glaube, ein Teil der doitschen, sächsischen und bayrischen Empörung über diese Leute resultiert daraus, dass die Flüchtlinge einfach nicht kapieren wollen, dass sie mit diesem Gesetz gar nicht gemeint sind. Zumal diese Flüchtlinge auch noch aus Ländern stammen, die gar keine kommunistische Staatsform haben oder anstreben, sondern aus prima funktionierenden, lupenreinen Diktaturen, mit denen man prächtige Geschäfte gegen Öl machen kann und denen man keineswegs eins auswischen will.
Ja, Herrschaftszeiten, muss man denn ALLES erklären?! Stellt Euch einfach vor, das Grundgesetz und die Menschenrechte seien wie der gutgepflegte Rasen vor einem privaten Schloss: Er soll gut aussehen, Reichtum repräsentieren und zum Verweilen und zum Sich-drauf-niederlassen EINLADEN. Aber natürlich ist der Rasen nicht wirklich dafür da, dass irgendwelche Menschen diese Einladung annehmen. Diese Einladung ist nur zum Angucken da, klar!? Wer auch nur einen Funken Anstand und Zivilisation im Leibe hat, dem bräuchte man das eigentlich nicht zu erklären ...
Vertriebene
Och wie süß! Neulich wieder irgendeinen Schwachsinn von den schwachsinnigen Vertriebenenverbänden gelesen. Die sind schon wieder so revanchistisch-braun, so ewiggestrig und vollkommen aus der Spur, dass es Mitleid erregt ... Ach nee, doch nicht. Kein Mitleid. Es ist eine Bande Idioten. Punkt. Aber ich habe doch kurz überlegt, ob die Leute, die jetzt aus Syrien, Afghanistan usw. zu uns kommen, da sie vor der Gewalt des Krieges geflohen sind, nicht auch Anspruch auf Beitritt in den Verein der Heimatvertriebenen haben. Gut, dieser Verein diente in der Adenauer-Zeit nur dazu, antikommunistische Ressentiments zu befeuern und hat sich längst überlebt, aber wie wäre es denn, wenn da künftig nicht nur pseudo-alt-schlesischen Liedgutes gepflogen würde, sondern auch mal ein syrisches Frühlingsgedicht, ein afghanisches Wiegenlied und die Hymne irakischer Ölarbeiter zu hören wäre? Schlesische Parallelgeselschaften sind genau so gefährlich, wie alle anderen auch. Die könnten sich prima gegenseitig integrieren.
Migrant
ist schlicht jemand, der von einem Land in ein anderes umzieht. Früher differenzierte man das noch. Da gab es
Emigranten, das waren die Leute, die aus einem Land, Deutschland, wegzogen. Mir ist der Begriff allerdings nur geläufig in Bezug auf Leute, die vor den Nazis (den alten, nicht den neuen) geflohen sind oder die als doitsche Wirtschaftsflüchtlinge im 19. und 20. Jahrhundert nach Nordamerika oder sonstwohin ausgewandert sind.
Und dann gab es
Immigranten, das sind die Leute, die von woandersher in mein Land kamen. Es ist schon spannend, dass es im öffentlichen Diskurs des Jahres 2016 keine Immigranten mehr gibt, obwohl doch ein Gutteil der hier gestrandeten Syrer, Afghanen und Irakis ganz klar sagen, dass sie gerne dauerhaft bleiben würden. Zugegebenermaßen ein heißes Eisen.
Geflüchtete
Das ist momentan meine erste Wahl. Die Leute mussten weg, von da, wo sie bisher gelebt haben. Da ist Krieg. Und wir müssen einfach erstmal glauben, dass sie vor der Wahl "Abhauen oder Sterben" standen. Wenn sich später herausstellt, dass das bei Einigen gar nicht der Fall war, ok, dann muss man das regeln, gerne auch brutalstmöglich, um die Betrüger von den wirklich Hilfebedürftigen zu trennen. Aber das kann man doch nicht jetzt diskutieren, wo die Kacke voll am Dampfen ist!
Die. Leute. Brauchen. Unsere. Hilfe. Jetzt.
What is it good for? Absolutely nothing!