Freitag, 18. März 2016

Unikate müssen's sein



Gerade über die Selbstbeschreibung eines neuen Nähladens gestolpert, man fertige "individuelle Unikate". Ich ertappe mich bei dreckigem, besserwisserischem Deutschlehrer-Lächeln ...

... statt zu fragen, warum die Einzelhaftigkeit eines Produktes uns so wichtig geworden ist, dass sie pleonastisch betont wird. Wer allergisch auf die Massenproduktion ringsumher reagiert, könnte ja zur Abwechslung auch mal gar nichts kaufen.

Da fällt mir die sehr freundliche und kompetente Schuhverkäuferin ein, die mir, als ich neulich das leichteste und bequemste Paar Schuhe meines Lebens anprobierte, aber dann bei der Preisfrage dicke Backen machte, erklärte, diese Schuhe würden ja auch in Handarbeit in Deutschland zusammengenäht. Ganz sicher, dass Maschinen sowas à la longue nicht auch könnten?

Aha. Es geht also gar nicht um das Produkt, es geht um die direkte menschliche Mühwaltung am Objekt. Wir wollen nur, dass jemand sich aktiv um uns und unsere Bedürfnisse kümmert, uns mit persönlichem Einsatz betuttelt. 

Wir kaufen das Surrogat für die ökonomische Situation unserer frühen Kindheit. 



(verändert via wiki commons)

Auch ein schönes Beispiel: Wenn wir Tee kaufen, spielen die Geschichten um seine Herstellung und Zubereitung eine wesentliche Rolle, hier der Beweis. Ein Teeverkäufer hat mir ernsthaft versichert, die richtig guten Lung-Ching-Tees würden in Höhenlagen nicht unter 3.000 m ü. NN geerntet. 

Zum Vergleich: Die Zugspitze, Deutschlands höchster Berg, hat ca. 2926 m. Der Luftdruck und ergo der Sauerstoffpartialdruck in den Lungen liegen da nur noch bei 68 %. Ja, die toughen nepalesischen Teepflückerinnen, die stehen auf sowas. Und mir schmeckt der Tee einfach besser, wenn ich weiß, dass die bei der Ernte so ein bisschen gelitten haben. Die sind's gewöhnt, und sonst könnt's ja Jeder. Und wenn's Jeder könnte, tät's auch Jeder. Und wenn's Jeder täte, wär's geschmacklich nix Besonderes. Das schmeckt man raus. Wirklich.




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