Samstag, 12. März 2016

Opa erzählt vom Krieg, jetzt aber wirklich:



Heute beim Waldspaziergang unversehens auf altes Militärgelände gestoßen. Es machte einen ziemlich heruntergekommenen und verlassenen Eindruck, ein "lost place", ist aber wohl noch aktiv. Jedenfalls ist alles verriegelt und stehen da noch, algenvergrünt, aber lesbar, die Schilder, die alles Unberechtigte verbieten, und zwar so sehr, dass, wenn's dem Standortältesten zuwider ist, auch von Erschießen Gebrauch gemacht wird ... oder so ...


Überrascht war ich, an dieser Stelle auf ein derartiges Objekt zu stoßen; überrascht war ich aber viel mehr ob meiner spontanen Reaktion: "Ach ja, die gute, alte Kaltkriegszeit ... irgendwie viel besser als heute!"

Unglaublich, oder? Irgendwas in mir erinnert positiv (!) eine Zeit, in der zwei Supermächte einander permanent in Defcon 4 gegenüber standen und die Militärs beider Seiten ernsthaft predigten, die Fähigkeit zum 37-fachen globalen Overkill würde noch nicht ausreichen. Bin ich bekloppt?

Najaaa, zumindest war das eine Zeit, in der die Dinge klarer waren, übersichtlicher. Und - wenn man mal von der ganz grundsätzlichen ethischen Perversion eines globalen Wettrüstens absieht - waren viele Dinge einsichtiger. Ein Kampfpanzer, um ein Beispiel zu nennen, war damals ganz zweifelsfrei eine reine Gefechtsfeldwaffe, mit dem primären Auftrag, gegnerische Panzer, vulgo: die "sowjetische Panzerwalze", zu bekämpfen. Es gab keine Überlegung, wie gut der Panzer mit kürzerem Geschützrohr und mit Räumschaufel geeignet war, wehrlose Dissidenten in den engen Straßen Riads zu beseitigen, und ergo mussten die Plittikörr bei den Exportgenehmigungen für den "Leopard" früher auch keine Märchen erzählen.


 (verändert via wiki commons)
Deutscher Leopard-Panzer mit Sonderausstattung zum Saudi-Arabien-Export, zur "riot control". 
Nix für Demokraten.

Oder nehmen wir die Luftwaffe: Anfang der 1980er wussten die bundesdeutschen Jetpiloten, dass ihre statistische Überlebenszeit 8 Minuten betrug. Ich als wehrpflichtiger Bodenverteidiger der Luftwaffe hatte damals immerhin 20 Minuten, mehr als das Doppelte. Da weiß man, was man hat. Und genau das wissen die Opfer heutiger  Drohnenangriffe eben nicht, die sogenannten Kollateralschäden. Und die sogenannten Drohnen-"Piloten" wissen es auch nicht.

Reine Knöpfchendrücker. Das waren die Jungs in den Abschussbunkern der Interkontinentalraketen während des Kalten Krieges auch. Aber die wussten im Gegensatz zu den heutigen Drohnen-"Piloten", dass auch für sie das Motto galt "Wer zuerst schießt, stirbt als Zweiter." Der Horror war absolut, er war final, er betraf brutalstmöglich ausnahmslos alle Menschen und den gesamten Planeten. Heute ist der Horror ungleich verteilt. Die Mächtigen können Horror teelöffelweise nach gusto verteilen, besser: verteilen lassen. Sie können ihn kaufen und verkaufen, ohne sich die Hände schmutzig zu machen oder gar sich selbst zu gefährden.

Und die Machtlosen, die sind dem Horror ausgeliefert. Es gibt kein antagonistisches Machtgefüge zweier Giganten mehr, die einander drohten "Haust Du meinen Bauern, hau' ich Deinen Bauern." Heute gibt es für die Ärmsten der Armen nur noch auf die Fresse, und niemanden interessiert's ernsthaft.

Der Kalte Krieg war vollkommener Wahnsinn. Es müsste einen psychopathologischen Fachbegriff dafür geben. Aber was wir jetzt haben, ist nicht wirklich besser. Wir sind ethisch und intellektuell keinen Schritt vorangekommen.


Relikt des Kalten Krieges, mit der rauen Ästhetik von Fallout 4
"Krieg, Krieg bleibt immer gleich."





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