Ich finde Patriotismus in jeder Form und in jedem Land problematisch. Stolz auf eine angeborene Staatsangehörigkeit ist Unsinn, denn dahinter steckt keine Eigenleistung.¹ Aber neulich ist mir eingefallen, wie Deutschland sein müsste, damit ich meiner deutschen Staatsangehörigkeit was Positives abgewinnen könnte.
Vor allem Anderen müssten alle Deutschen offensiv zu ihrer historischen Verantwortung stehen. Konkret: Aufgrund der ewigen, unüberwindlichen Scham der von unseren Vorfahren verursachten Gräuel sind wir Deutschys extrem sensibel, wenn es irgendwo auf der Welt um Menschenrechtsverletzungen, Faschismus, Fundamentalismus, Autokratismus, Rassismus, Sexismus geht. Weder im persönlichen Kontakt noch auf internationaler Ebene akzeptieren wir entsprechende Attitüden.
Wir brechen derartige Kontakte sofort ab, auch Geschäfte mit Einzelpersonen und Staaten sind nicht möglich. Wer mit uns handeln will, muss unsere Mindeststandards akzeptieren, mit Räubern und Verbrechern gibt es auch keine Kompromisse.
Das wird natürlich schwierig, weil die großen Konzerne ja international engmaschig verflochten sind. Schwierig heißt aber nicht unmöglich. Ein in Deutschland ansässiges Unternehmen hat sich an deutsche Gesetze zu halten. Diese Haltung führt natürlich zu einer Abwanderung der menschenrechtsfeindlichen, undemokratischen Kräfte, und das ist gut so. ²
Die Wirtschaftsleistung des Exportlands Deutschlands wird einbrechen, wir werden arm wie die Kirchenmäuse. Ja, und? Besser als eine Wirtschaft, die mit jedem Arschloch, besser gesagt: gerade und ganz besonders mit den Arschlöchern dieser Welt Geschäfte macht.
So eine konsequent ethische Haltung ist unbequem, klar. Vielleicht ziehen aber auch ein paar andere Länder mit, wer weiß? Vielleicht entsteht ein globales Denkschema "Wenn die guten Deutschen mit saudischen Machthabern nicht mehr dealen, wieso machen wir das dann noch?"
Der ganze Gedanke klingt verrückt, oder? Mich erschreckt dabei, wie selbstverständlich es für uns geworden ist, Wirtschaft und Ethik voneinander zu trennen. Wir hängen so sehr vom Blutgeld ab, dass wir uns gar nicht mehr vorstellen können, mit Völkermördern keine Geschäfte mehr zu machen.
Apropos "Blut": Es könnte sein, dass irgendwelche Idiotys im In- und Ausland versuchen, die Phase der Umstellung auf unser neues Staatsmodell zu missbrauchen, um zu putschen, uns aufzukaufen oder gar militärisch zu besetzen. Aber die Deutschen, die mir so vorschweben, würden darauf natürlich sofort und hoch-solidarisch mit einem Generalstreik reagieren, der jede Attacke ins Leere laufen ließe ...
Hach, das ist ja noch so ein total verrückter Gedanke! Völlig weltfremd und unrealistisch, dass wir Deutschen gemeinsam gegen einen Feind aufstehen würden, dass wir so solidarisch sein könnten, dass wir passiven Widerstand erfolgreich machen könnten.
Wenn das die Denke in Deutschland wäre, wenn es wenigstens minimale, nein: mikromale, tendenzielle Ansätze in diese Richtung gäbe, dann könnte ich sagen "Es ist ein geiles Gefühl, Deutschy zu sein!"
Solange mir aber gesagt wird, die Deutschen seien weder zu konsequentem ethischen noch solidarischen Handeln in der Lage, worauf, bitteschön, soll ich denn dann stolz sein?
Wir sind weit, sehr weit davon entfernt.
¹ Ich verweise auf entsprechende Ausführungen bei Ole Nymoen, 2025.
² Die wirtschaftliche Entflechtung wird spätestens dann eintreten, wenn das Gesetz in Kraft tritt, nach dem innerhalb eines Unternehmens dy bestverdienende Mitarbeity höchstens das zwanzigfache Einkommen dys wenigstverdienenden Mitarbeity erzielen darf.