Interessantes Interview mit einem Vertreter einer halboffiziellen us-amerikanischen Propaganda-Schmiede auf France24. Die Perspektive, beim gestern abgeschlossenen westeuropäischen Gas-Pakt sei Deutschland selbstverschuldet in der Rolle des bedürftigen Nehmers und müsse, wie einst Griechenland in der Finanzkrise - seine Hausaufgaben machen, ist neu.
Klar ist: Es ist reinstes US-Interesse, dass Deutschland sich von den russischen Gaslieferungen emanzipiert, nicht, um wirtschaftspolitische Abhängigkeit von Russland zu reduzieren, sondern vor allem, um die Abhängigkeit vom teuren amerikanischen Fracking-Dreck gleichermaßen zu erhöhen.
Klar ist auch: Deutlich ist zwischen den Zeilen die Lust am Deutschland-Bashing herauszulesen. Dem ewigen Muster-Knaben Versäumnisse vorwerfen zu dürfen, der Versuchung kann man nicht widerstehen.
Richtig ist: Es tut der doitschen Psyche bestimmt gut, auch mal auf die Hilfe Anderer angewiesen zu sein. Und dass Spanien, obwohl es selbst kein großes Gas-Problem hat, sich aber um unserer Willen zu Einschränkungen bereiterklärt, sollte uns Dankbarkeit und Demut lehren.
Aber: Auch im Nachhinein und auch angesichts der definitiv schändlichen aktuellen Gasversorgungs-Taktiken der Russen halte ich das deutsche Konzept der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Russland der letzten Jahre und Jahrzehnte für klug und richtig. Das müsste - insbesondere den westlichen EU-Partnern - vielleicht nochmal erklärt werden.
Russland hatte historisch und hat in der jüngeren und jüngsten Vergangenheit Angst, vom "Westen" wirtschaftlich, kulturell und militärstrategisch überrollt zu werden. Wie berechtigt diese Angst war und ist, lässt sich nicht abschließend beurteilen und unterliegt erheblichen Schwankungen.
Die deutsche Ost-Politik setzt seit Willy Brandt auf Annäherung und Vertrauensbildung. (Achduscheiße, was ist das denn für ein salbungsvoller, nichtssagender Satz!? Sofort aufhören mit dem Geseiere!) Kurz und knapp: Ich fand und finde es gut, dass Deutschland sich ganz bewusst abhängig gemacht hat, genauer: dass Deutschland mit Russland ein Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeiten zugelassen und bewusst in Kauf genommen hat. Wenn stets nur die eine Seite die andere erpressen kann, umgekehrt aber nicht, dann kann niemals Vertrauen entstehen.
Und ja, wir haben dabei auch finanziell einen guten Schnitt gemacht, einen, auf den die ewig zeternden Polen und die ewig imperialistisch-eifersüchtigen U.S. of A. neidvoll geblickt haben, aber die Russen waren's, soweit ich weiß, auch zufrieden, und es ist richtig, weil stabilitätsfördernd, wenn Handelsbeziehungen zu beiderseitigem Vorteil dienen. Die Russen müssen doch auch irgendwo das Geld verdienen können, mit dem sie anschließend westliche Maschinen und Autos kaufen sollen.
Natürlich fällt uns jetzt dieses Konstrukt teilweise auf die Füße. Ja, das ist enttäuschend. Na und? War es deshalb falsch, wie die Falken, die Klugscheißer und die notorischen Deutschland-Basher uns jetzt weismachen wollen? Nö! Man konstruiere bitte eine plausible Alternative, will sagen: Man skizziere mir eine europapolitische Alternative der letzten 40, 50 Jahre, in der wir "Westler" immer nur auf "dicke Hose" machen, immer nur aus einer Position der Stärke und Überlegenheit mit den Russen respektive den Sowjets kommunizierten. Ich bin sehr gespannt.
Vielleicht erkennt man ein Muster.