Samstag, 6. März 2021

Du sollst nicht Partei ergreifen. (BdW; Bd. II; S. 968)

Frage: Du betonst immer, als Tao-Übender dürfest Du keine Partei ergreifen. Aber für die Freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Menschenrechte setzt Du Dich sehr massiv und offensiv ein. Das ist widersprüchlich, oder?

Antwort: Mag so scheinen. Die Menschenrechte sind eigentlich nur eine langatmige Paraphrase der Forderung, Menschen sollten einander in Mitgefühl und gegenseitiger Hilfe begegnen. Der Begriff "Menschenrechte" erinnert daran, dass 1948 die überwältigende Mehrheit aller Staaten sich dazu in einem entsprechenden Abkommen verpflichtet haben. 

Frage: Aber die Realität ...

Antwort: Erbärmlich. Beschämend. Aber das liegt an den Menschen, nicht an der selbstgegebenen Charta.

Frage: Bei der freiheitlichen Demokratie sieht's aber auch übel aus.

Antwort: Ja. Dafür müssen wir kämpfen! Wir können nur wenig tun, wenn die Mehrheit der Menschen in der Türkei, auf den Philippinen, in den USA, China, Polen, Israel, Ungarn beschliessen, die Menschenrechte nicht mehr zu wollen. Aber die FDGO geht unser Land an, und da können und müssen wir kämpfen.

Frage: Weil? 

Antwort: Die FDGO ist so einzigartig, weil sie ein System ist, mit dem man einerseits gesellschaftliches Leben organisieren und koordinieren kann und das andererseits die Chance zur dauerhaften Akkumulation politischer Macht möglichst weitgehend minimiert. Totalitär organisierte Gesellschaften können zweifellos schneller und rücksichtsloser agieren, als freiheitliche. Das macht den Reiz aller politischen bzw. religiösen Fundamentalismen aus, und diesem Reiz erliege ich auch mitunter¹. Aber: Absolute Macht korrumpiert absolut. Es gibt kein Beispiel, bei dem das nicht passiert ist. Null. Und hinterher waren stets viel mehr Menschen unglücklich, verletzt, zerstört als vorher. 

Nein, wir brauchen diesen langatmigen, komplizierten, fehleranfälligen, diskursbasierten, piefigen, nervtötenden, teils verlogenen, teils korrupten, teils hirnzerfetzend dämlichen politischen Prozess, den wir Demokratie nennen. 

Demokratie bedeutet idealerweise, Macht wird irgendwie ausgeübt, und gleichzeitig gilt es als verachtenswert, als ethisch untragbar, an der Macht festzuhalten. Es ist gut, dass wir unseren Plittkörrn einerseits zeitlich begrenzt politische Macht geben und sie andererseits immer ein bisschen dafür verachten, dass sie sie ausüben wollen.  

Dieser Widerspruch gefällt den Meistern des Tao. 👍



(via wiki commons)
Ich mag dieses Bild von Lao-Tse,
weil er da so unspektakulär aussieht,
ein bisschen ungelenk,
und der Kopf etwas verdetscht.
Kein Ideal,
und deshalb vertrauenswürdig.






 ¹Was würde Friedrich II von Preußen, der "Alte Fritz", angesichts der Corona-Krise machen? 
Und wie oft wünsche ich mir, "Absoluter Chef von der Welt" zu sein. Nur eine Zeit lang, sagen wir, ein paar Jahre. Die Welt wäre hinterher ein bess'rer Ort, ich schwör's!





Mittwoch, 3. März 2021

Gleichnis-Vergleich

Der weise Gobba Lan sprach: "Mein Weg zur Erkenntnis ist wie der eines Käfers, der den Gipfel einer hoher Düne erklimmen will. Emsig kletternd kommt er doch nur langsam voran, denn immer wieder rutscht er zurück." 

Schüler: "O Herr, heißt der Spruch nicht: 'Lernen ist wie das Schwimmen gegen den Strom. Wenn Du aufhörst, treibst Du zurück.'?"

Der weise Gobba Lan: "Hör' mal, Klugscheißer, wenn Du es im Weisheits-Business zu was bringen willst, solltest Du aufhören, die Alten Weisen zu hinterfragen!"

Schüler (trotzig): "Nur wer gegen den Strom schwimmt, erreicht die Quellen!"

Der weise Gobba Lan: "Ah, Du meinst es ernst, oder? Sehr gut. Dann höre die vollständige Antwort. Bei dem Gleichnis mit dem Gegen-den-Strom-schwimmen fallen mir immer nur glubschäugige Forellen oder Lachse ein, die hirnlos einer Programmierung folgen, um sich fortzupflanzen und dann zu sterben. Mein Käfer hingegen krabbelt auf die Spitze der Düne, weil er die Übersicht und die Weite des Himmels über sich genießen will. Nenn' es meinetwegen Erkenntnis, was er sucht. Und mein Käfer kämpft die ganze Zeit, obwohl er sich jederzeit anders entscheiden könnte: Nahrung und Sex findet er auch unten an den Dünen. 

Außerdem fasziniert mich das zappelige, nicht immer zielgerichtete Gekrabbel des Käfers mehr als das stoische Einbahnstraßen-Denken dummer Fische. Meine persönliche Suche nach Erkenntnis war und ist eine Geschichte voller Fehler, Missverständnisse, Umwege, Dummheiten, Rückschläge und sogar Verletzungen. Schaue ich auf mein bisheriges Leben zurück, sehe ich endlose Aneinanderreihungen von Peinlichkeiten. Nur mit großer kognitiver Anstrengung kann ich die Scham über meine begangenen Dusseligkeiten überwinden: Indem ich mir sage, dass ich zu jedem Zeitpunkt in gutem Willen gehandelt habe und nach bestem Wissen, und dass das Wissen eben oft nicht da war, sondern erst in langen, meist unangenehmen Prozessen erworben werden musste.

Nein, mein Käfer-Gleichnis ist in Ordnung. Ich bleibe dabei."


aus: Thylni Nidnovi (Hg.): Das Buch von der Weite von Himmel und Erde (BdW); Band XXXVI; Aarsfurt; 512 v. Metis; S. 112 f


(stark verändert via Afrikascout)









Montag, 1. März 2021

Kreativität

 

Kreativität ist: Keine Angst vor Fehlern haben.

Weisheit ist: Viele Fehler gemacht zu haben.



aus: Thylni Nidnovi (Hg.): Das Buch von der Weite von Himmel und Erde (BdW); Band II: Definitionen; Aarsfurt; 512 v. Metis; S. 54.










Sonntag, 28. Februar 2021

Wie man Schickimicki erkennt


Zu Vai-car, der Alten Weisen, kam einst Dschong-La, der Schüler, und sprach: "Oh weise Vai-car, bitte lehre mich den Unterschied zwischen Schickimicki und Nicht-Schickimicki." Die alte Vai-car besann sich eine Weile und dann sprach sie: "So will ich Dir die Geschichte von Laerion, dem Flieger, erzählen." 

Und sie sprach: "Einst lebte Laerion der Flieger, der flog für sein Leben gern, tagein, tagaus, sommers wie winters. Und weil er es besonders liebte, im sehr, sehr offenen Cockpit eines 120-kg-Trikes zu fliegen, musste er, wenn er winters unterwegs war, sich stets ziemlich dick einmummeln und das tat er auch. Irgendwann beschloss Laerion aber, die dicken, unförmigen Handschuhe, die zwar wärmten, aber ungeschlacht waren, durch ein Paar elegantere, akku-beheizte Handschuhe zu ersetzen. Ein oder zwei Mal ging das auch ganz gut und Laerion flog mit seinen beheizbaren Handschuhen und freute sich ihrer. 

Dann aber, eines Tages, machte ein Akku, der des linken Handschuhs, die Grätsche. Laerion versuchte zwar noch, ohne Handschuhheizung weiterzufliegen, aber nach einer Viertelstunde war seine linke Hand so eingefroren, dass es ihm langte und er vorzeitig zum Flugplatz zurückkehrte und wütend landete."

Vai-car schwieg. Dschong-La dachte ein Weile nach. "Ich verstehe.", sagte er schließlich. "Laerion hatte eine technisch einfache aber funktionale Lösung. Doch er tauschte sie ohne wirkliche Notwendigkeit gegen eine technische komplexere Lösung ein ... " "... die nebenbei gesagt auch noch eine Menge Geld gekostet hat.", ergänzte Vai-car. "Wahrlich," seufzte Dschong-La, "es gibt ohne dies viele Dinge, die die Flugzeit verkürzen können. Wenn dann auch noch die Unwägbarkeit einer dysfunktionalen Handschuhheizung als Risikofaktor dazukommt, kommt man eines Tages kaum noch in die Luft!"

"Nun kennst Du den Unterschied zwischen Schickimicki und Nicht-Schickimicki.", antwortete Vai-car. "Merke ihn Dir gut. Es gab mal eine Armee, die hatte so viel Schickimicki, dass kein Transporthubschrauber mehr flog, kein U-Boot mehr fuhr und kein Gewehr mehr richtig schoss."

Dschong-La verbeugte sich ehrfuchtsvoll und dankbar, als sie ging. Aber auf dem Weg nach Hause dachte sie: "Prinzipiell hat die Alte zwar recht, aber diese völlig überdrehte Metapher von der Armee ohne Waffen hätte sie sich schenken können. Schwachsinnsmärchen"


aus: Thylni Nidnovi (Hg.): Das Buch von der Weite von Himmel und Erde (BdW); Band XIV; Aarsfurt; 512 v. Metis; S. 389 f



Heute hing die Nebeldecke bei 250 m so tief, dass nur Low-&-Slow-Flieger eine Chance hatten.




   




Samstag, 27. Februar 2021

Zwischenhalt




Frühling lässt sein blaues Band ...



Der bisherige Blog endet hier. 

Damit unter altbewährter Adresse 

demnächst mal was Neues entstehen kann ... 😅








































Sonntag, 21. Februar 2021

Quiz-Fragen

 

Erste Frage: Warum hat Air Création die Kabel zum Tragwerk rot ummantelt? 


Antwort: Damit sie mit diesem irrsinnig schönen, frischen, niegesehenen, strahlenden Himmelhellblau auf's Schönste kontrastieren!

Zweite Frage: Warum geht der Macher dieses Blogs seinen Leser*innen immer wieder mit diesem Motiv auf den Senkel: Hunte mündet in die Weser und die fließt nach Norden.

Antwort: Weil dieses Motiv so viel Ruhe und gleichzeitig so viel Dynamik hat, dass es immer wieder hirnzerfetzend spannend ist.

Dritte Frage: Warum päckt der Macher dieses Blogs so relativ viele Fliege-Selfies in die Texte? Egomanische Anpassungsstörung? 

Antwort: Könnte sein. Es könnte aber auch sein, dass er sich immer selbst wieder vergegenwärtigen muss, wie geil das ist, dass er so mirnichtdirnichts da rumfliegen kann. Dann wäre das Ausdruck demütiger Freude. Der Helm sieht übrigens immer noch bescheuert aus, ist aber wirklich praktisch. 

Vierte Frage: Wie kommen die unterschiedlichen Farben des Wassers zustande?


Antwort: Das ist eine äußerst spannende Frage, auf die ich leider keine Antwort weiß, zumal die einzelnen Teilgewässer in ihrer jeweiligen Farbe sehr gleichmäßig gefärbt sind. Sieht interessant aus und harmoniert mit dem nochwinterlichen Grün-grau-braun der Umgebung. Die weißen Strukturen auf dem Wasser sind Reste winterlichen Eises. Sieht man nicht oft, wenn man als Trike-Flieger die Comfort-Zone bei plus 5 °C enden lässt und unterhalb einfach nicht mehr mag.

Fünfte Frage: Wie erfreut bist Du, nach fast drei Monaten, den Arsch wieder in die Luft gekriegt zu haben? Sagen wir, auf einer Skala von 1 bis 10, wobei "10" maximale Freude ausdrückt?

Antwort: 27, das weißt Du doch! Willst Du mich verarschen? Mal ehrlich: Mit dem Begriff "Depression" kann und will ich nicht viel anfangen, aber die letzten Wochen mit Dunkelheit, Kälte und Lockdown-Isolation ... puuh.   

Sechste Frage: Wie war's sonst heute?

Antwort: Anderthalb Stunden reine Freude, aber die erste Landung nach der Winterpause war absolut kacke¹! Die Windbedingungen waren zwar etwas tricky, aber nicht dergestalt, dass sie so einen Schafscheiß entschuldigen könnten. Nach einer kurzen P.-Pause musste ich unbedingt noch drei Touch-'n-Gos machen, um nicht mit dem Gefühl nach Hause zu fahren, ich könnt's vielleicht nicht mehr. Die Landungen waren dann ganz flockig, aber es ist irre, wie man ohne Training einrostet.  


(verändert via wiki commons)


¹ Jaja, alte Fliegerweisheit: "Ist das Gerät ohne Reparatur wiederstartfähig, war die Landung ok." Vergiss es! Man hat ja irgendwo auch seinen Stolz. Wozu macht man's sonst?


 

 


Montag, 15. Februar 2021

Im Altpapier der Geschichte

Es passiert eigentlich nicht, dass ich ein Buch kaufe, zu lesen beginne, um es dann nach dem ersten Drittel unwiderruflich ins Altpapier zu pfeffern. 


Ich schwör':
Dies Bild ist nicht gestellt!

Bei Phillipp Petersons "Vakuum" ist es passiert, und das will erklärt werden. Die Science-Fiction-Geschichte ist ein bisschen dumm und hat Längen. Das ist jedoch kein hinreichender Grund zur vorfristigen Entsorgung, sintemalen, wenn man ohnehin gerade knapp an Lesestoff ist.  

Der "Vakuum"-Plot ist simpel: Eine garantiert echt unabwendbare Instant-Death-Natur-Katastrophe rollt auf die Erde zu, und man hat anderthalb Jahre Zeit eine Arche zu bauen, das vielzitierte Generationenschiff mit tragfähigem Ökosystem und in Form eines Drehzylinders für die künstliche Schwerkraft.

Irgendwann fällt dem US-amerikanischen Verfasser offenbar auf, dass seine ausschließlich US-amerikanischen Technokraten-Helden eine ausschließlich US-amerikanische Technokraten-Lösung zur Rettung von 1.500 ausschließlich US-amerikanischen Auserwählten bauen. Die Protagonisten sind ob ihres absoluten America-first-Egoismus' aber nur kurz irritiert, denn auf einer Dreiviertel-Seite kommen sie in einem krampfhaft eingeschobenen Diskurs zu folgendem Ergebnis: 

Es ist völlig ok, absolut egoistisch zu sein, denn die Russen und Chinesen werden es auch sein, und sie werden ihre eigenen Lösungen bauen und bei der Materialbeschaffung folglich als Konkurrenten auftreten, vor denen sich die jungen, klugen, netten, gutaussehenden, hochgebildeten, charmanten, großpimmeligen US-Amerikaner in Acht nehmen müssen. Und die Europäer werden nicht zu Potte kommen, weil sie alle Probleme erstmal zerlabern, und am Ende werden sie verzweifelt versuchen, ihr vieles Geld einzusetzen, um Plätze auf den anderen Archen einzukaufen. 

Daher ist US-Egoismus nicht nur ethisch vertretbar, sondern geradezu ein Gebot der Logik. 

Es ist, kurz gesagt, die Trump-Erzählung. Es ist ein Trump-Science-Fiction-Roman. Und es würde nicht so weh tun, wenn die Kritik an den Europäern nicht so ein verdammter Nahtreffer wäre. 



NASA-Vorschlag aus den 1970ern für ein Generationenraumschiff - via wiki commons



 




Sonntag, 14. Februar 2021

Ein jedes nach seiner Art ...


Gerade wichtige Feststellung gemacht: Wie fern oder nahe mir Menschen stehen, erkenne ich am objektivsten an der Art, wie ich mit ihrer Kritik, und ich meine hier ausschließlich negative Kritik, umgehe. Das lässt sich in erfreulich klare Kategorien einteilen.

Kategorie VI: Menschen, deren Kritik mich erfreut, weil ich, wenn die mich doof finden, weiß, dass ich alles richtig mache.

Kategorie V: Menschen, deren Kritik ich vorhersehe, gelangweilt erwarte und leichterhand abschmettern kann.

Kategorie IV: Menschen, deren Kritik ich auf Stichhaltigkeit prüfe.

Kategorie III: Menschen, deren Kritik ich sehr ernst nehme und sorgfältig auf Stichhaltigkeit prüfe.

Kategorie II: Menschen, die in zahlreichen Diskussionen mit mir meistens Recht behalten haben, so dass ich aufgrund dieser Erfahrung meinen Standpunkt sehr grundsätzlich, sehr akribisch und tiefschürfend hinterfrage, falls sie mich mal kritisieren.

Kategorie I: Menschen, die ethisch und spirituell so weise sind, dass ich prinzipiell und ungeprüft mein Verhalten im Sinne der von ihnen geübten Kritik ändere. Eine spätere Revision ist zwar möglich, aber erfahrungsgemäß äußerst selten.

Ja, die Grenzen sind fließend und die Zuordnungen wandelbar. Und manchmal bin ich auch einfach nur störrisch, wenn man mich kritisiert.




(verändert via wiki commons)
Ausschnitt aus der Fotosequenz "Ruth ist störrisch"; E. Muybridge, 1830-1904





Freitag, 12. Februar 2021

Was bin ich froh, dass ich kein Linker bin.

Wieder einmal bewährt sich meine geistige Zuneigung zum philosophischen Taoismus¹, der mich davor warnt und bewahrt, Partei zu ergreifen, mich gar einer politischen Partei anzuschließen. 

In der aktuellen Diplo titelt Leigh Phillips² über "Postwachstum als Illusion" und vertritt die Auffassung, Wachstumskritik sei zwar gerechtfertigt, so sie sich gegen kapitalistische Wirtschaftsstrukturen richte, sobald es hingegen Arbeiter und Bauer und sonstwie Proletarischem an den Wohlstand ginge, sei aber Schluss mit Lustig. Nicht, dass man die Diktatur des Proletariats erschaffe, damit dann nur in ökologisch nachhaltiger Bescheidenheit gelebt werde. Sein Fazit: "... unser Leben wird nicht nur durch den Wohlfahrtsstaat reicher, sondern auch durch Turnschuhe, Lego-Sets, Waffeleisen, ja selbst Flachbildschirme und X-Boxen."

Was lernen wir? Das Proletariat, inclusive die sogenannte "demokratische" Linke, ist auch nur ein Haufen Dummbratzen, genau so spießig, materialistisch und egoistisch wie die Kapitalisten. Den Linken geht es nicht darum, eine lebenswertere, gerechtere, solidarischere Welt zu schaffen, es geht ihnen darum, die Macht, die derzeit Andere haben, selbst zu haben. Gegen die Macht an sich und gegen ihre Ausübung zum eigenen, kurzsichtigen Vorteil und auf Kosten einer menschenwürdigen Umwelt  haben die gar nichts.³ Diese Denke schimmerte schon immer als Imprematur durch alle linken Positionen, nun ist's endlich offen gesagt. Und die Partei unwählbar. Schade eigentlich.



 

(via wiki commons)
Zugegeben: Besser wurd's eigentlich nie.






¹ Es gibt auch einen religiösen Taoismus, den ich aber bestenfalls als Widerspruch in sich verstehe. 

² Muss man den kennen? Ich tu mal so, als müsste man den kennen. Aber in Wirklichkeit habe ich noch nie von ihm gehört.

³ Mich erinnert das an den Befreiungskampf vieler ethnischer Minderheiten. Diese Opfer von Rassismus und Völkermord haben erschreckenderweise herzlich wenig gegen Rassismus und Völkermord einzuwenden. Sie greinen nur deshalb, weil sie nicht ständig was auf die Fresse kriegen wollen, sondern gerne selbst mal austeilen wollen. Man lausche den Jesiden, Kurden, Huthi, Tutsi, Sinti und Semiti mal recht aufmerksam, wenn sie über ihre Utopien plaudern. Weißer Rassismus hatte zwar historisch viel grauenvollere Auswirkungen, aber der Schwachsinn sitzt überall tief.






Donnerstag, 11. Februar 2021

Jesus-Virus

Der Anchorman eines inzwischen furz-konservativ verkrusteten Religionsanbieters soll vor etwa 2.000 Jahren gesagt haben: "Was Ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt Ihr mir getan." Chapeau, so ein Spruch könnte damals im begrenzten ethisch-kulturellen Kontext nahöstlicher Wüstennomaden ein echter Knaller gewesen sein.   



Ulkigerweise bekommt er durch SARS-CoV-2 eine ganz neue Aktualität. Genauer gesagt: Der Spruch könnte direkt vom Virus selbst stammen, wenn dieser denn mehr wäre als wildgewordene Nukleinsäure.

Der Reihe nach:
Natürlich habe ich gestern, wie überhaupt seit Wochen und Monaten, die öffentlichen Diskussionen um Anti-Corona-Maßnahmen verfolgt, den Streit, das egoistische Gezerre, die dümmlichen Rechthabereien und dreckigen Lobby- und Konzern-Machtspiele um die Frage, wer wann wo wieviel Impfstoff und Test-Sets beauftragt, beschafft und bereitgestellt und wer wann welchen Anspruch auf diese Segnungen von Kapital, Politik und Medizin hat. 

Ulkig daran ist: Die Viren kümmern sich einen Dreck um diese Diskussionen. Viren sind gar nicht fähig, darauf zu reagieren. Sie können nur eins: Wirtszellen veranlassen, sie, die Viren, zu vervielfältigen. Dabei entstehen Billiarden neuer Viren, aber auch Milliarden Kopierfehler, "Mutationen" genannt. Die meisten Kopierfehler führen dazu, dass die resultierenden Viren-Exemplare nicht funktionieren ¹, sie werden folglich nicht weiter vervielfältigt. Einige wenige Kopierfehler führen aber auch dazu, dass das Virus Eigenschaften entwickelt, die es vielleicht noch ansteckender und in der Wirkung noch gefährlicher für uns Menschen und gegen die menschliche Immunabwehr noch resistenter machen. Dieser Prozess setzt sich fort, solange das Virus irgendwo auf dem Planeten aktiv ist.

Warum liste ich diese allseits bekannten Banalitäten hier nochmal auf? Weil ich zunehmend verzweifelt darum kämpfe, zu verstehen, wo genau in dieser banalen Faktensammlung die Begriffe auftauchen, die gerade unsere öffentliche Diskussion dominieren: "Föderalismus", "Bildung", "Frisöre eine Frage der Menschenwürde", "Lobbyverbände fordern...", "Hätte Doitschland einen national-egoistischen Alleingang bei der Beschaffung machen müssen, so wie England, Israel, Ungarn?", "Darf man russischen Impfstoff kaufen, wo die doch den Nawalny...?", "Warum lautiert Frau Karliczek öffentlich?"

Wenn ich mir den letzten Absatz anschaue und ihn inhaltlich mit dem vorletzten Absatz vergleiche, dann ist da ... so gar nichts. Keine Schnittmenge. 

Daher bitte ich nun unsere Macht-Haber*innen, sich gütigst erinnern zu wollen: Wir haben eine Pandemie, also per definitionem ein weltweites Problem. Dieses Problem mit all seinen Mutationen wird erst dann erledigt sein, wenn der letzte Brasilianer, der letzte Aborigine, der letzte Mohikaner und der letzte sachsen-anhaltinische Corona-Leugner immunisiert sind. Bis dahin wird uns diese natürlich entstandene Bio-Waffe immer wieder um die Ohren fliegen.

Andersrum: Die Diskussion, wer zuerst geimpft wird, ist völlig bescheuert! Wir müssen fragen, wer auf dieser Welt zuletzt geimpft wird. Und die Logik des Virus macht es aus menschlicher Sicht sinnvoll, den Zeitpunkt der letzten notwendigen Impfung in eine möglichst nahe Zukunft zu verlegen.    

Noch andersrummer: Jede Lösung, die das Problem nicht als global begreift, ist keine Lösung, sondern völlig bescheuert!

Und schließlich: Jaaa, Jesus hatte in diesem Punkt vollkommen recht. Ich habe auch nichts gegen Jesus, der hat einige gute Sachen gesagt. Ich frage mich nur, warum das aktuelle Management des Christus-Konzerns hier jetzt nicht mit voller Marketing-Macht reingeht und die Message pusht, bissa Arzt kommt. 



(via wiki commons)

Ein Problem beim abrahamitischen Fundamentalismus ist die Kritikunfähigkeit.
Warum hat niemand dem Maler gesagt, dass der einzig denkbare Titel des Bildes lautet: 

"Jesus pupst und seine Jünger fragen ihn, was, zum Teufel, er da wieder gegessen hat".  




¹ Es ist zu bezweifeln, dass Viren überhaupt Lebewesen sind. Daher vermeide ich hier Begrifflichkeiten aus dem Bereich "Leben, Sterben, Tod etc."