Freitag, 6. Dezember 2019

Stimmt so.



Wer nicht mehr liebt und nicht mehr irrt,
der lasse sich begraben.
                                                                                                                           Goethe




Man muss, glaube ich, sehr viel gedacht, gelebt, gelitten, geschrieben, umgeschrieben, gekürzt und gestrichen haben, um schließlich so einen einfachen Satz formulieren zu können.











Mittwoch, 27. November 2019

Unterschiedslos




Finn, links, ist etwa 10 Wochen alt, sein Opa, rechts, etwa 2964 Wochen. Wenn man mal von diesen mathematischen Zufallszahlen absieht und auch von den daraus resultierenden banal-lapidaren Folgen, wie Körperlänge, Gewicht, vermutbare Anzahl noch vorhandener Telomere und ergo Restlaufzeit ...

... was bleibt da eigentlich an RELEVANTEN Unterschieden?

Erstens: Finn ist extrem neugierig auf die Welt. Das ist sein Opa zwar auch, aber Finns Neugier ist chaotischer, kraftvoller und entschiedener. Muss sie auch sein. Er hat noch keine Kategorien, nach denen er Neugier bzw. Forschungsdrang kanalisiert. Opa hat. Leider. Das ist vielleicht energieeffizient, aber auch eine mögliche Einschränkung im nie endenden Prozess individueller Welterkenntnis.

Zweitens: Opa hat idiotisch viele Möglichkeiten gehabt und genutzt, aus selbstgemachten Fehlern zu lernen, und er hat darüberhinaus vom Leben hinreichend auf die Mütze gekriegt, um daraus ein klitze-bisschen Weisheit zu filtrieren. (Nicht, dass man den Alltagswert von Weisheit überbewerte, aber sie hilft zuweilen bei der Prioritätensetzung.) Da hat Finn natürlich noch Einiges vor sich, und nichts davon kann man ihm abnehmen, leider. Per definitionem kann man Erfahrungswissen nicht weitergeben, denn dann wär's kein Erfahrungswissen mehr.

Aber sonst?

Nee, sonst gipps da keine Unterschiede. Echt nicht.











I need city lights

Defense and weaponry
No way of knowing
My life expectancy
I learn resistance
Like I learn to see
A living witness
A lonely refugee

I'm a war child
I'm a war baby
And that's the difference
Between you and me
I'm a war child

(...)

Blondie: War child


Montag, 25. November 2019

Anleitung zum kollektiven Glück


In Anbetracht der Exzesse im Nachgang der Französischen Revolution 1789 begründet Friedrich Schiller in einem Brief an den Prinzen Friedrich Christian II am 13.07.1793, warum JEDE auch noch so brilliante politische Idee letztlich hoffnungslos zum Scheitern verurteilt ist:

"... wenn die Weisheit selbst in Person vom Olymp herabstiege, und die vollkommenste Verfassung einführte, so müßte sie ja doch Menschen die Ausführung übergeben." 

Fast 227 Jahre später sind wir keinen Schritt weiter gekommen: Jede kluge Idee einer staatlichen Verfassung wurde und wird auch weiterhin von den Menschen, die sie umsetzen, pervertiert und zugrundegerichtet.

Egal, ob Kommunismus, Sozialismus, Demokratie, Marktwirtschaft, Anarchie oder wasauchimmer: Noch während das junge Pflänzchen der neuen politischen Utopie die ersten zarten Blättchen reckte, waren da stets schon ein paar krankhaft machtgeile alte Männer, die aus teuflischer Gier und Egomanie das unschuldige, hoffnungsfrohe Projekt usurpierten und sich zu Willen machten. Und immer war da stets schon der rohe, stumpfe Mob, der nichts Anderes erwartet, als zu fressen, zu saufen und zu vögeln, wobei Letzteres neuerdings fakultativ durch Privatfernsehen, rattenschnelles Internet und Smartphones ersetzt werden kann, Hauptsache, es befriedigt, ohne zwingend das Hirn zu beteiligen.

In tödlicher Symbiose mähte dieses Zweigespann jede positive politische Idee nieder, so dass am Ende immer nur ein menschenverachtendes, allzuoft faschistisches oder faschistoides System übrigblieb.

Aktuell erleben wir das zombiehafte Wiederauferstehen der postfaktischen Populisten, das beweist: Es hat auch heute niemand wirklich Interesse an Demokratie, Menschenrechten oder dem längerfristigen Erhalt einer menschenwürdigen Lebensumwelt. Das ist alles nur hauchdünne Tünche.

Was bleibt?

Abschied von der Illusion, eine gesamtgesellschaftliche Utopie wäre möglich oder durchsetzbar oder dauerhaft leb-bar.

Stattdessen der harte Weg: Bildung. Jedes Menschenkind muss je individuell überzeugt werden, dass es nichts Erbärmlicheres gibt, als Teil dieses Duo infernale zu werden. Das Neue Erste Gebot: "Du darfst unter keinen Umständen zu den machtgeilen Egomanen-Arschlöchern noch zu den hirntot mitlaufenden Idioten gehören!"

Wenn es gelingt, dieses Gebot in genügend Köpfe zu implantieren, dann brauchen wir auch keine gesellschaftliche Utopie mehr.

Gut, man könnte das Neue Zweite Gebot ergänzen: "Übe bedingungslos Dein Mitgefühl und sei barmherzig."

Naja, dann können wir den Reigen auch vervollständigen. Das Neue Dritte Gebot: "Sei demütig gegenüber der Natur. Du brauchst sie, nicht umgekehrt."

Drei schlichte, verständliche Gebote zum kollektiven Glück? Ich halte das für ein faires Angebot.






(Piero della Francesa: Die ideale Stadt, 1480)

Bisschen wenig Publikumsverkehr, 
aber vielleicht fand der gute Piero gerade das ideal ...






Sonntag, 17. November 2019

Vorbildliche Wissenschaft


Ich weiß zwar nicht warum, aber offenbar haben wir "Themenwoche Bildung". Das klingt, als hätte die Journaille gerade wieder ein Defizit an echten Inhalten und bedürfe daher eines Jokers, den man immer spielen kann, wenn man nix auf der Pfanne hat. Schulscheiß ist dafür immer gut.

Nebst anderem Blödsinn bringt tagsschau.de ein Interview unter dem Titel "Es gibt keine Schule ohne Rassismus".  Ein "Juniorprofessor für Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung an der Ruhr-Universität Bochum" gibt auf die Eingangsfrage, wie groß das Rassismusproblem an deutschen Schulen sei, zur Antwort:

"Die genauen Prozentzahlen sind nicht bekannt. Aber ich als Rassismusforscher gehe davon aus, dass überall dort, wo Menschen zusammenkommen, auch Ungleichheitsstrukturen eine Rolle spielen. Es gibt keine Räume, die frei sind von Rassismus. Es gibt keine Schule ohne Rassismus."

Auf die weiteren Fragen, wer betroffen sei, was Lehrkräfte unternehmen müssten, etc. etc., kann der Mann dann aber sehr dezidiert Auskunft geben.

Ich finde das großartig! Vor allem die brilliante argumentative Konstruktion überzeugt mich total: "Ich habe zwar NULL valide Erkenntnisse oder belastbares Daten-Material, aber ich bin Wissenschaftler und deshalb reicht es, wenn ich meine Meinung absondere, insbesondere, wenn diese, meine Meinung dazu dient, meine eigene hochdotierte Stelle zu legitimieren!" 

Mir wäre fast nicht aufgefallen, dass das strenggenommen eine totale geistige Bankrotterklärung  ist und dass sowohl der Titel des Textes als auch dessen Inhalt als auch die Reputation des Interviewten und seiner Fachdisziplin endgültig ins Nirwana geschossen wurde. Aber das Problem ist eigentlich NICHT, dass hier ein einzelner profilneurotischer Juniorprofessor und ein hirntotes Redaktionsteam zusammen einen unsagbar schlechten Text fabriziert haben. Das Problem ist, dass hierdurch sowohl die Institution Wissenschaft als auch die Presse den Rechten, den Populisten, den Nazis eine riesige Angriffsfläche bieten.

In Fragen von Demokratie, Menschenrechten, Klima usw. wünsche ich mir, dass wir, die Guten, mit eisekalter Ratio und der schieren Überzeugungsgewalt naturwissenschaftlicher Erkenntnis den Schwachsinn der machtgeilen, menschenverachtenden Arschlöcher abschmettern. In diesem Sinne hat Fereidooni richtig Scheiße gebaut.






(Stark verändert via I-net)
Ja, nee, is' klar, die Leute stehen auf diese Wissenschafts-Nummer. Vielleicht sollten alle Soziologie-Mittelbauer öfter mal einen Labor-Kittel anziehen. Das stärkt das Selbstbewusstsein, wenn das Fachliche nicht genug Legitimation hergibt und die nächste Sinnkrise am Horizont wetterleuchtet.









Sonntag, 3. November 2019

Der feine Unterschied


Liebes Tagebuch!

Heute habe ich gelernt, was der Unterschied zwischen einem normalen Menschen und einem Luftfahrt-Ingenieur ist.

Der normale Mensch denkt:

"Wir haben gerade den uns bis dato unbekannten Vergaser eines Flugzeugmotors ausgebaut, zerlegt, gereinigt, modifiziert, zusammen- und wieder eingebaut. Aus diesem Grund müssen wir logischerweise erstmal ausprobieren, ob das Alles noch funktioniert oder ob uns das Teil gleich um die Ohren fliegt, weil wir irgendwo Mist gebaut haben. Wenn so ein Vergaser die Grätsche macht, explodiert er dann eher stichflammenartig oder verbrennt er langsam, bis das Feuer auch auf die restliche Alu-Struktur übergreift? Wäre ja schon besser, wenn das am Boden passierte, als in der Luft  ..." usw. usw.

Der Luftfahrt-Ingenieur denkt:

"Wir haben gerade den uns bis dato unbekannten Vergaser eines Flugzeugmotors ausgebaut, zerlegt, gereinigt, modifiziert, zusammen- und wieder eingebaut. Aus diesem Grund wird er logischerweise schnurren und abgehen wie Schmidts Katze!"

Der Unterschied ist in Wirklichkeit nicht der zwischen einem Menschen und einem Ingenieur, sondern der zwischen einem zweifelnden, unsicheren Bunzelbastler und einem strukturiert und algorithmisch vorgehenden Profi. Fairerweise muss man konzedieren, dass Anno Mentzel vermutlich auch schon Tausende von Vergasern am Wickel hatte, aber das ist, glaube ich, gar nicht entscheidend. Viel wichtiger ist die Geisteshaltung: Schritt-für-Schritt, sachlich, analytisch.

Eigentlich kann das Jede*r. Man steht sich immer nur selbst im Weg.




(Luftschiff Hindenburg, 1937, verändert via wiki commons)

Man weiß es nicht genau,
aber die meisten Experten sagen,
es lag NICHT am Vergaser!








Samstag, 2. November 2019

Premiere


Ich habe bisher davon abgesehen, Videos meiner Landungen zu veröffentlichen, weil diese so sanft, so flauschig und gefühlsecht sind, dass sie medienrechtlich als Soft-Porno gelten ...




Ok, das war natürlich ein Scherz. Ich hatte bislang einfach kein Video meiner Fliegerei. Das hier ist - dank L.W.  - das erste, und die Landung ist wirklich gut gelungen.







Freitag, 1. November 2019

Technikmagie



Habe gerade mit größter Selbstverständlichkeit einen Filzstift aus der Box mit "Reservestiften" entnommen und angefangen, damit zu arbeiten.

Dann wurde mir bewusst,

  • dass dieser Stift mindestens 12 Jahre lang unbenutzt in dieser Box gelegen haben muss,
  • dass ich schlicht vorausgesetzt habe, die Tinte sei - trotz der langen Lagerzeit - nicht eingetrocknet,
  • dass die Tinte auch tatsächlich - trotz der langen Lagerzeit - nicht eingetrocknet ist,
  • dass ich andererseits schlicht voraussetze, die Tinte werde nun aber in Halbsekundenfrist getrocknet sein, sobald sie auf Papier geflossen ist und 
  • dass das Alles auch tatsächlich genauso stattgefunden hat. 


Was für eine kühne Ingenieursleistung, was für eine geradezu magische Schöpfung!

"[Das Ding] in seiner höchsten Vollendung wird unauffällig."
A. de Saint-Exupéry




Ich maule ja auch gerne mal gegen jeden Konsum(-ismus), 
aber die Edding-Leute haben's echt drauf!






Mittwoch, 30. Oktober 2019

Die Hohe Schule ...


Ich habe einen Kollegen, JGC, dem bin ich in Freundschaft und Respekt zugetan, und ich schätze mich glücklich, vermuten zu dürfen, dies gelte auch umgekehrt. Da wir schon einige Jahre zusammenarbeiten und da dies absehbar wohl auch noch so bleiben wird, kann sich die/der geneigte Leser*in wohl vorstellen, dass die sprachlichen Variationsmöglichkeiten, diesen gegenseitigen freundschaftlichen Respekt zu verbalisieren, rasch zur Neige gingen.

Es wurde daher zum intellektuellen Spiel, überraschend Alternativen zu den üblichen Respektsbekundungen zu formulieren, und da wir beide im tiefsten Innern zynische Drecksäcke sind, landeten wir allzubald im weiten Feld der Verbalinjurien. Typische Begrüßung wäre demnach:

JGC: "Na, Du Blödmann!"
MSI:  "Halt die Fresse, Du Arsch!"

Dabei ist die schauspielerische Herausforderung, diesen Dialog immer wieder neu und anders und vor allem wirklich maximal hasserfüllt und / oder verächtlich zu gestalten, um anschließend übergangslos in den normalen, freundlich-sachlichen Alltags-Duktus zu wechseln. (Es geht also nicht um pseudo-proletarische Pseudo-Beschimpfungen, wie z.B. das durch und durch freundliche "Na Günni, Du altes Scheißhaus ...!")

Neulich hat JGC mich bei diesem Spiel eiskalt überrascht und ergo schwer beeindruckt. Statt immer tiefer in die verbale Fäkaliengrube zu greifen, die ja, genau betrachtet, auch nur sehr begrenzte und nicht eben intelligible Ressourcen zur Verfügung stellt, betitelte er mich ganz ruhig und leidenschaftslos mit "Dämlicher Hund!".

Puuh, das ist wirklich hochkarätig! "Dämlicher Hund!", das sagt kein Proll und das sagt auch Keiner, der in hirnloser Wut entbrannt ist. "Dämlicher Hund", das sagt einer, der gewöhnlich nicht in diesen sprachlichen und intellektuellen Tiefen operiert, das sagt einer, der sich genau überlegt hat, dass sein Gegenüber ein minder-kluger Tunichtgut ist, und dass es genau jetzt an der Zeit sei, diesen Umstand ihm gegenüber zu verbalisieren.

"Dämlicher Hund!" kann man auch nicht immer wieder als Alltagsfloskel dahindreschen, dafür ist es zu ehrwürdig, zu gediegen.

Ich werde diesem Kleinod in meinem virtuellen Setzkasten sprachlicher Preziosen einen besonderen Platz zuweisen.





Heute bei Hude. 
Es ist ein ganz miserabler Charakterzug, 
aber wir Flieger schauen immer ein wenig 
auf  Golfspieler hinab ... 








Montag, 28. Oktober 2019

Der Charme des low & slow


Was haben Geld, Sex, gutes Benehmen und Fliegerei gemeinsam?
Je weniger man hat, desto mehr redet man drüber!

Naja, ernsthaft: Hier ist noch ein Foto vom letzten Flug, das mir immer besser gefällt, je öfter ich es in die Hand nehme.




Von den Farben und dem herbstlichen Licht abgesehen gefällt mir der interessante Gegensatz zwischen der muckelig-minimalistischen Nähe des Cockpits und der bruchlos anschließenden Unendlichkeit dahinter. Das drückt viel von der Faszination des low-and-slow-Fliegens aus.

Dito hier:








Mittwoch, 23. Oktober 2019

Neues aus der Kunstgeschichte


(Heute, SW Oldenburg, 180 m)

Inzwischen bezweifelt kein Kunsthistoriker mehr ernsthaft, dass Caspar David Friedrich (1774 - 1840) zu seinen wesentlichen Landschafts-Sachen inspiriert wurde, indem er herbstliche Trike-Flüge unternahm.





(Wer's immer noch nicht glauben will, googele mal "Caspar David Friedrich Nebel Landschaft".)