Soso, Frau Merkel unterstützt uneingeschränkt die Schülerdemos gegen den Klimawandel. Das steht im auffälligen diametralen Widerspruch zu ihrer Politik, die ansonsten tabulos und devot sämtliche Vorgaben der Lobbyisten der Auto- und Energie-Konzerne, der Banken und Agrarier lustvoll umsetzt.
Wie lässt dieser Widerspruch sich erklären?
Versuch A: Merkel will ein schickes Zeichen setzen. Sie geht davon aus, dass diese Demos sowieso wirkungslos verpuffen und ergo bald versiegen werden. Da kann man risikolos ein bisschen opportunistisch sein und gratis ein paar Sympathie-Punkte abgreifen.
Versuch B: Merkel hat keine andere Chance. In westlichen Demokratien ist es unüblich, dass Plittikör*innen öffentlich zugeben, dass ihnen der Schutz einer für Menschen überlebenswerten Umwelt schrecklich egal ist. * Mit der geballten Bundesregierungs-Macht auf einer 16-jährigen rumzuhacken, könnte propagandistisch nach hinten losgehen. (Was wäre geschehen, wenn Greta Thunberg bei Beginn ihrer Campagne, sagen wir, sechs, sieben Jahre älter gewesen wäre?)
Versuch C: Merkel outet sich am Ende ihrer Kanzlerschaft im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Als Naturwissenschaftlerin ist ihr längst klar, dass unser derzeitiges Wirtschaftsmodell nicht mehr zukunftsfähig ist, eigentlich nie war. Aber sie weiß auch, dass die Macht in Deutschland, Europa und der Welt nicht von Politikern ausgeübt wird, weder von demokratisch legitimierten, noch von diktatorischen. Es regiert ausschließlich der "Druck der Märkte", sprich: ein paar riesige Konzerne, sprich: die krankhafte Gier einiger Weniger. Kann es sein, dass Merkel, jetzt, da die Macht mit all' ihren Zwängen und Bedrückungen peu à peu von ihr abfällt, klare Momente erlebt? Sie kann vielleicht nicht aus ihrer geistigen Abhängigkeit von den Konzernen ausbrechen, aber das Gute in ihr ist nicht völlig abgestorben ...
Wir hätten hier so etwas wie die Tragik des Gollum-Motivs. Der Macht verfallen, gleichwohl mit Ambivalenzen ... Interessante Sache, das.
(sehr stark verändert via gointothestory.blcklst.com)
* bewusst kein Konjunktiv. Es IST ihnen egal. Indikativ.
PS: Was ich als Lehrer von den Schülerdemos halte? Würden wir unsere Fächer ernst nehmen und würden wir unseren Auftrag (§2 NSchG) ernst nehmen, wäre Unterricht nichts Anderes als die solide fachliche Vorbereitung der Demos für eine lebenswerte Zukunft. Andersrum: Schülerdemos sind die einzige logische Konsequenz aus verantwortungsbewusstem Unterricht, aus guten Lehrplänen und guter Pädagogik. Die politische Bissigkeit der heutigen Schüler*innen wäre ein gutes Qualitätskriterium für die Arbeit der Lehrer*innen. Mehr davon Kiddos, es ist Eure Welt, die meine Generation (und die davor, und die DAvor) versaubeutelt hat.