Donnerstag, 5. April 2018

"It's a little retro ..."*


Nach langem Hin- und Herüberlegen habe ich mich schlussendlich doch dazu durchgerungen, den "Alle-Rassisten-sind-Arschlöcher-.-Überall"-Aufkleber am Heck meines Autos zu applizieren.

(verändert via linke-t-shirts.de)


Contra-Argumente waren:
  • Auto-Aufkleber werden nur wenig wahrgenommen.
  • Als Beamter muss ich neutral sein.
  • Es besteht die Gefahr, dass irgendeine hirntote Braunbratze mangels Diskursfähigkeit sich am wehrlosen Auto vergreift.
  • Der Spruch ist so alt, dass er bestenfalls als "retro", wahrscheinlicher aber als Ausdruck einer three-quaters-life-crisis durchgehen wird.
  • Er enthält eine fäkalsprachliche Verunglimpfung.

Pro-Argumente waren:
  • Auto-Aufkleber werden ohnehin nur wenig wahrgenommen.
  • Als Beamter bin ich kein politischer Kastrat, sondern habe ich beeidet, unsere FDGO zu verteidigen, und die hat's derzeit und bei diesem Thema wahrlich nötig.
  • Der Spruch hatte damals, 80er Jahre, einen Vorgänger, der auch nicht schlecht war: "Alle Menschen sind Ausländer. Fast überall." Ich mochte es schon immer, dass die kritische Szene mit der "Rassisten = Arschloch"-Variante das eigene Weichgespültsein auf's Korn genommen und konsequent eine etwas schnoddrigere Alternative entwickelt hat. 
  • Nicht der Spruch ist "retro", sondern die Probleme sind es. Die Orbans, Kaczynskis, Netanjahus, Trumps, Erdogans, Sachsen, Bayern etc. etc. drehen die Inhalte des gesellschaftlichen Diskurses zurück in die 1950er, 1930er, ins Mittelalter ...
  • Wenn es stimmt, darf man es auch sagen.
  • Entscheidendes Argument zum Schluss: Alle rezenten Nationalisten, Rassisten, Sexisten, Fundamentalisten und Was-weiß-ich-isten, bomben uns seit Jahren tagtäglich mit zunehmender Tendenz mit Sprüchen zu, die politisch so dermaßen unkorrekt, so rückwärtsgewandt und brandgefährlich sind, dass sie früher zum sofortigen Platzverweis geführt hätten. Durch die schiere Menge des medial vermittelten Schwachsinns, durch die praktische Unfähigkeit der kritischen Geister, das Alles im Einzelnen aufzuarbeiten und also zu widerlegen, könnte gegenwärtig bei leicht beeinflussbaren Menschen der Eindruck entstehen, das sei normal und die braune Soße werde allmählich wieder salonfähig.
    So ist es aber nicht. Und es ist eine uralte Erbkrankheit der denkenden, kritischen Mehrheit, anzunehmen, die lancierte Unwahrheit der bösen Braunbratzen sei so offensichtlich blödsinnig, sie werde sich selbst entlarven, man könne das vornehm schweigend abwarten.
    Ist sie nicht. Tut sie nicht. Kann man nicht.
Es ist an der Zeit, Zeichen zu setzen.






*  Titelzeile  aus: Sparks: Missionary Position

"...
You might have positions you can recommend
But I don’t know if we’ll ever get to them
‘cause we feel alright, the stars are bright, the missionary position
You might pride yourself, you’re so Avant garde
But we're neoclassicists, I guess, at heart
 
Patronise all you like, we both like the missionary position
Missionary, missionary, missionary, missionary…
 
It’s a private matter as to frequency
But we both are smiling as you well can see
And it ain’t no joke, it ain’t baroque, it’s the missionary position
 
It’s a little retro and a bit passé ..."






Dienstag, 3. April 2018

Steel-Buddies


Gerade im Radio gehört, wenn Trump Zölle auf chinesischen Stahl erhöbe, dann, wörtlich, "fließt der chinesische Stahl nach Europa". Der Sprecher sagte das in einem so bedeutungsgeschwängerten Ton, dass ich mich selbstverständlich beeile, die normativ erwartete Reaktion zu zeigen - wenn ich nur wüsste, welche das ist:

A. "Dunnerlüttchen, das ist aber ziemlich pfiffiger Stahl, der einfach dahin fließt, wo die meiste Kohle sitzt!"
B. "Die Chinesen, diese hinterhältigen, kleinen Dreckskerle, verkaufen uns einfach ihren preiswerten Stahl! Die haben keinen Fatz Ehre im Leib, wollen nur Profit machen, egal, wo und mit wem."
C. "Mein, unser, Bedauern gilt den armen doitschen Konzernen, die von diesen hinterhältigen, asiatischen Horden brutalst vergewaltigt werden, den preiswerten chinesischen Stahl zu kaufen. Die Schlitzaugen demütigen erst unsere Konzernbosse, und als Nächstes vergreifen sie sich an unseren blonden, blauäugigen, unschuldigen, minderjährigen Mädchen - das war doch schon immer so ..."

Ok, das ist alles totaler Unsinn, ich gebe es zu. Aber ich habe es versucht, nicht wahr? Ich wollte mich wirklich ganz empathisch und offen auf die Empörung des DLF-Experten * einlassen, aber irgendwie hat's nicht funktioniert. Zu viele Fragen schwirren im Raum, da klappt das nicht, sich einfach emotional fallen zu lassen undsoweiter.

Erstens: Jaaadoch, die Chinesen subventionieren ihre Stahlproduktion staatlicherseits ohne Ende, ich weiß. Na und? Das machen doch alle! Die doitsche Stahlindustrie wäre längst Geschichte, wenn sie nicht permanent direkt oder indirekt, z.B. via Energiekosten, Steuervergünstigungen etc., offen oder verdeckt aus unseren Steuergeldern gestützt würde. Was spricht eigentlich dagegen, den super-preiswerten chinesischen Stahl zu nehmen, die chinesische Regierung zahlen zu lassen, bis der Arzt kommt?

Zweitens: Huuuh, kommt dann immer der Einwand, denkt an die Aaahrbeitsplätze! Ok, denken wir an die Arbeitsplätze. Ich behaupte, wenn wir jeden Arbeitsplatz, der dann wegfallen sollte, es werden ja keineswegs alle sein, mit Bedingungslosem Grundeinkommen für den Betroffenen auffangen, zahlen wir netto immer noch weniger, als beim status quo. Man beweise mir das Gegenteil. Die Einzigen, die ernsthafte Einbußen haben werden, sind die Bosse, und das allgemeine Mitleid dürfte in diesem Fall so begrenzt sein, dass die irrsinnigen volkswirtschaftlichen Verluste dagegen nicht gerechtfertigt scheinen.

Drittens: Huuuh, kommt dann der nächste Einwand, dann machen wir uns abhängig von Chineeeesen....! Ach, ja, stimmt ja, die asiatischen Horden, die es letztlich nur auf unsere blonden, minderjährigen Mädels abgesehen haben. Das mit der Abhängigkeit ist aber Quatsch, denn der internationale Stahlmarkt hat unglaublich viele Anbieter, die ein kluger Kunde trefflich gegeneinander ausspielen kann. Das Risiko der Abhängigkeit ist, wenn überhaupt, beim Erdgas viel höher, so sehr, wie Europa sich da von "den Russen" abhängig gemacht hat. Beim Erdgas gibt es nicht sooo viel Konkurrenz - und trotzdem können wir ruhig schlafen, denn "die Russen" schössen sich zuallererst in den eigenen Fuß, wenn sie je begönnen, machtpolitisch auf diesem Instrument zu spielen.

Das wahre Argument - außer der individuellen Profitgeilheit deutscher Konzern-Böberschter - scheint aber tatsächlich der Umstand zu sein, dass "wir" möglicherweise "den Chinesen" eine Chance geben, Umsätze zu machen, und schlimm, schlimm, dass "wir" diese Umsätze dann eben nicht machen. Das ist ganz primitiver, kreatürlicher Futterneid, der nicht vom Großhirn, sondern vom Hirnstamm gesteuert wird. Man nennt den menschlichen Hirnstamm auch "Reptilienhirn", weil beispielsweise auch ein Komodowaran ** sein Verhaltensrepertoire dort aktualisiert.

Was "wir" dabei oft vergessen: "Wir" wollen "den Chinesen" doch mit ständig wachsender Begeisterung unsere Produkte in den Rachen schieben. Schon mal überlegt, wie die das auf Dauer bezahlen sollen? Wäre es nicht herrlich, wenn "die Chinesen" "uns" "ihren" Stahl verkaufen könnten, und wir ihnen im Gegenzug Werkzeugmaschinen? Dann würde doch jeder das machen, was er am besten kann, das wäre doch ein kapitalistisches Idealbild, oder?

Derzeit lassen wir den anderen Völkern gar keine Wahl, als ihre Leute mit sprichwörtlichen Hungerlöhnen abzuspeisen, denn wenn es irgendwo ernsthaft Geld zu tragbaren Konditionen zu verdienen gibt, dann sind die sogenannten Erstwelt-Staaten immer ganz schnell als Erste zur Stelle mit ihren Geld-spielt-keine-Rolle-Investitionen, und immer darf für "die Anderen" nur gerade so viel rausspringen, dass es nicht zu Hungeraufständen kommt. ***

Und das Schönste, wenn Europa und China da einen modus vivendi fänden: Der Pussy-grabber von Washington würde ja so dermaßen gelackmeiert dastehen, so machtlos, so eiskalt ausmanövriert - allein das wäre es wert, jetzt wirklich mal diplomatisch zu agieren!






(verändert via wiki commons)
Ich habe meine Studien der chinesischen Sprache und Schrift in letzter Zeit etwas vernachlässigt, aber die Bildunterschrift kann ja nur lauten: "Wir wollen alle nur das Eine: Unschuldige, blonde, blauäugige, doitsche, minderjährige Mädels missbrauchen, damit die doitschen Männer, die allesamt und ausnahmslos große Penisse haben und unglaublich attraktiv, durchtrainiert, klug und liebevoll (eigentlich) sind, verminderte Fortpflanzungschancen haben. Auf diese Weise streben wir die Weltherrschaft unserer kleinen, unattraktiven, minderintelligenten, hinterhältigen, verlogenen, kleinpimmeligen Rasse an!" 

Das Verständnis fremder Sprachen und Schriften wird unglaublich erleichtert, wenn man sich so ein kleines Stück weit in die Seele eines Volkes hineindenken kann.








* Noch 'ne Frage: Wie kann man eigentlich Experte für globale Außen- und Wirtschaftpolitik sein und gleichzeitig Betroffenheits-Reportagen für den Deutsclhandfunk machen?

** Wie komme ich hier auf den Komodowaran? Weil er grobmotorisch, egozentrisch, eklig, gefährlich, unberechenbar, giftig, unsolidarisch und brutal ist. Außerdem hat er furchtbare Essgewohnheiten. Ist die Allegorie so weit klar?



*** Hungerrevolten sind nicht fotogen. Kommt es hingegen zu einem richtigen Krieg, ist dagegen nichts einzuwenden. Kriege sind immer gut. Zuerst für's Geschäft und hinterher hat man eine verwüstete Landschaft mit labilen Regierungen, die Dir aus der Hand fressen müssen. Die kommen NIE WIEDER auf die Idee, global etwas verkaufen zu wollen, womit Du selbst Profit machen könntest. ****

**** Um nochmal auf die asiatischen Horden zurückzukommen, die unsere Mädels vergewaltigen wollen: Man vergegenwärtige sich bitte nur mal, was die Europäer während des sogenannten "Boxer-Aufstandes" und der sogenannten "Opiumkriege" getan haben. Wer muss hier Angst vor wem haben?







Sonntag, 1. April 2018

Kein Scherz ...!


Suche gerade den obligaten Aprilscherz in den Online-Portalen der Nachrichten-Magazine. Hier die plausibelsten Kandidaten:

Kauder will Schulen zwingen, antisemitische Vorfälle zu melden? Joa, das hätte inhaltlich durchaus das Zeug zum Aprilscherz, aber das hat Kauder schon gestern gesagt, ich glaube das gilt nicht als Aprilscherz und Kauder ist so jenseits der Gipfel allen Wahnsinns, so weit über jegliche Vernunft und Menschlichkeit und Logik hinaus, dass er sowas wirklich rausgehauen haben könnte. Also leider kein Aprilscherz.

Die CSU-Staatsministerin für Digitales fordert Antworten von Facebook? Herrlich bescheuert, sie weiß ja nicht mal die richtigen Fragen - aber als Aprilscherz wäre das zu subtil, zu philosophisch.

Seehofers Forderung, der Braunbär gehöre zu Doitschland ... Ahja, das ist eine Meldung, die nach der von Seehofer bösartig und absichtsvoll neuangefeuerten Islamdebatte richtig fieses Potential hat, das ist treffsichere Satire. Muslime raus, Braun-Bären (Achtung: geniales Wortspiel!) rein. Aber ... seit wann trauen sich die Öffentlich-rechtlichen denn so beissende Kritik? Seit wann trauen sie sich, Macht-Haber wie Seehofer so brutal bloßzustellen? Uh-oh, sollte Seehofer tatsächlich selbst ...? Vermutlich ja, wir müssen wohl eher befürchten, dass diese Meldung wahr ist, kein Aprilscherz also, aber langsam kommen wir der Sache näher.

Meine Nummer 1 für die vermutete Aprilscherz-Meldung ist natürlich, dass Erdogan Netanjahu vorwirft, dessen Sicherheitskräfte hätten im Gaza-Streifen ein Massaker an Unschuldigen angerichtet. Ich meine - hallo!? - Erdogan führt gerade einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg mit dem Ziel ethnischer Säuberung gegen die Kurden in Syrien. Und dann beklagt er 15 unschuldige Tote in Gaza ...!? Ausgerechnet er? Das ist wahrhaftig ein Witz! Allerdings: Irgendwie ist das als Witz nicht wirklich lustig, weil es um soviel Menschenopfer geht. Total untauglich für einen Aprilscherz. Wir müssen schweren Herzens davon ausgehen, Ziegenpeter hat das tatsächlich gesagt.

Tja, liebe LeserInnen, an dieser Stelle sollte die augenzwinkernde Pointe kommen, dass der unfassbare Mist, den krankhaft egomanische Machtmenschen real verzapfen, leider nicht aprilscherztauglich sei und dass sich die Online-Redaktionen aus lauter Verzweiflung deshalb das 6:0 des FCB versus BVB ausgedacht haben, was ein blöder Scherz wäre, weil so offensichtlicher, hanebüchener Schwachsinn ... Und dann bestätigte eine Expertin (sowohl für Politik als auch für den BVB) mir soeben auf Nachfrage, dass auch diese Meldung zuträfe.

Ich geb's auf! Dieser Text hat keine Pointe. Es gibt diesmal kein ironisierendes Entspannungssignal, keine befreiende Wut zum Schluss. Die Wahrheit ist aktuell nicht lustig, sondern einfach nur beschissen. Dauergrinsen, auch ironisierendes, kann auch ein Indiz individuellen Schwachsinns sein.




"Ick kann janich so viel fressen, wie ick kotzen möchte!"
 (M. Liebermann 1933 - via wiki commons)















Mittwoch, 28. März 2018

Immer wieder erstaunlich: Plittikörr


Jaa ... achso ... ja,nee ... das ist man gut, dass der Dobrindt das sagt, dass wir Antisemitismus auf Schulhöfen nicht dulden dürfen. Also, bisher, da haben wir das so laufen lassen, so Sachen wie Intoleranz, Rassismus, Nazi-Parolen ... das fanden wir LehrerInnen zwar nicht alle immer sooo gut, aber war uns bislang eigentlich völlig schnuppe. Aber jetzt, wo der Dobrindt anscheinend mal richtig intensiv nachgegrübelt hat und so ein mutiges, schwerst-innovatives Hammer-Statement rausgehauen hat, da muss ich sagen, dass ich nach 27 Jahren Praxis doch nochmal ganz grundsätzlich umdenken muss und künftig irgendwas machen muss, wenn SchülerInnen sich verfassungswidrig verhalten.

Ich find' das auch toll von dem Dobrindt, dass der ganz alleine auf solche Ideen kommt, ich meine, der hat ja sonst auch schon genug zu tun als ... äh ... was ist der? ... CSU-Landesgruppenvorsitzender!?? ... was bedeutet das? .... egal ... Man sieht auf jeden Fall, warum der Plittikörr ist und wir nur LehrerInnen, ich meine, der Mann ist ein Genie, ein in der Wolle gefärbter Demokrat, vielleicht wäre er bereit, den Friedensnobelpreis anzunehmen, wenn die Leute aus Stockholm ihn höflich genug drum bäten ....

Jetzt mal ernsthaft:

Frage: Warum explodieren Plittikörr wie Dobrindt nicht auf der Stelle vor Scham, wenn sie so einen Binsen-Brei in die Kameras und Mikrofone blähen?
Antwort: Das ist ein Ergebnis natürlicher Selektion. Menschen, die auch nur ein minimales Sensorium für ihr eventuelles eigenes idiotisch-peinliches Verhalten haben, sind in dem Rattenrennen um die politischen Spitzenämter längst ausgeschieden. Nur machtgeile, skrupellose und vor allem schamfreie Arschlöcher haben da überhaupt Chancen. Dieser Selektionsprozess läuft bei uns immerhin schon fast 70 Jahre lang und stabilisiert sich selbst. D.h. je schmieriger, arroganter, machtgeiler und schamfreier die anderen Plittikörr werden, desto mehr muss jedes Individuum über diese Merkmale verfügen, um in diesem seltsamen Biotop überleben zu können. Beweis: Neue Bundesminister-Riege.

Frage: Aber hat Dobrindt nicht Recht mit seiner Forderung?
Antwort: Nein, hat er nicht! Schaut Euch mal ganz normale Kinder an - und hier geht es um Grundschul-Kinder. Kinder sind zwar keine Engel, sie können richtig gemein zueinander sein, aber sie verfügen einfach nicht über die Konzepte, die dem Rassismus, Nazismus, Fundamentalismus zugrundeliegen. Wenn ich nicht weiß, was "Nation", "Rasse" und "Religion" sind, kann ich andere Menschen darob gar nicht stigmatisieren. Wir müssen also nicht den Antisemitismus auf Grundschul-Höfen bekämpfen (1), sondern wir müssen die ewig alte Frage stellen: "Wie kommt die Scheiße in die Köpfe der Menschen, hier: der Kinder?", und das heißt, wir müssen den Antisemitismus bei den Kindern zu Hause bekämpfen.

Aber, ich wiederhole mich, da geht kein Plittikörr ran, denn zu Hause, da sitzen potentiell Wahlberechtigte, da werden dann plötzlich Verantwortlichkeiten zugeschoben, und das wird immer unbequem. Schulen sind staatliche Institutionen, LehrerInnen sind Staatsdiener (2) und fast wehrlos. Deshalb darf jeder, der über die obengenannten Plittikörr-Merkmale in hinreichender Dichte verfügt, straflos jeden denkbaren und undenkbaren Mist über Schule und LehrerInnen verbreiten. (3)

Zum Schluss zur Beruhigung an alle nicht direkt mit Schule befassten, normalen Menschen:

Erstens: Wir LehrerInnen kennen die Probleme mit den verfassungswidrigen Gedanken, die die Kinder von zu Hause mitbringen und wir arbeiten immer schon und äußerst konsequent und mit sehr professioneller Unterstützung dagegen an. Und wir stellen fest, dass die Leute wirklich immer bekloppter werden, was aber nicht an den Kindern, sondern eindeutig an den Elternhäusern, der Gesellschaft oder sonstigen Arschlöchern liegt.

Zweitens: Wir LehrerInnen sind uns auch seit jeher bewusst, dass unser Schulsystem in einem politischen System existiert, das wir aus tiefstem Herzen bejahen und auf das wir in Form der freiheitliche-demokratischen Grundordnung einen Eid geschworen haben, in dem aber stets egomanische, inkompetente, pathologisch machtgeile Menschen an die Macht drängen. Ich kenne keine/n einzige/n LehrerIn, die/der dieser Tatsache nicht mit einer ausgeprägten Guerilla-Mentalität begegnet.

Sie können, liebe Eltern, also ganz beruhigt sein: Wenn Vollidioten wie Dobrindt dummes Zeug verbreiten, so gibt es in den Tiefenstrukturen der "Behörde Schule" eine breite Schicht verantwortungsvollen, demokratischen, aufgeklärten, preußisch-humanistischen Widerstandes, der Ihr Kind vor den Ausflüssen derartiger Geiferer schützt.

Eigentlich ein geiler Beruf, Lehrer.





(via wiki commons: Kollegium 1881 Bad Doberan)

"The wild Bunch"

Mimik und Körperhaltung machen klar: Lehrer und Plittikörr sind natürliche Feinde, 
und der Widerstand geht weiter.






(1) Ich überlege gerade, wie das gehen soll. Unterricht in der 3. Klasse, also 8 - 9-jährige. Lehrerin: "Soo, liebe Kinder, bis heute hatten die meisten von Euch zwar keine Ahnung, was Antisemitismus ist, aber die Vanessa, die ist Jüdin, und Ihr dürft sie deshalb ab heute nicht verachten ..." (Vanessa fängt an zu heulen und wird ab sofort gemobbt.)

(2) Allzuoft zähneknirschend und mit geballter Faust in der Tasche.

(3) Außerdem liegt in diesem speziellen Fall der Verdacht nahe, dass Dobrindt und Consorten die Sache für ihre ausländerfeindliche Hetze instrumentalisieren werden. Immerhin war es, wenn ich richtig verstanden habe, islamische Fundamentalisten-Antisemiten-Scheiße, die dem beleidigenden Kind zu Hause eingetrichtert wurde. Der Antisemitismus doitscher Nazis .. das ist ja was ganz anderes.










Montag, 26. März 2018

Kein Platz für's Diffizile


Kürzlich hat mir eine Kollegin, die gute Kontakte nach Barcelona hat, erzählt, dass Herr Puigdemont in der gesamtspanischen politischen Kontroverse etwa die Rolle und die Sympathie-Werte besetzt, die bei uns Seehofer und Söder zusammen bedeuten, sprich: arrogante, machtgeile, lokal-egoistische, unsolidarische Arschlöcher. 

Ich war seit ein paar Jahren nicht mehr dort, kann ergo nicht beurteilen, ob diese Aussage zutrifft. Aber ich stelle mir gerade vor, Söder, zum Beispiel, würde so eine Nummer mit Bayern abziehen ...

Also, ich fänd's gut. Wir richtigen Deutschen würden die Bayern viel weniger vermissen, als die Spanier anscheinend die Katalonier. Und wenn Söder jemals Bayerns Autonomie herbeiputschen wollte und dabei scheiterte und dann ins Ausland flöhe ... Ich glaube, wir sollten dann auch gar keinen Auslieferungsantrag stellen.

Wie komme ich gerade auf derartige Gedanken? Es ist in der "Sache Puigdemont" gerade "Zwischenzeit". In den nächsten Tagen werden deutsche Gericht Urteile sprechen. Und, egal, wie die Urteile lauten werden, es wird einen Aufschrei geben, lauthalse, medienwirksame Empörung und wohlgescriptetes Tohuwabohu. Ich habe keine Datengrundlage, um mir ein eigenes Urteil zu bilden, weiß nicht, ob P. ein lobenswerter Freiheitskämpfer oder ein egoistischer Spießer-Populist ist. Deshalb werde ich einfach die Klappe halten und die Sache den deutschen und spanischen Rechtsprechern zu vertraulicher Mühwaltung überlassen.

Umfassende Information, sachliches Abwägen, rationale Diskurse und Einsicht in Funktionsweise und Interaktion von Rechtsstaaten wären wünschenswert, sind aber nicht zu erwarten.

Schade eigentlich.


 (Götz von Berlichingen - via wiki commons)

Auch einer, bei dem die Entscheidung diffizil ist ...











Samstag, 24. März 2018

Zynikers Selbstzweifel


(Ich hoffe, liebe Leserinnen und Leser, Ihr verzeiht mir, dass ich dieses Foto nicht so ganz klein formatieren mochte, aber es kommt auch und gerade auf die kleinen Punkte am Horizont an.)




A1, irgendwo zwischen Lohne und Ahlhorner Dreieck, ca. 200+ m, nördliche Richtung.

Das schnurgerade, zielgerichtete, emsige Streben da unten gibt mir ein gutes Gefühl: So viele Leute, die mit großem Ernst in Verfolg wichtiger Absichten von unbekanntem Ort A zu unbekanntem Ort B zu eilen haben - das zeigt doch, dass es jede Menge Sinn, jede Menge lohnenswerter Ziele zu erheischen gibt.

Der Zyniker, der über den Dingen schwebt, sollte an diesem Gedanken sein Herz erwärmen und endlich seinen bissiggewordenen Verstand zur Orchdnunk rufen.






Freitag, 23. März 2018

Morgen-Grauen


Beim flüchtigen Durchblättern der Online-Portale ...

"Karliczek will die Digitalisierung der Schulen voranbringen" titelt der Doitschlantpfunk. Bund soll die Ausstattung finanzieren, die Länder die Inhalte regeln und die LehrerInnen ausbilden. Hm. Als man mich das Lehren lehrte, war ein eherner Grundsatz, Ziele des Unterrichtes stünden bei der Planung über allem, denn sie determinierten Methoden und Mittel. Aber damit verdient natürlich kein Konzern irgendwelchen Schotter. Und da Frau K. keine Ahnung hat, ist's schon mal ein guter erster Schritt, einfach so Kohle rauszubuttern, statt zunächst mühevoll zu untersuchen, was in Schulen eigentlich gebraucht wird und sinnvoll ist. "Digitalisierung" ist immer gut. Und über "Schule" darf jede/r jeden Scheiß in die Welt blähen, weil die Konsequenzen ja erst sichtbar werden, wenn die Legislatur vorbei ist.

Trump hat seinen Sicherheitsberater gefeuert, den wievielten Mitarbeiter in Reihe? Egal. Ich denke an den brillianten Artikel im Guardian, der Trumps Verhaltensdisposition mit der von Schimpansenmännchen vergleicht: Als Alpha-Männchen musst Du hin und wieder hirn- und anlasslos Randale machen, um zu beweisen, dass Du die Macht hast, hirn- und anlasslos Randale machen zu dürfen. Die Weibchen stehen drauf und wollen sich mit Dir paaren, Deine Konkurrenten kuschen verstört, die Dummen bewundern Dich. Ob Du Handels- oder Schießkriege vom Zaun brichst, Menschen nach Rasse und Geschlecht beleidigst oder Mitarbeiter feuerst, oder ob irgendwas davon irgendeinen Sinn ergibt, ist dabei völlig latte.

Facebook & Co.: Ok, ich habe die Übersicht verloren. Gibt es noch irgendwen auf diesem Planeten, der oder die NICHT mit Hilfe der sozialen Netze gewaltigen Einfluss auf die US-Wahlen genommen hat? Die Russen haben's auf jeden Fall getan, aber die sind sowieso immer schuld. Nun auch irgendwelche reichen Mega-Konzerne, die Cambridge-Analytics ... Ach, egal ...

Wären da nicht diese quälenden Fragen ...

Warum unterstützen alle Trump und warum kommt niemand mal auf die Idee, mit diesen Scheiß-Methoden die Guten zu unterstützen? Dass Putin Trump unterstützt, ist klar und klug erfolgreich, denn es scheint in Putins Interesse zu sein, das westliche Bündnis zu schwächen und bestenfalls zu zerschlagen. Rechtsradikale, europafeindliche Gruppen sind da hilfreich, Trump ist da sogar extrem hilfreich. Aber nicht nur Putin pampert Trump, auch megamächtige, kapitalistische global players tun es. Ist das nicht seltsam? Das sollten doch Antagonisten sein. Das ist, als würden beim Tauziehen beide Mannschaften am selben Ende des Seils ziehen. Oder profitieren etwa alle, wenn ein Irrer wie Trump die globalen Verhältnisse unsicherer, angstbesetzer, konfliktträchtiger macht?

Und: Ist die Masse des Wahlvolks, egal wo, wirklich so unfähig, sich gegen die Einflüsse der sozialen Netze zu immunisieren? Kann man wirklich durch Datamining und daraus abgeleitete gezielte Werbung das Denken der Mehrheiten ausschalten? Offensichtlich ja. Ohne Ironie: Der Gedanke ängstigt mich sehr.






















Montag, 19. März 2018

Dead parrot


Oje, Terry Gilliam, ein Ex-Monty-Python, bekommt gerade richtig Haue, weil er sich zu dem Hollywooder Weinstein-Skandal geäußert hat. Zwar stimmt Gilliam der Einschätzung zu, Weinstein sei ein "monster", gibt aber auch zu bedenken, dass seit jeher Macht in Hollywood missbraucht wurde und dass die Sache mit Weinstein nur deshalb hochkochte, weil der so ein besonderes "asshole" sei.

Ansonsten möge man aber bitte bedenken, so Gilliam, dass a.) alle Beteiligten erwachsene Menschen gewesen seien, die wussten, was sie taten und dass b.) durchaus nicht alle bereit waren, Weinsteins Preis für dessen "Türöffner-Dienste" für ihre Karrieren als Hollywood-Schauspielerinnen zu zahlen und es ergo auch nicht taten. In jedem Fall sei die aktuelle Hexenjagd eine unangemessene und irreführende Simplifizierung der Sachverhalte. Und es sei eine bemerkenswerte Ironie, dass die #metoo-Debatte völlig ignoriere , dass die USA einen Präsidenten gewählt haben, der sich vorab selbst unwidersprochen als "pussy-grabber" bezeichnet hat.

Wir müssen natürlich auch die Einwände gegen Gilliams Position ernst nehmen. Richtig ist: Wir waren in den Situationen nie dabei, und deshalb müssen wir uns mit Bewertungen zurückhalten und überhaupt in der Sache die Klappe halten. Aber Fragen sind erlaubt:

Laut Wikipedia wurden die Vorwürfe gegen Weinstein seit den 1980er Jahren "als offenes Geheimnis" gehandelt, also etwa 37 Jahre lang. Julian Assange, um ein anderes Beispiel zu nennen,  hatte 2010 eine einzige umstrittene Nacht mit zwei Frauen und sitzt deshalb seit 2012 in der Ecuadorianischen Botschaft fest, um einer Auslieferung in die USA zu entgehen. Wie erklärt sich dieses Missverhältnis? Warum hat 36 Jahre lang niemand gegen das System Weinstein revoltiert?

Qui bono?






















Mittwoch, 14. März 2018

Nix is'!


Früüühlink lässt sein blaues Band ....


Äh, nee, vergiss es!




(Irgendwo nördlich Oldenburg, Genaueres ist egal, weil's überall gleich aussah. Ca. 040, ca. 800 ft)


Ich bin ja eigentlich immer bereit, über die Schönheit luftgestützter Landschaftsbeobachtung zu schwärmen, aber abgesehen von ein paar Ausnahmen sah's heute überall echt kacke aus! Das Fliegen selbst ist natürlich immer geil, und als dann noch drei rumpöbelnde Jung-Bussarde checken mussten, ob ich a.) zu fressen und / oder b.) zu begatten sei, wurde es kurz sogar spannend. Sie fanden aber schnell heraus, dass ich einfach nur langweilig und lärmend und ansonsten zu nix zu gebrauchen sei.












Montag, 12. März 2018

Geschichtenerzähler



Hatte eine gewisse Menge ungenutzten Bargeldes zu Hause herumliegen, Restmengen des neulich stattgehabten Autokaufs, und habe sie gerade zwecks Risikominimierung zur Bank gebracht. Was antworten, falls nach Herkunft gefragt würde?

"Tja," würde ich sagen, "das ist immer doof, wenn man mit Drogen und Prostitution sein Geld verdient: Da kann man Bargeldmengen ganz schlecht disponieren. Mal haste viel zu viel Geld herumliegen, weil der Monat gut lief, die Freier großzügig, die Püppies ehrlich waren und gleichzeitig Deine Straßen-Dealer nach guten Geschäften treu und brav ihre Kohle abliefern - und dann gibt es Zeiten, wo Du mal gar kein Bargeld in der Schublade hast, und ausgerechnet dann kommt der Laufbursche vom Kolumbianer mit einer Riesenlieferung und will cash sehen - und nur cash, und zwar inmediatamente! Es ist wirklich schwierig. Aber es ist auch mein Fehler, ich bin selbst schuld! Giacomo, bei dem ich gelernt habe, in diesem Geschäft zu überleben, Giacomo hat mir damals gleich gesagt 'Marco;' hat er gesagt, 'Marco, Du musst unbedingt noch Waffenhandel in Dein Portfolio aufnehmen, dann kannst Du machen Tauschgeschäfte Waffen - Drogen, Drogen - Waffen; brauchstu nich' soviel Bargeld. Ohne Waffen is' lästig.' Aber ich habe ja nicht auf ihn gehört, bislang ..."

Alternativ fällt mir noch die Klondike-Geschichte ein: "Tja," würde ich sagen, "Viele haben damals gesagt, der Goldrausch am Klondike ist mausetot, da lohnt sich kein Investment mehr, aber der Enkel von Skookum Jim, der hat gesagt, da ist noch was, hat er gesagt, und ich, ich hab' ihm geglaubt! Gut, man musste da auch erstmal Geld in die Hand nehmen, is' klar! Ne Menge Geld sogar! Und da steckt Arbeit drin. Sehr viel sehr harte Arbeit. Aber nun ..." [bedeutungsvoller Blick auf die hingeblätterten Scheine]

Zurück zur Realität: Die sehr freundliche und sehr professionell agierende Mitarbeiterin der Bank hat, wie erwartet, nicht mal mit der Wimper gezuckt, als ich die Summe dahinblätterte, und aus einem entsprechenden Semsterferienjob weiß ich, dass Bankangestellte Bargeld teils wäschekörbeweise herumwuchten müssen und eine entsprechend trockene und höchst sachliche Umgehensweise damit pflegen.

Darum geht's mir auch gar nicht.

Mir geht's um die Frage, warum diese Geschichten urplötzlich in meinem Kopf waren. Dazu muss ich erklären, dass ich gar nicht darüber nachgedacht habe, habe nicht daran herumgefeilt, es steckt keine Absicht dahinter, da ist nichts, was sich entwickelt hat oder was ich entwickelt habe. Es hat nicht mal "Klick" gemacht. Die Situationsbilder, erst die Zuhälter-Variante, eine Minute später der Goldsucher, waren einfach da.

Ich finde sowas bemerkenswert. Zumal ich weiß, dass es anderen Menschen haargenau so geht. 

Wie sagte Terry Pratchett einst so schön am Ende von "The Science of Discworld II": "Plenty of creatures are intelligent but only one tells stories. That's us: Pan narrans." Wir sind nicht "Homo sapiens", der wissende Mensch, was für ein anmaßender Titel, oh nein: Wir sind "Pan narrans", der geschichtenerzählende Affe. Ob wir wollen oder nicht: Die Geschichten quellen einfach so aus uns raus, wie der Schleim aus einer Nacktschnecke.




(Skookum Jim, der [Er-]Finder des Klondike-Goldrausches - via wiki commons) 

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