Montag, 12. März 2018

Geschichtenerzähler



Hatte eine gewisse Menge ungenutzten Bargeldes zu Hause herumliegen, Restmengen des neulich stattgehabten Autokaufs, und habe sie gerade zwecks Risikominimierung zur Bank gebracht. Was antworten, falls nach Herkunft gefragt würde?

"Tja," würde ich sagen, "das ist immer doof, wenn man mit Drogen und Prostitution sein Geld verdient: Da kann man Bargeldmengen ganz schlecht disponieren. Mal haste viel zu viel Geld herumliegen, weil der Monat gut lief, die Freier großzügig, die Püppies ehrlich waren und gleichzeitig Deine Straßen-Dealer nach guten Geschäften treu und brav ihre Kohle abliefern - und dann gibt es Zeiten, wo Du mal gar kein Bargeld in der Schublade hast, und ausgerechnet dann kommt der Laufbursche vom Kolumbianer mit einer Riesenlieferung und will cash sehen - und nur cash, und zwar inmediatamente! Es ist wirklich schwierig. Aber es ist auch mein Fehler, ich bin selbst schuld! Giacomo, bei dem ich gelernt habe, in diesem Geschäft zu überleben, Giacomo hat mir damals gleich gesagt 'Marco;' hat er gesagt, 'Marco, Du musst unbedingt noch Waffenhandel in Dein Portfolio aufnehmen, dann kannst Du machen Tauschgeschäfte Waffen - Drogen, Drogen - Waffen; brauchstu nich' soviel Bargeld. Ohne Waffen is' lästig.' Aber ich habe ja nicht auf ihn gehört, bislang ..."

Alternativ fällt mir noch die Klondike-Geschichte ein: "Tja," würde ich sagen, "Viele haben damals gesagt, der Goldrausch am Klondike ist mausetot, da lohnt sich kein Investment mehr, aber der Enkel von Skookum Jim, der hat gesagt, da ist noch was, hat er gesagt, und ich, ich hab' ihm geglaubt! Gut, man musste da auch erstmal Geld in die Hand nehmen, is' klar! Ne Menge Geld sogar! Und da steckt Arbeit drin. Sehr viel sehr harte Arbeit. Aber nun ..." [bedeutungsvoller Blick auf die hingeblätterten Scheine]

Zurück zur Realität: Die sehr freundliche und sehr professionell agierende Mitarbeiterin der Bank hat, wie erwartet, nicht mal mit der Wimper gezuckt, als ich die Summe dahinblätterte, und aus einem entsprechenden Semsterferienjob weiß ich, dass Bankangestellte Bargeld teils wäschekörbeweise herumwuchten müssen und eine entsprechend trockene und höchst sachliche Umgehensweise damit pflegen.

Darum geht's mir auch gar nicht.

Mir geht's um die Frage, warum diese Geschichten urplötzlich in meinem Kopf waren. Dazu muss ich erklären, dass ich gar nicht darüber nachgedacht habe, habe nicht daran herumgefeilt, es steckt keine Absicht dahinter, da ist nichts, was sich entwickelt hat oder was ich entwickelt habe. Es hat nicht mal "Klick" gemacht. Die Situationsbilder, erst die Zuhälter-Variante, eine Minute später der Goldsucher, waren einfach da.

Ich finde sowas bemerkenswert. Zumal ich weiß, dass es anderen Menschen haargenau so geht. 

Wie sagte Terry Pratchett einst so schön am Ende von "The Science of Discworld II": "Plenty of creatures are intelligent but only one tells stories. That's us: Pan narrans." Wir sind nicht "Homo sapiens", der wissende Mensch, was für ein anmaßender Titel, oh nein: Wir sind "Pan narrans", der geschichtenerzählende Affe. Ob wir wollen oder nicht: Die Geschichten quellen einfach so aus uns raus, wie der Schleim aus einer Nacktschnecke.




(Skookum Jim, der [Er-]Finder des Klondike-Goldrausches - via wiki commons) 

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