Donnerstag, 12. November 2015

Was bedauerlich ist.


Bedauerlich ist nicht, dass Helmut Schmidt gestorben ist. Der Mann war Jahrgang 1918.

Bedauerlich ist, dass er der letzte Politiker war, der nicht nur Opportunistisch-Getriebener war. Persönliche und  parteiliche Egoismen, Rücksichtnahme auf Lobby-Interessen, globale Taktiererei gab's bei Schmidt-Schnauze natürlich auch. Aber was ihn unterscheidet, ist, dass dahinter stets eine konsequente Zielverfolgung erkennbar war. Und wenn diese Ziele auch nicht allesamt allüberall  zustimmungsfähig waren, so gab es doch immer eine zuverlässige Grundlage, den Dissens offen auszutragen.

Schmidt hat Dinge entschieden und dann den Kopf dafür hingehalten.

Das nennt man Regierungsverantwortung.

Bedauerlich ist, dass es das nicht mehr gibt.


 (via wiki commons)
Ausgestorben: Politiker, die sich nicht hinter Sachzwängen, 
Alternativlosigkeiten und Beliebigkeiten wegducken.  
Eher nagelt man einen Pudding an die Wand,
als heutige Plittikörr für ihr Handeln 
zur Verantwortung 
zu ziehen.








Montag, 9. November 2015

Gute Arbeit!


"Postboten am Limit" ist der Untertitel eines heutigen Berichtes der Regionalpostille, und wir erfahren, dass auch dieser Berufszweig hoch an der Leistungsgrenze segelt und eigentlich längst darüber hinaus.

Ich träume von meinem Land Utopia, in dem "Arbeit" etwas ist, was man gut und gleichmäßig und zuverlässig jahraus, jahrein verrichten und damit Selbstbewusstsein, gesellschaftliche Anerkennung und ein auskömmliches Salär erwerben kann. Ich träume von dem Land, in dem es so altertümliche Worte wie "Tagwerk" noch gibt, die nahelegen, dass hier alltäglich zielgerichtetes Handeln mit der Selbstverständlichkeit, der Solidität und dem Durchhaltevermögen eines großen, wummernden Schiffsdiesels stattfindet. In dem Land bedeutet "Arbeit", dass sich erfahrene Leute Zeit nehmen, wichtige Dinge gut zu machen.

Stattdessen: Strohfeuernde Schnellfickermentalität, das hyperaktive Eichhörnchen auf Speed ist das Idol. Einzig akzeptierte Antwort auf die "Was-wollen-Sie-in-fünf-Jahren-erreicht-haben?"-Bewerbungsgesprächs-Frage ist "Auf Ihrem Platz sitzen!" Wer nicht beansprucht, im schon völlig überdrehten allgemeinen Rattenrennen jetzt noch mal richtig Zunder zu machen, ist ein Versager. Freizeit ist die Zeit, in der ich mich selbst optimiere, damit ich morgen noch etwas hektischer ums goldene Kalb tanzen kann. Und wenn jemand dabei erwischt wird, nicht permanent kurz vor Kollaps zu agieren, dann kann man ja noch was draufpacken. Und wer dann immer noch nicht kollabiert, beweist nur, dass da noch mehr geht, und dieses "Mehr" kommt so wie so. Und nach Sinn fragt kein Schwein.

Jaja, ich weiß, dass das derzeitge Arbeitsmodell nur zusammen mit dem kapitalistischen Wirtschaftsmodell überwunden werden kann. Na, denn man tou!



 
(verändert via wiki commons)
Beeindruckt mich tausendmal mehr 
als ein rezenter Formel-I-Motor: 
Ein alter Schiffsdiesel.










Dienstag, 3. November 2015

Je suis Volksverräter



Nun gut, wenn die braunen Bratzen denn partout weiter eskalieren wollen: Wer auch immer durch die offenen oder verdeckten Neonazis als "Volksverräter" oder mit sonst einer abwertenden Fascho-Vokabel bezeichnet und bedroht wird, genießt ab sofort meine uneingeschränkte Solidarität und - auf Wunsch - konkrete Unterstützung. Und als verfassungskonservativer Bürger erwarte ich, dass die Strafverfolgungsbehörden mit allen verfügbaren Mitteln gegen die Täter vorgehen.





Montag, 2. November 2015

Rein informative Frage - echt jetzt!


Nein, gegen die Wahl in der Türkei ist anscheinend nichts einzuwenden: frei, gleich, geheim soll sie gewesen sein. Und wenn das so ist, dann haben wir Nicht-Türken die Klappe zu halten.

Allerdings dürfen wir uns ganz allgemein fragen, wie es zu erklären ist, dass ein so stolzes, freiheitsliebendes, selbstbewusstes und der persönlichen Ehre verpflichtetes Volk wie das türkische Plittikörr wählt, die angetreten sind, es zu bevormunden, zu schurigeln und immer mehr seiner Freiheitsrechte zu berauben.

Sind die Türken nun stark und selbstbewusst oder sind sie devot und voller Sehnsucht nach einer starken, züchtigenden Hand?

Die Frage ist wirklich nicht böse oder sonstwie wertend oder gar rhetorisch gemeint. Ich verstehe es einfach nur nicht.



(1912/13 via wiki commons )
Sind diese strammen Jungs entschlossene Krieger oder Militär-Fetischisten? 
Geht mich nix an. Hauptsache, sie haben ihren Spaß.




Sonntag, 1. November 2015

Samstag, 31. Oktober 2015

Dankeschön, KH WTM


Sollte ich jemals etwas Schlechtes über das KH Wittmund gesagt haben: Ich nehme hiermit alles zurück! Jedenfalls soweit es um Fälle geht, in denen die Kacke echt am Dampfen ist. Ausnahmslos kompetente, engagierte, effektive und nette Leute! Vielen lieben Dank!



 Das Einzige, was genervt hat, war "the machine that goes ping".


Dienstag, 27. Oktober 2015

Sevilla zum Beispiel


Über die wirklich würdelosen und peinlich demaskierenden Ausflüsse der führenden Euro-Plittikörr in Bruxelles in Sachen Flüchtlings-Krise tauchen - wieder mal - die Unkenrufe vom zerbrechenden Europa auf.

Nee, ich glaub' da nicht dran, das Europa zerbricht. Jedenfalls nicht das Europa, das in meiner ganz unreflektierten, unkognitiven, unlogischen, unhistorischen, prärationalen Wahrnehmung von "Europa" existiert. "Mein Europa" ist da, wo ich mich als Europäer zu Hause fühle, und ich fühle mich da zu Hause, wo die Menschen so ähnlich ticken, wie ich. Sevilla zum Beispiel. Oder Vaxjö. Oder Lille. Oder Tallinn. Alles Orte in Ländern, in die ich mich schmerzfrei, ja lustvoll, einleben könnte. Sprache, Sozialversicherung, Job - das sind doch alles Dinge, die sich regeln lassen.

Und dann gibt es andere Orte, da ticken die Menschen offenbar ganz anders, da wüsste ich, dass es mir nicht so leicht fiele, mich da einzuleben. Dazu gehören die meisten Länder des ehemaligen Warschauer Paktes, aber z.B. auch Bayern, Schweiz, Österreich, Sachsen, Köln, Balkan etc.

Jaja, mein "gefühltes" Europa hat vielleicht viel damit zu tun, dass ich ein Kalt-Kriegs-Kind und auf Westeuropa fixiert bin, aber wenn ich mir die Regierungs-Knallköppe in Polen und Ungarn und sonstwo anschaue, wenn ich mir anschaue, wie die mit Demokratie, Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde umgehen und wie unaufgeklärt die Menschen sich dort in freien, gleichen und geheimen Wahlen mit sabbernder Geilheit immer mehr selbst entmündigen, dann muss ich - aller political correctness zum Trotz - konstatieren, dass das einfach nicht "mein Europa" ist, jedenfalls kein Europa, mit dem ich identifiziert zu werden wünsche.

Nein, Europa zerfällt nicht. Aber unter dem Druck der Ereignisse wird allzu deutlich, wer natürlicherweise dazugehört, trotz aller notwendigen Auseinandersetzungen, und wer irrtümlich bei der Konstruktion der EU einfach dazugekauft und dazu-taktiert wurde, wer sich aus rein egoistischen Motiven reingequengelt und reinerpresst hat und wer mit der Idee der europäischen Solidarität grundsätzlich gar nichts anfangen kann.

Nein, die derzeitige EU ist nicht "mein" Europa. Aber ich lasse mir "mein" Europa auch nicht von Plittikörrn, egal welcher Nationalität, kaputt-taktieren.

(Mein gefühltes Europa - Abb. stark verändert via wiki commons)
GB gehört eigentlich dazu, aber die wollen ja nicht, und das respektiere ich.








Montag, 26. Oktober 2015

Ethik statt Religion


Also, nein, wissen Sie, ich finde Religion und Glauben und so total super und auch irgendwie so'n Stück weit auch total wichtig für mich. Also, das prägt mich auch schon, mein Leben und so.

Das sieht man ja jetzt auch in Polen, denen ist der Glaube voll wichtig, das merkt man im ganzen Land, dass das so voll spirituell abgeht, da sind sich auch alle einig. Da spielt die Botschaft Jesu noch eine ganz zentrale Rolle, hier, die .. äh ... Bergpredigt zum Beispiel, wo er sagt: "Haut den Hilflosen auf die Fresse!" oder "Wenn ein Notleidender hungernd und frierend daherkommt, dann bau einen hohen Grenzzaun, damit das verwanzte, faule Muselmanen-Dreckspack sich hier nicht einnistet!" oder "Nur wir sind richtige Menschen, alle anderen sind minderwertig!" oder "Solidarität ist eine Einbahnstraße in unsere Richtung und nur solange gut, wie wir uns easy-peasy den Arsch dran vergolden können!" oder "Wenn sich jede/r brutalstmöglich egoistisch verhält, kann es niemandem schlecht gehen!"

Das sind jetzt nur so ein paar Gebote, die Jesus damals schon rausgehauen hat, und da halten sich auch heute noch alle dran, wo der katholische oder überhaupt der abrahamitische Glaube so tief verwurzelt ist: Bayern, Ungarn, Israel, Saudi-Arabien, Polen, USA, Iran, IS, Weißrussland ...

. . . . . 

Ironie beiseite: Die gestrige Wahlentscheidung der erzkatholischen Polen ist der schönste Beweis für die These meines All-time-number-one-Lieblings-Religionsführers, seiner Heiligkeit, des Dalai Lama, der dringend dafür plädiert, Religion und Heiligkeit durch etwas Menschlicheres zu ersetzen.

"Ich sehe immer deutlicher, dass unser spirituelles Wohl nicht von der Religion abhängig ist, sondern der uns angeborenen menschlichen Natur, unserer natürlichen Veranlagung zu Güte, Mitgefühl und Fürsorge für andere entspringt. [...] Ethik, nicht Religion, ist in der menschlichen Natur verankert."



Sind auch nur 46 Seiten DIN A6. 
Eigentlich reicht es, die Einleitung (S. 9 - 14) zu lesen.






Freitag, 23. Oktober 2015

I take pride ...


Jestern auf'm Infoabend des Jugendamtes Wittmund jewesen. Für Leute, die bereit sind, als Jasteltern für minderjährije Flüchtlinge zu fungieren. Anspruchsvolle Sache, das. Habe vorher jedacht, entweder kommen janz, janz wenig oder janz, janz viel. Es waren janz, janz viel, der Saal war rappelvoll.

Schönes Signal an die braunen Pegida-Wanzen.

Und schönes Selbstzeugnis der Menschen in der Region.



(via wiki commons)
... therefore I take pride in the words: Ish bünn ain Uittmundör!






Mittwoch, 21. Oktober 2015

J.R.R. Tolkien und die lieben Kleinen


Lese gerade "The Letters of J.R.R. Tolkien". Interessant: Im November 1961 steht er im Briefwechsel mit seiner 90-jährigen Tante, unter anderem zum Thema Literatur für Kinder. Am 21.11.1961 schreibt J.R.R.:

"Sorge Dich nicht wegen der jungen Leute! Ich bin [als Schriftsteller] nicht sehr interessiert am 'Kind' als solchem [gemeint: als LeserInnen] [...] und habe nicht die Absicht, ihm / ihr auf halbem Wege entgegenzukommen oder ein Viertel. Das eine wie das andere wäre ein Fehler, entweder nutzlos (gegenüber den Doofen[sic!]) oder schädlich (gegenüber den Begabten). Ich habe nur einmal den Fehler gemacht, das zu versuchen, zu meinem ewigen Bedauern, und (ich bin froh das zu sagen) der Missbilligung der intelligenten Kinder: in einem frühen Teil des 'Hobbit'.
[...]
[Das Buch 'Der Herr der Ringe'] wurde nicht 'für Kinder' geschrieben oder für irgendeine spezielle Person, außer für mich selbst. [...] Ich glaube, Kinder lesen oder hören es sehr aufmerksam, sogar sehr kleine Kinder, und ich bin froh darüber, obwohl sie das meiste nicht verstehen können, und es ist auf jeden Fall voller Wörter, die sie wahrscheinlich nicht kennen. Ich hoffe, das erweitert ihr Vokabular ..." [Übers. von mir]

Huh, hah! Das klingt aber gar nicht politisch korrekt: Tolkien ein Kinderhasser, oder was? Oh nein! Was er propagiert ist nur, das anspruchsvolle ästhetische (literarische) Werk als solches stehen zu lassen und den Kiddos die Chance zu geben, sich intellektuell "nach der Decke zu strecken". Tolkien sagt ganz ausdrücklich nicht, seine Texte seien nichts für Kinder, im Gegenteil. Er weigert sich nur, Kinderkram zu schreiben. Begründung: Die Doofen würden auch das nicht kapieren, und die Schlauen hätten nix, um sich dran abzuarbeiten.

Und da sage ich: Jauchzet frohlocket! Recht hat er nämlich, der gute J.R.R.. Schaut Euch doch mal unsere kinder-verblödende Kultur an! Da sind nicht nur TV und Konsole. Wenn ich nur mal Revue passieren lasse, was für bescheuerte Inszenierungen von Theaterstücken speziell "für Jugendliche" ich (als begleitender Lehrer) über mich ergehen lassen musste! Rezente DramenschreiberInnen und RegisseurInnen, allesamt der Jugendlichkeit weit, weit entwachsen, zumindest körperlich und an Jahreszahl, hegen offenbar die irrwitzige Vorstellung, Jugendstücke müssten grundsätzlich grell, zerhackt, laut, aggressiv, stroboskopartig und durchgedreht sein. Ein intensives Gefühl muss GESCHRIEEN ausgedrückt werden, am besten zusammen mit einem Akt hirnverbrannter, sinnloser Gewalt und sonstigem LÄRM. Nur dann, so die Theatertheorie, kapieren Jugendliche, dass es da irgendein Problem gibt.

Just info: Jugendliche funktionieren so nicht, zum Glück. Wenn echte Jugendliche echte, d.h. schlimme Probleme haben, dann werden sie, im Gegenteil, meistens sehr still. Manchmal so still, dass wir wissen, dass da jetzt ganz dringend professionelle Hilfe ran muss. Und untereinander erkennen Jugendliche derartige Nicht-Signale noch tausend Mal sensibler. Schreien, Lärm und hirnverbranntes Verhalten sind dagegen ein gesundes Zeichen alterstypischer Hormonvergiftung.

Im Unterschied zu den Theaterleuten sehe ich die mittelfristigen Reaktionen der SchülerInnen auf diesen ewiggleichen inszenierten Blödsinn: Die Doofen, wie Tolkien sagt, haben tatsächlich nix kapiert, sich aber über den Klamauk und die durchgeknallten Theaterleute amüsiert und sind heilfroh, eine mindestens doppelstündige, praktische Alternative zum Wissenserwerb gehabt zu haben. Die Schlauen bleiben geistig unbefriedigt und irritiert zurück und verfallen mit jeder derartigen Aufführung mehr dem grundsätzlichen Irrtum, wahre Theaterkunst sei, wenn sich alle wie laute, gewaltaffine Idioten benähmen und dabei zwischendurch auch mal ein Lied singen, ob' s passt oder nicht.

Die Annahme, Jugendliche bräuchten "Jugendkultur", ist genau so bescheuert wie die Annahme, Babies bräuchten "Baby-Sprache". Jugendliche hatten und haben - jenseits aller Hypothesen der Erwachsenenwelt - immer schon ihre eigene Kultur, und jeder Versuch der Alten, sich da billig "ranzuschmeißen", sei es in der Ästhetik oder in der Sprache oder sonstwo, ist per se zum maximalen Fremdschämen lächerlich und peinlich und absolut kontraproduktiv.

Bitte, lasst uns das doch trennen! Lasst uns Erwachsene Erwachsenen-Ästhetik machen, in Erwachsenen-Sprache mit Erwachsenen-Erfahrung über Erwachsenen-Dinge reden. Ich verwette edle Körperteile: Die Kiddos werden früher oder später, wahrscheinlich früher, von sich aus neugierig. Und wenn sie teilnehmen wollen, wenn sie also, siehe Tolkiens Beispiel, in sehr jungen Jahren den HdR lesen oder hören wollen, dann sollen sie das dürfen.

Oder, wie Ivan Illich sagte:

"Das meiste Lernen resultiert nicht aus Unterricht. Es ist vielmehr das Resultat aus ungehinderter Teilnahme in relevanter Umgebung."

Übersetzen wir "Unterricht" mit "erwachsenengemachter Kulturvermittlung speziell für Kinder und Jugendliche", dann sind Illich und Tolkien sich da vollkommen einig. Zeigen wir den Kindern, wenn sie es denn sehen wollen und können, dass es in dieser Welt relevante Dinge gibt. Hört auf, Kinder mit Kinderkram zu belästigen!






(via wiki commons)