Dienstag, 3. Juni 2025

Verfertigung der Gedanken beim Denken

 

Mich beschäftigte eine Frage zur Ethik: 

Wenn ein Volk in einer freien, gleichen, geheimen Wahl zwischen einem tendenziell demokratischen und einem anti-demokratischen, autoritären, arschlöchigen Kandidaten das autoritäre Arschloch wählt, und sei es auch mit noch so knapper Mehrheit, was sagt das dann über dieses Volk?

Kann ich den statistischen Befund ignorieren, dass es eine 50,9%ige Chance gibt, dass dey nächsty Poly, dey mir begegnet, bewusst besagtes Arschloch gewählt hat? Darf ich das ignorieren? Vergleichbare Situationen in der Türkei, Ungarn, USA u.v.a.m. Auch Bewohnerys doitscher Bundesländer, in denen die rechtsextreme Nazi-AfD stärkste Kraft ist, begegne ich mit vorsichtiger Distanziertheit, und ich habe da irgendwie irgendwo vollstes Verständnis für mich selbst.

Die ethische Frage lautet: Sind Vorurteile unter bestimmten Umständen gerechtfertigt?

Ich habe wirklich einige Tage über die ethischen Implikationen nachgedacht und komme zu folgendem Ergebnis:

  1. Die Frage, ob eine Voreingenommenheit gegen die Bewohnerys von Fascho-Ländern gerechtfertigt ist, stellt sich wirklich nur unter der Bedingung freier, gleicher und geheimer Wahl. In etablierten Diktaturen kann man die Bewohnerys nicht für "Wahl"-Ergebnisse verantwortlich machen. Man könnte höchstens fragen, welche Verantwortung das Wahlvolk beim Zustandekommen der diktatorischen Verhältnisse hatte.
  2. Betrachten wir Beispiele wie Ungarn, Türkei, Polen, USA, wird klar, dass es zunehmend realitätsfern wäre, diese Staaten als "normal" im Sinne westeuropäischer (=EU-)Standards oder sonstwie freiheitlich-demokratischer Regeln zu betrachten. Diese Einschätzung ist auch bei künftigen Entscheidungen auf internationaler Ebene zu berücksichtigen, anders formuliert: Das Vorurteil auf staatlicher Ebene ist vernunftbasiert begründbar.
  3. Eine allgemeine Voreingenommenheit darf aber keinesfalls (!) ungeprüft auf einzelne Menschen übertragen werden. Wir würden der überwiegenden Mehrheit (etwa 70 %) der Sachsys, Thüringys und Brandenburgys Unrecht tun, sie mit den hirntoten Braunbratzen in einen Topf zu werfen. Und es gibt viele Türkys, Polys, Ungarys, Amys etc., die unter den autokratischen Regimes leiden. Diese Menschen verdienen Empathie und Solidarität.


(via wiki commons -
Dass Goethes "Heideröslein"
 Vergewaltigungen legitimiert,
ist allgemein bekannt, oder?)



"Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet!
Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang."

Schiller, Glocke