Sonntag, 11. August 2024

Wider das Einheitshochdeutsch!

 
Ach Du liebe Zeit! Erst durch diesen Artikel auf Infosperber habe ich erfahren, dass die Österreicher, Schwyzer und Bayern sich vom Oktroy hochdeutscher Sprachnormen gegängelt, gefesselt und unterdrückt fühlen. 

Als Germanist mit Schwerpunkt "Sprachnormen" und als Pauker, der in hoheitlichem Auftrag eben diese hochdeutschen Sprachnormen in die sensiblen Seelen und Geister zahlloser unschuldiger norddeutscher Jugendlicher einzubrennen versucht hat, kurz: als Einer, der echt viel mit Hochdeutsch rummacht, möchte ich dringend klarstellen:

Es ist mir völlig wumpe, wie die Ösis, die Eidgenossen und die bayerischen Normalos sprechen. Ich begrüße, im Gegenteil, jede Form von Diversität auch und gerade bei Sprache. Und niemandem fällt ein Zacken aus der Krone, wenn man sich wenigstens in Ansätzen bemüht, die Sprachen und Sprachvarietäten der jeweiligen Kommunikationspartner*innen zu achten, indem man z.B. die örtlichen Tagesgruß- und Dankesformeln übernimmt, woimmer auf diesem Planeten. Eine Frage der Höflichkeit und des Respekts.

Außerdem habe ich immer wieder festgestellt, dass man viel Spaß haben kann, wenn man sich eines Idioms bedient, das man vielleicht nur zu 20, 30 Prozent drauf hat und wenn sich beide Seiten ziemlich aus dem Fenster lehnen müssen, um eine Verständigung hinzukriegen. 

Dumme, sture Idioten, die das "mia san mia" auch kommunikativ brutalst durchziehen wollen oder jene Amis, die drauf schwören, keine andere Sprache zu brauchen, da Jesus lt. Bible doch auch nur englisch sprach, sind es vielleicht auch nicht wert, dass man sich sprachlich um sie bemüht.

Ansonsten gilt: Sprache ist ein gesellschaftliches Konstrukt! Mehr und wichtiger als jedes andere Fitzelchen Kultur. Das bedeutet: Vokabular und Grammatik sind von Menschen ausgedacht, werden von Menschen benutzt und verändert und - Wichtig! - werden von Menschen bewertet, und zwar nach von Menschen gemachten Kriterien.

Deshalb, liebe Ösies und Schwyzer*innen und selbst Ihr Bayern: Redet, wie Euch der Schnabel gewachsen ist. Die Fesseln, die Ihr zu spüren meint, habt Ihr Euch selbst auferlegt. Ich kenne keine (!!!) Nordhochdeutsch-Sprechenden, die - wie z.B. die Amis - aktiv dafür eintreten, dass ihre Sprache die statistische und gesellschaftliche Norm sein müsse. Wenn Ihr Eure Art zu reden selbst abwertet, dann gebt nicht uns die Schuld dafür.

Nur der Vollständigkeit halber ergänze ich aber auch, dass ich zwar sprachliche Diversität begrüße, dass es aber durchaus etwa drei Varietäten des Deutschen gibt, die mich laut-ästhetisch ziemlich abtörnen. Ich verrate aber nicht, welche das sind. Und es gibt ein paar Varietäten, deren Sprecher*innen es mehrheitlich so scheißegal zu sein scheint, ob ich sie verstehen kann oder nicht, dass ich da überhaupt keine Lust habe, mich drauf einzulassen. 

Außerdem: Schriftsprache lässt sehr deutliche Rückschlüsse auf geistige Performance zu. Es gibt Texte von Legastheniker*innen oder von Nicht-Muttersprachler*innen, die zwar voller Normverstöße sind, die aber ein intellektuelles Feuerwerk enthalten. Und andererseits: Wenn ich in sozialen Medien oder auf Amazon Texte finde, die offensichtlich unredigiert und ungekürzt dahingeschlenzt worden sind, dann nehme ich die inhaltlich nicht ernst, egal, welche Varietät dahinter steckt.

Eigentlich issas alles ganz einfach!




Genau! Wir, die wir irgendeine Varietät von Doitsch sprechen,
sollten uns alle ganz entspannt zurücklehnen.









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