Montag, 31. Juli 2023

Über Vernunft und Fatalismus

 

Neulich spontan gekauft:


Ich fand's lustig, und ich dachte, es passte zum frisch-vorzeitig pensionierten Lehrer, der von Tag zu Tag weniger bereit ist, den Spießer-Normen zu entsprechen.

Blöd, blöd, blöd war nur, dass ich, als ich später einen Ort für das Schild suchte, über den Begriff "vernünftig" stolperte. Vernunft ist ja eigentlich eine gute Sache, man denke nur an Kant, die Aufklärung und so weiter. Eigentlich ist es ja nie zu spät, vernünftig zu werden, und so idiotisch, wie wir gerade die letzten Reste einer lebenswerten Umwelt in die Grütze kloppen, müssten wir sogar dringendst schnellstmöglich vernünftig werden. 

Vor diesem Hintergrund ist das Schild allerdings fatal missverständlich: Man kann es leicht in dem Sinne verstehen, dass wir den anthropogenen Untergang unseres Lebensraumes längst so weit getrieben haben, dass der "Point of no return" final überschritten ist und alle weiteren Versuche, vernünftig mit dem "Raumschiff Erde" umzugehen, vergebene Liebesmüh' wären. Der Appell wäre dann: Nach mir die Sintflut, nun ist sowieso alles egal, also lasst uns nochmal richtig aufdrehen.

Ja, mir ist schon milliardenmal ¹ gesagt worden, ich grübelte zu viel. Aber wenn ein Text in seiner Bedeutung nicht ganz eindeutig ist und wenn er mit so einer Tragweite missverständlich ist, wie in diesem Fall, dann habe ich da überhaupt keinen Spaß mehr dran.

Zwei Dinge müssen jetzt geschehen:

Erstens muss das Wort "vernünftig" in obigem Text ersetzt werden. Wahrscheinlich durch das Wort "erwachsen". Das hat was, wenn ein Einundsechzigjähriger sowas sagt.  

Zweitens muss ich, müssen wir, müssen alle denkenden Menschen etwas gegen diesen Fatalismus unternehmen. Es besteht eine große und sehr reale Gefahr, dass Leute, die seit jeher politische Macht daraus schöpfen, den Menschen zu sagen, es sei ok, ein egoistisches Arschloch zu sein, ich meine Nazis of any colour and any kind, künftig eine Kampagne starten, die da lautet: Ja, die Welt wird definitiv untergehen, aber unser Volk wird als letztes darunter leiden. Sollen doch Andere, Schwächere als erstes über die Klinge hoppsen ... Nein, Fatalismus können wir uns nicht leisten. Weder jetzt noch in Zukunft.

Vor dem Weltuntergang habe ich wenig Angst. Ich habe Angst vor dem, was Menschen einander antun werden, wenn die Welt untergeht.



(stark verändert via wiki commons)





¹ 999.999.995 Mal habe ich es mir selber gesagt, und dann noch mindestens fünf andere Menschen.






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