Dienstag, 19. Dezember 2023

Der Reichsnährstand hat gesprochen!

 

Unbestritten, dass die Bauernlobby in Doitschland sogar noch mächtiger ist als die Autolobby, vor der ja bislang auch jede Regierung jederzeit devot einknickt. Als Bauer wäre ich aber trotzdem schwer beleidigt, wenn mein Verbandspräsident und der zuständige Bundesminister ganz öffentlich damit argumentieren, wenn ich meinen Willen nicht bekäme, liefe ich wieder zu den Nazis über

Gut, eine gewisse Affinität zu der Blut-und-Boden-Propaganda habe ich nie abgelegt, nachdem die Nazis uns damit '33-'45 so überaus erfolgreich gebauchpinselt haben, und entnazifizieren konnte man mich anschließend auch nicht, da ich seinerzeit ernährungswirtschaftlich viel zu wichtig war ...

Aber das so offen rauszuhauen und mit meiner latenten geistigen Nähe zu den heutigen Faschisten  so offen zu drohen, das ist schon ... mutig. Und dass Özdemir ganz öffentlich vor dieser Drohung einknickt, statt empört dagegen Sturm zu laufen, wie aufrechte Demokrat*innen es hätten tun sollen, zeigt, wie goldrichtig der Bauernverband mit dieser Dreistigkeit taktiert. 

Und, abgesehen von dem verschwindend geringen Bruchteil progressiver, d.h. gemeinwohlorientierter, ökologisch arbeitender (Solawi-)Betriebe sind wir Bauern nun mal ausschließlich darauf bedacht, unsere Profite weiterhin zu privatisieren und unsere Verluste und die von uns verursachten Umwelt-Katastrophen weiterhin zu vergesellschaften. Da sind wir konservativ, national - und wenn es um Subventionen geht - auch sozialistisch. 

Und die öffentliche Reaktion gibt uns doch recht: Blockaden durch "Last generation" werden kriminalisiert, Treckerblockaden werden gefeiert. Scholz nennt die Klimakleber "bekloppt", aber die Ampel nimmt die Kürzungen der Agrar-Subentionen sofort zurück. Wir sind durch und durch erfolgreich.

Warum sollten wir Bauern unsere Nähe zu den Nazis also leugnen? Wo uns das so in die Karten spielt?


(verändert via wiki commons)
Das ist die Zukunft, wenn man uns die Subventionen für Agrar-Diesel kürzt!










Samstag, 16. Dezember 2023

Wer entscheidet über Gendersprache?

 

Mich interessiert mittlerweile nicht mehr, aus welchen ausschließlich macht-taktischen Gründen gerade mal wieder die Gendersprache als Sau durch's Dorf getrieben wird. 

Halten wir aber bitte nochmals fest:

  1. Für Schulen und Behörden gilt bei uns, dass die jeweils obersten Dienstherr*innen Verwaltungs- Regelungen erlassen dürfen, z.B. für die Arbeits- und Ablauforganisation, Uniformen, Behördenlogos, Hierarchien, Dienstzeiten - und eben auch für den Schriftverkehr.
  2. Die deutschsprachigen Länder Österreich, Schweiz und Deutschland haben den gemeinsamen "Rat  für Rechtschreibung" gegründet, der Sprachregeln der drei Länder vereinheitlichen soll. Die von diesem Rat beschlossenen Regeln findet man in zwei kostenlosen *.pdf-Dateien auf der Website.
  3. In Deutschland sind diese Regeln für Behörden und Schulen von den weisungsbefugten Dienststellen verbindlich gemacht worden. 

So einfach kann das Leben sein!

Aus irgendwelchen Gründen, geilen sich einige alte weiße Männer¹ aber immer wieder daran auf, unser Leben kompliziert zu machen.

Und deshalb müssen wir immer wieder richtig stellen:

  • Als bayrischer MP darf Söder bayrischen Behörden und Schulen Sprachregeln diktieren. Bevor er sich mit Feinheiten wie dem Gendern beschäftigt, sollte er aber zunächst Sorge tragen, dass in bayrischen Behörden und Schulen richtiges Deutsch, also Hochdeutsch, also Preußisch bzw. Obersächsisch gesprochen wird. Nur zur Information: Der Satz "I hob di des g'sagt g'hobt!" kommt in keiner normalen und richtigen Sprache vor. Was für eine Zeitform soll das sein? Ultra-Perfekt? Deppen-Perfekt? 
  • Der Genderstern kommt in den Regeln des Rechtschreibrates nicht vor. Dass Söder nun öffentlich beteuert, das Gendern verbieten zu wollen, ist also völlig überflüssig, denn in dem Bereich, in dem Söder Regelungsmacht hat, ist das längst geklärt. Was für einen kleinen Pimmel muss man haben, um so auf dicke Hose machen zu müssen?
  • Solange wir nicht im Öffentlichen Dienst tätig sind, also in Behörden und Schulen arbeiten, betreffen uns die Schreibregeln überhaupt nicht. Wir können machen, was wir wollen, und das sollten wir auch ausnutzen!
  • Der Rechtschreibrat ist kein irgendwie demokratisch legitimiertes Gremium, sondern vornehmlich ein Ort, an dem linguistische und politische Personal-Altlasten entsorgt werden. Dementsprechend schwiemelig und intransparent sind seine Arbeit und Ergebnisse. Allerdings hat der privatwirtschaftliche Duden-Verlag dort eine irrsinnige Lobby-Macht und nutzt diese für seine kleinen, dreckigen Spielchen. ³
  • Ich habe NULL Verständnis für pseudoanarchistische Verschwörungs-Trottel*innen, die von Politiker*innen die Einführung gendergerechter Sprache einfordern. Was für ein Schwachsinn! Politiker*innen haben in dieser Hinsicht weder die Macht etwas zu verbieten, noch etwas zu erlauben. Und wer da nach staatlicher Regelung schreit, schafft überhaupt erst das Problem, das sie*er bekämpfen zu wollen behauptet.


(A. Vogel als Beckmesser in Wagners Meistersinger, 1935, verändert via wiki commons)






¹ Ich wiederhole: Dabei kann es sich auch um junge, dunkelhäutige Doppel-X-Chromosomen-Träger*innen handeln. Das Prädikat "alte weiße Männer" bezieht sich auf das Mindset "unbelehrbar, dogmatisch verkrustet, rückwärtsgewandt, rücksichtslos, menschenverachtend, egomanisch und grenzenlos machtgeil". Biologische Details spielen dabei überhaupt keine Rolle. Ich kenne sogar einen Gorilla, der als "alter weißer Mann" durchgehen könnte und vice versa².

² (Aussprache:  [ˈviːt͡sə vɛʁza]; und NICHT, wie die blöden Amis: "vaiss vörsö")

³ Um auch das nochmal ganz klar zu machen: Der Duden-Verlag ist eine ausschließlich profitorientierte Firma und hat NULL Regelungsgewalt. Allerdings arbeiten die Leute seit jeher daran, einen anderen Eindruck zu erwecken. 








Freitag, 15. Dezember 2023

Auf die Art des Donald T. aus W.

 

Höhöhö - joviales Altherren-Lächeln in die Kameras der Welt und kollektives Sich-gegenseitig-auf-die-Schulter-Klopfen: Die Silverbacks der Europäischen Union können sich gar nicht genug beömmeln über den "kreativen Verfahrens-Trick", mit dem sie ein Veto des ungarischen Alleinherrschers mit dessen Einverständnis und aktiver Mithilfe umgangen haben. ¹

Und nur ganz hauchdünn und lieblos wird der andere Trick camoufliert, der Ukraine ein rein symbolisches Signal der Hoffnung auf einen EU-Beitritt zu senden, obwohl ausnahmslos alle Beteiligten wissen, dass dieser Beitritt bestenfalls (!) in sehr, sehr weiter Ferne liegt. Man kann ja erstmal Gespräche versprechen, und mehr, beeilen sich alle zu versichern, ist ja nicht gesagt worden. Der Geruch zukünftiger Enttäuschungen und Frustrationen der naiv-wohlmeinenden Ukrainer*innen weht uns jetzt schon an.

Ich fühle mich herzlich unwohl mit dieser offen vorgetragenen und vorgelebten Verlogenheit unserer allerhöchsten Gremien.

Wenn "kreative Verfahrens-Tricks" angewendet werden müssen, um bestehende Regeln zu umgehen, dann bedeutet das zweierlei:

  1. Die Regeln sind inhaltlich schwachsinnig und müssten dringend verbessert werden. Wenn man aber nicht im Stande und/oder nicht Willens ist, die Regeln, die man immerhin selbst verfasst hat,  einer kontinuierlichen Qualitätskontrolle zu unterziehen, sondern die Fehlerhaftigkeit fortschreibt und sich ständig mit Tricksereien durchschummelt, dann findet kein Verbesserungsprozess statt. Folge: Stagnation, Verkrustung, Ende, aus.

  2. Wenn man auf allerhöchster Ebene vorlebt, dass man Regeln kreativ auslegen kann, dass man jedes Schlupfloch nutzen darf, dass nicht der Geist, die Ethik, sondern nur die kalten, toten Buchstaben des Gesetzes zählen, dann darf man sich nicht wundern, wenn die größten anzunehmenden Arschlöcher dieses Planeten sich diese Lehre zu eigen machen und entsprechend agieren. Und die Ehrlichen stellen mal wieder fest, dass sie mal wieder die Dummen sind. Es kostet Überwindung, in so einer Welt ehrlich zu bleiben.

Kurz: Es ist, was gestern in Brüssel geschah, kein großartiger Sieg, sondern, im Gegenteil, eine grauenhafte und erbärmlich klare ethische und politische Niederlage.


(stark verändert via wiki commons)

Was für einen mörderisch schlechten Einfluss
die Arschlöcher der Welt auf unser Denken haben ...
Warum lassen wir das zu?



¹ Natürlich muss man an dieser Stelle ergänzen, dass Orban zuvor die EU erfolgreich erpresst hat und erst nach einer Zahlung von 10 Milliarden Euro bereit war, seine dreckige Rolle in diesem dreckigen Spiel zu spielen.






Mittwoch, 13. Dezember 2023

Endlich bewiesen: Lagerfeld hatte recht!



Ich hoffe, ich habe das Foto stark genug verfremdet, um keine Urheberrechtsprobleme zu bekommen. 

Bei diesem Pressefoto aus dem Gaza-Streifen fiel mir perversereise das Lagerfeld-Zitat ein:

"Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren."

Dazu zwei Gedanken: 

Erstens: Ganz eindeutig hat Lagerfeld in diesem speziellen Fall recht. Diese Menschen tragen Jogginghosen. Und ihnen wurde die Kontrolle über ihr Leben genommen. Ich betone: Sie haben diese Kontrolle nicht (passiv) verloren, zufällig und versehentlich, wie man vielleicht einen Kugelschreiber oder einen Schlüssel oder einen ethischen Kompass verliert. Die Kontrolle wurde ihnen (aktiv) genommen. Es hat mehrere Gruppen gegeben, die ganz niedrige und erbärmlich egomanische Interessen hatten, diesen Menschen die Kontrolle mit Waffengewalt zu nehmen.

Zweitens: Wenn ich mir einerseits den Kontext des Zitats, den krankhaft arroganten, durch und durch trivialen Lagerfeld, seine dümmliche, überreiche, ekelerregende Camarilla und den ganzen hirnverbrannten aber milliardenschweren Rummel um die Haute-couture so anschaue und wenn ich - vermittelt durch obiges Zitat - andererseits das Leid so vieler Menschen sehe, dann bleibe ich fassungslos zurück und schäme mich wieder mal, dieser Specie anzugehören.






Donnerstag, 7. Dezember 2023

Noch 'n Rückzugsgefecht

 

Der Guardian überrascht mich immer wieder mit Insider-Informationen, so auch heute:

Hätte ich im Traum nicht gedacht, dass Fidel, der Máximo Lider, für die CIA arbeitete. Ich dachte, die hätten, im Gegenteil, eine eher konfliktbeladene Beziehung gehabt, bla, bla, bla ...

Klar, es ist natürlich wieder ein mehr oder weniger ulkiger Übersetzungsfehler:

Warum finden wir derartige Fehler bemerkenswert?

Erstens: Wir haben hier einen schönen Beleg dafür, dass die deutsche Grammatik, die im Vergleich zum Englischen komplexer und intellektuell fordernder ist, nicht ohne Grund ist, wie sie ist. In obigem Titel wird der Plural im Deutschen doppelt markiert: "... Fidel und Rául ..." und " ... arbeiteten ...". Im Singular stünde das Verb "... arbeitete ...". Im Englischen gibt es nur "... worked ...", und so musste die KI raten, ob Juanita oder Fidel und Rául für die CIA arbeiteten.

Zweitens: Wenn man aussichtslose Rückzugsgefechte führt, ist man für kleine Erfolge besonders dankbar. KI wird uns überrollen, und was vom menschlichen Geistesleben übrigbleibt, wird erbärmlich sein. Umso mehr erfreuen wir uns immer wieder daran, KI an Rückbezüglichkeiten (" ... who worked with CIA ...") scheitern zu sehen.

Um die Aussage der Titelzeile aufzulösen, muss man das Kontextwissen haben, dass Fidel und die CIA eher nicht kooperiert haben. Eine einigermaßen gute KI müsste sowas "wissen". Aber sie müsste auch "wissen" dass sie in diesem Fall, bei dieser Übersetzung, auf dieses "Wissen" zurückgreifen müsste - und woher, bitteschön, soll sie das denn "wissen"?

Klar, man könnte KI lehren, bei jedem Rückbezug eine Plausibilitätsprüfung einzuschleifen, aber wie berechnet die KI Plausibilität? Und wie lange soll sie rechnen, wenn es keine eindeutige Lösung gibt? Beispiel: "Horst liebt Heiko, weil er so nett ist." Ist Horst nett oder Heiko? Ich weiß es nicht, weil ich weder Horst noch Heiko kenne. Ich müsste nachfragen. Vielleicht tue ich es, vielleicht auch nicht, wen interessiert's? Was aber soll die KI in so einem Fall machen? Mich mit blöden Nachfragen zum Wahnsinn treiben? 

Suhlen wir uns noch ein bisschen in dem rasend schnell austrocknenden Tümpel des Überlegenheitsgefühls, das wir dem unerreichten menschlichen Kontextualisierungsvermögen verdanken.


(verändert via wiki commons)
 


 

 



Sonntag, 3. Dezember 2023

Advent = Ankunft

 

 

(...)
It's okay to start again cause change is gonna come.
Nothing ever stays the same, it's not like we're still young.
Let's blow it up and burn it down so we can stand alone.
No Fear of change, no fear of the unknown.

All my hopes and memories are blowing in the wind,
I started off with nothing and I'm back here once again.
(...)

Amy Mcdonald - Ashes  




Vorgestern anner Küste






Mittwoch, 22. November 2023

Worterklärung: Elite und Populismus

 

Ich mag es ja, wenn ein Wort maximal eindeutig definiert ist, denn wenn es das nicht ist, finden sich immer machtgeile Arschlöcher*innen, die es im Sinne ihrer niederen Zwecke pervertieren. 

Thema heute: Elite versus¹ Populismus

Elite:

Das Wort "Elite" wird von den fundamentalistischen Braunbratzen of any colour and any kind als abwertender Kampfbegriff gegen jeden Menschen verwendet, die*der sich selbständigen Denkens schuldig gemacht hat. Stattdessen wollen wir definieren, Elite, das sind

Menschen, die lebenslanges Lernen und Um-Lernen und Neu-Lernen (z.B. nach entsprechender Kritik und / oder Erfahrungen) für eine zwingende Notwendigkeit und einen je persönlichen Gewinn betrachten. Dabei ist es völlig (!) wurscht, wo man startet und wo man endet. Es ist einzig die lern- und bildungs-positive Haltung, die "Elite" ausmacht. ²

Ein jugendliches Genie, das ihre*seine geistige Entwicklung mit Ende Zwanzig beendet, mag einen Professoren-Titel haben, gehört aber nicht (mehr) zur Elite, sondern bestenfalls zur gehobenen Dienerschaft der Herrschenden. Ein*e Raumpfleger*in, der*die erst nach der Verrentung die Möglichkeit findet (und nutzt), sich mit außerberuflichen und -familiären Dingen denkend auseinanderzusetzen, ist Teil der Elite.

Elite sagt: Es ist ein Muss und ein Wert an sich, jeden Tag etwas schlauer zu werden, kritisch zu sein, zu zweifeln und zu prüfen.

Populismus:

Menschen, die eine allgemeine lern- und bildungs-positive Haltung ablehnen und öffentlich verunglimpfen, betreiben Populismus. Ihre Botschaft lautet, dass Denken und Lernen und die damit zwangsläufig verbundene kritische Haltung anstrengend, gefährlich, unnötig, spaßbremsend, öde, fehleranfällig und lahmarschig seien.

Populismus sagt: Du bist perfekt. Die Welt ist perfekt. Lernen ist anstrengend und unnötig.³ Nachdenken ist schädlich und Du kannst das sowieso nicht, also gib's auf. Veränderung ist schädlich und gar nicht nötig. Kritik ist ein Verbrechen, Du verdammter Klugscheißer, je grundsätzlicher, desto schlimmer.


Prüfungsfragen zum Textverständnis:

1.) Du bist Marketing-Tussi*Fuzzi in einem Konzern, der ethisch problematische Produkte zu irrwitzigen hohen Preisen verhökert. Welche Denkrichtung wünschst Du für Deine Zielgruppe?

A.) Elite

B.) Populismus

2.) Du bist ein*e machtgeile*s Arschloch*Arschlöchin und möchtest in einem Land mit einer pseudo-demokratischen Verfassung Präsident*in werden. Welche Denkrichtung in der Wählerschaft wirst Du mit Deinen verlogenen Wahlversprechen befeuern?  

A.) Elite

B.) Populismus

3.) Du bist dumm, häßlich, verlogen, faul, unhygienisch und stinkst. In welchem Mind-Set suchst Du nach Partner*innen für aufregende sexuelle Erfahrungen?

A.) Elite

B.) Populismus

4.) Du bist Politiker*in mit Einfluss auf die Finanzierung von Bildung in Deinem Staate. Da Du möglicherweise nicht wiedergewählt wirst, hast Du Dir schon mal Beraterposten bei namhaften Konzernen gesichert. Welcher Maxime neigst Du in Bezug auf allgemeine staatliche Bildung  zu?

A.) Wir brauchen mehr Bildung. Nur kritische Geister mit umfassendem, kontextualisierbarem Wissen werden in der Lage sein, die gewaltigen Menschheitsprobleme der Zukunft zu bewältigen.

B.) Lesen, Schreiben, Rechnen. Grundlagen-Wissen reicht. Ach ja, und US-Englisch, die Sprache der planetaren Herrscher, um deren Befehle richtig verstehen zu können. 




(Nike von Samothrake - stark verändert via wiki commons)
Höhö! Die Siegesgöttin voll mit apper Birne ... Höhöhö.





¹ Können wir uns mal eben ganz schnell darauf einigen, dass das Wort "versus" so gesprochen wie geschrieben wird? [ˈvɛʁzʊs] Was für ein vollverblödeter Schwachsinn, die falsche und dümmlich-arrogante us-amerikanische Aneignung "vörsis" nachzuäffen!

Noch viel grauenhafter: Nike wird ebenfalls so gesprochen wie geschrieben: [ˈniːkə]. Hirntote Vollidioten sagen natürlich "Naikiiiee", weil unsere überseeischen Hegemonen zu ignorant sind, den griechischen Ursprung zu kapieren. Und googelt mal "Nike" und prüft, nach wieviel Seiten Konzernwerbung die griechische Siegesgöttin erstmalig auftaucht. 

Tausende weitere Beispiele, aber ich rege mich ja nur wieder auf ...

² Muss ich noch betonen, dass Lernen, d.h. eine Vergrößerung des persönlichen Wissens grundsätzlich - und zwar per definitionem! -  eine Verhaltensänderung zum Guten nach sich zieht? Wenn Lernen nämlich nicht zu verändertem Verhalten führt, habe ich nix gelernt, sondern nur Faktenwissen angehäuft. Das hilft bei der Lösung von Kreuzworträtseln, ist aber ansonsten völlig nutzlos.

³ Motto: "Ich weiß alles, was man wissen muss. Was ich nicht weiß, muss man auch nicht wissen." Ich könnte kotzen, wenn ich überlege, wie oft ich - mehr oder weniger verklausuliert - diese Auffassung gehört habe.





Sonntag, 12. November 2023

Unmöglicher Brief zum Gaza-Krieg


Eigentlich hatte ich beabsichtigt, einen "Offenen Brief an alle friedliebenden Palästinenser*innen" zu schreiben, in dem ich ihnen erklären wollte, warum Deutsche niemals wieder das Recht haben werden, Juden, Israelis, den Staat Israel, israelische Institutionen etc. zu kritisieren. Ich hielt das für notwendig, um zu erklären, warum deutsche Nahost-Politik gerade den Anschein erweckt, Würde, Leib und Leben palästinensischer Menschen seien weniger wert als israelischer Menschen.

Ich wollte erklären, was für ein seltsames Gefühl das ist, wenn man gewohnt ist, alles Mögliche - und oft auch Unmögliches - grundsätzlich im Diskurs zu zerblättern, in Bezug auf das deutsch-israelische Verhältnis in diesem Grundsatz aber eine Riesen-Lücke klafft, wie ein großes Schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie. 

Ich wollte erklären, dass es, wie bei jedem anderen Staat auch, einige Punkte gibt, die mir an Israels Politik kritikwürdig erscheinen und dass die jüdische Religion, wie alle abrahamitischen Religionen, gewaltige ethische Probleme aufwirft ¹.

Und schließlich wollte ich erklären, dass wir Deutsche, die Nachfahren der Täter, dieses Recht auf Kritik ein für alle Mal und in alle Ewigkeit verspielt haben und dass das gut so ist! 

Die alten weißen Männer, die an der Spitze des israelischen Staates und seiner Religion stehen, die, wie alle alten, weißen Männer an der Spitze eines jeden Staates und einer jeden Religion,  kein Problem damit haben, hunderttausende von Menschenleben zu opfern, um ihren persönlichen Machterhalt zu sichern, werden anderswoher erleuchtet werden müssen. Ich bin raus. Wir Deutschen sind raus. Wir haben in diesem Fall kein Rederecht, und - ich wiederhole - das ist völlig gut und richtig so!

Am Ende des Offenen Briefes wollte ich die friedliebenden Palästinenser*innen meiner uneingeschränkten Solidarität und meines Mitgefühls versichern, ebenso die Jüdinnen und Juden. Da wäre mir schon was eingefallen, klarzumachen, dass alle Menschen gleich und Gewalt grundsätzlich Schwachsinn seien.

Egal.

Der Brief konnte nicht geschrieben werden. Das Gelände ist zu toxisch, geistig zu vermint, jede Seite fragt auf Meta-meta-meta-Ebene nur noch nach Motiven, Inhalte spielen überhaupt keine Rolle mehr. Hannah Arendt hat sowas als Merkmal von Faschismus identifiziert.

Es ist im Gaza-Krieg schlimmer, viel schlimmer als im Falle des Ukraine-Krieges. Wo ja auch schon der schlichte Wunsch nach Frieden Dich zum Putin-Befürworter stempelt.




(Schwarzes Loch, stark verändert via wiki commons)





¹Die sehr schwiemelige, undurchschaubare Kombination von Staat und Religion wäre auch so ein Kritikpunkt.) 






Donnerstag, 9. November 2023

Immer wieder: Grübeln über Enkelfragen

 
Ständig lege ich mir neue Antworten bzw. Ausreden zurecht, für den Fall, dass die Enkelgeneration mich eines Tages tatsächlich fragt: "Wie konntet Ihr nur ...?!" und "Warum habt Ihr nichts dagegen getan?"

Ihr müsst verstehen, werde ich sagen, der Kapitalismus war ein System, das uns alle so durchdrungen hatte, dass es uns schon gar nicht mehr auffiel. Man nennt das Internalisierung. Metapher zum Verständnis: Du kannst Stickstoff nicht riechen, weil Du 78 % Stickstoff atmest. 

Es war unhinterfragbar, dass ausschließlich individuelle Gier, Egomanie und Streben nach absoluter persönlicher Macht die Menschen im 21. Jahrhundert antrieben. Wer ernsthaft behauptete, es gäbe noch andere, idealistischere Motive, galt zunächst als Naivling, dann als Vollidiot und schließlich als potentieller Staatsfeind. 

Du konntest pottenhäßlich, dumm und soziopath sein, wenn Du Kohle hattest, bekamst Du Aufmerksamkeit, Anerkennung, Sexualpartner*innen und unfassbaren wirtschaftlichen und also politischen Einfluss. Warst Du hingegen ökopax, bescheiden, mitfühlend und solidarisch, galtest Du als schwaches, verschrobenes Weichei und kamst wirtschaftlich und menschlich nur schwer zurecht. Zwischen diesen Extremen konnte und musste Jede*r ihre*seine persönlichen, kleinen, dreckigen Kompromisse machen.

Neben dem Kapitalismus gab es noch einen zweiten katastrophalen, internalisierten Irrtum, und der betraf die Demokratie. Nicht, dass ich die Demokratie an sich in Frage stelle, oh nein, sie ist die einzige menschenwürdige Staatsform.

Allerdings nicht, wenn man sie mit "Wähl'-Dich-reich"¹ verwechselt. Die ursprüngliche Idee der Demokratie lautete, dass, wenn alle vernunftbegabten Mitglieder einer Gemeinschaft im Austausch mit anderen oder Jede*r für sich kluge und verantwortungsvolle Gedanken zur Zukunft dieser Gemeinschaft und den dafür angemessensten Maßnahmen dächten - dass sie dann jenen Politiker*innen Staatsmacht in die Hände legen würden, die diesen Gedanken am weitestgehenden willfahrten. ² 

Die ursprüngliche Idee der Demokratie war NICHT, dass, wenn ein Politiker ³ mit unverantwortlichen, unrealistischen und uneinlösbaren Wahlversprechen lockt und ein anderer kluge, wichtige und richtige Ziele formuliert, die vielleicht nicht immer bequem sind - dass dann automatisch und garantiert der Ehrliche verliert und der Lügenbold gewinnt und eine Legislaturperiode lang nur dafür sorgen muss, dass man ihm nicht allzu deutlich auf die Schliche kommt. Wonach dann alles vergessen ist, und der Spaß von vorne beginnt ... 

Zurück zu Eurer Frage, warum wir nichts getan haben: Das System war unangreifbar.

Demokratie setzt hinreichende Bildung in weiten Teilen der Bevölkerung voraus. Wenn es den Herrschenden einmal gelungen ist, das Volk gezielt zu verblöden - und in unserem Fall ist ihnen das gelungen! - dann hast Du statt mündiger Bürger*innen eine Masse fauler und korrumpierter Idiot*innen, Speichellecker*innen, Mitläufer*innen. 

Was ich "dagegen getan habe"? Ich bin Lehrer geworden, und zwar genau aus diesem Grund. Hat aber nix gebracht, deshalb habe ich frühestmöglich das Handtuch geschmissen. Alternativen hatte ich keine, denn als ich meine prinzipielle Wirkungslosigkeit erkannte, war's zu spät und für einen Neuanfang war ich zu alt und zu korrumpiert. 

(...)

Bitte? Nein, Bombenschmeißen hätte auch nichts gebracht, aus politischer Gewalt resultieren ausnahmslos Diktaturen.




(Schnackenberg, 1918, via wiki commons)





¹ Der Spruch stammt von Terry Pratchett, aber ich weiß nicht mehr, in welchem Text das auftaucht. 

² Konjunktiv von "willfahren"? "Willfahrten" oder "willführten"? Keine Ahnung! "Sie sagte, sie glaube, dass X und Y ihren Erwartungen willführten." ... Klingt falsch. Egal.

³ Ja, un-gegendert. In der Politik erreichst Du nur als machtgeiler, alter weißer Mann Machtpositionen, und dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wieviele X-Chromosomen Du hast, wann geboren und mit welcher Hautfarbe.







Samstag, 28. Oktober 2023

Lust auf Demokratie


In der Debatte um die scheinbar zunehmende Lust an individueller Unterordnung unter autoritäre Systeme hat mal jemand gesagt, man müsse, statt immer nur vernichtend gegen den Faschismus zu wettern, auch mal wieder klar sagen, was eigentlich das Geile an Demokratie ist. ¹

Hier meine spontane Sammlung:

Erstens: Am meisten liebe ich die Möglichkeit zu völlig diversen Lebensentwürfen, egal, ob politisch, sexuell, wirtschaftlich, gesellschaftlich, philosophisch usw. Mit Erstaunen, Interesse, Bewunderung, ungläubigem Kopfschütteln, mitunter auch angeekelter Ablehnung schaue ich mir allzu gerne an, was Menschen werden, wenn sie werden dürfen, wer sie sind. Und wiewohl ich selbst allzuoft viel zu faul und/oder zu feige war und bin, die Freiheit auszunutzen, in der ich leben darf, genieße ich das Potential des "Ich-könnte-auch-ganz-anders!" Immerhin könnte ich eines Tages. Das ist ein gutes Gefühl. Viel besser als "Ich würde gerne, aber irgendwelche Bratzen haben's verboten. Schade."

Zweitens genieße ich, dass in einer richtigen Demokratie die politischen Macht-Habenden nie so ganz sicher sein können, wie lange ihr Höhenflug dauert.² Politik in einer richtigen Demokratie ist immer ein bisschen wuseliger, unsicherer, unklarer. Niemand kann ungestraft "durchregieren", und das macht Entscheidungen in demokratischen Staaten auch ein bisschen lahmarschiger. Das nervt zwar manchmal, aber wannimmer ich dann denke, ein netter, aufgeklärter Monarch wie Friedrich II wär' doch auch mal wieder was, ist natürlich der Folgegedanke, was wohl passiert, wenn der Nachfolger des netten ein arschlöchiger Monarch wäre, und d'rum halte ich's mit Churchill, dass die Demokratie die schlechteste Regierungsform ist, abgesehen von allen anderen. 

Drittens geht eine richtige Demokratie logischerweise immer einher mit Rechtstaatlichkeit ³, denn die Goldene Regel ist nun mal ... tja ... die goldene Regel. Konkret heißt das, es gibt Gesetze, die mich vor der Übergriffigkeit staatlicher Stellen und Einzelner schützen.

Dazu ist vielleicht eine Erläuterung fällig: Neo-Nazis stellen sich einen autoritären, durchhierarchisierten Führer-Staat immer so toll, so klar und einfach und effizient und orrrdentlich vor. Die alltägliche Praxis für die Masse, die ganz normalen Volksgenoss*innen, ist aber, dass sie es meist nur mit den untersten Stufen dieser Hierarchie zu tun haben. Lasst Euch von Zeitzeugen mal erzählen, was Blockwarte waren. Vielleicht wisst Ihr aber auch aus eigener Erfahrung, was passiert, wenn ethisch und intellektuell unterbelichtete Arschlöcher plötzlich in die Lage versetzt werden, Macht auszuüben. Ich möchte mir nicht von einem kleingeistigen, sadistischen Nazi-Spießer vorschreiben lassen müssen, wie ich en detail mein Leben zu leben habe.

Alle fundamentalistischen Systeme fundamentieren letztlich auf dem kleinen, größenwahnsinnigen Blockwart ganz unten in der Machthierarchie. Der Diktator ganz oben tut Dir nix, der delegiert eigentlich nur. Ausgeübt wird die diktatorische Macht im Alltag von den dummen, nichtsnutzigen Arschlöchern ganz unten. 

Sowas hasse ich. Das ist ein ganz wichtiger Grund für mich, die Demokratie zu lieben!



(verändert via wiki commons)

Kann eine uniformierte Hackfresse wirklich Fetisch sein?
Will man sich denen wirklich devot unterwerfen?
Es ist unglaublich!




¹ Genaue Quelle und Wortlaut sind mir leider abhanden gekommen. Für Hinweise wäre ich dankbar.

² Jaaaa, ich weiß, die politisch Macht-Habenden sind sowieso nur die Lakaien der Konzerne, und wenn Protagonist*innen  abgewählt werden, fallen sie weich in hochdotierte Beraterverträge, und für die Mittelbauer gibt's die Operation Abendsonne. Leiden muss da niemand.   

³ Es sei denn, die Wahlberechtigten seien mehrheitlich völlig meschugge.





Dienstag, 24. Oktober 2023

Gute Sache: Wieder eine Wahl haben!

 

Klipp und klar:

  1. Ich kenne Frau Wagenknecht nicht, nur ihre mediale Selbstdarstellung
  2. und das, was andere Menschen - mit welcher Absicht auch immer - über sie kolportieren.
  3. Ich kenne natürlich auch das künftige Parteiprogramm nicht, nur das Gründungsmanifest ihres Parteigründungs-Vereins. 

Auf dieser mickrigen Daten-Basis urteile ich derzeit:

  1. Die Selbstdarstellung Frau W.s finde ich problematisch, weil eklig ego-zentriert; allein schon: den eigenen Namen in den Vereins-Namen aufzunehmen ... pfui!  
  2. Den Bewertungen, die Frau W. derzeit durch andere erfährt, traue ich nicht, da sie allesamt von Partialinteressen gesteuert sind.
  3. Das Gründungsmanifest enthält - meiner bescheidenen Meinung nach - sehr gute Ansätze, die den anderen Parteien völlig aus dem Blick geraten sind. Aber es enthält auch den Kardinalfehler aller sich links verstehenden Gruppen, es gelte, den Armen annähernd dasselbe Leben zu ermöglichen, das derzeit nur die Reichen führen können. Dass wir alle (!) unseren Konsum (d.h. Ressourcenverbrauch) dramatisch reduzieren müssen, um unseren Nachkommen eine lebenswerte Umwelt hinterlassen zu können, ist ein Gedanke, der mit der Diktatur des Proletariats unvereinbar scheint. 

Mit dieser Vorrede wollte ich nur klarstellen, dass ich über Personen und Inhalte des Projektes noch keine eindeutige, belastbare Meinung entwickelt habe. Ich weiß noch nicht, ob diese Partei für mich wählbar wird.

Aber:

Ich begrüße von ganzem Herzen und ohne jede Einschränkung, dass es überhaupt die Chance gibt, es könne künftig wieder eine wählbare Partei mit einem unterscheidbaren (!) Programm geben. Dafür gehört Frau Wagenknecht und ihren Mitstreiter:innen unser aller Dank, ganz unabhängig davon, was da noch kommt und was daraus wird. Denn eins ist doch wahr: Das aktuelle Angebot ist entweder erbärmlich, opportunistisch ununterscheidbar in seiner Beliebigkeit oder es ist erbärmlich und opportunistisch rechtsradikal (offen oder verlogen) und wir fragen uns alle, warum das Recht nicht angewendet wird, das ein Verbot der AfD nicht nur erlaubt, sondern fordert.     

Die Aufgabe der politischen Parteien ist in Art. 20 und 21 GG definiert. Da steht NICHT: "Die Aufgabe der Parteien ist, ihren Mitgliedern auf Kosten der Allgemeinheit den Arsch zu vergolden." Stattdessen sollen die Parteien Inhalts-Pakete schnüren, aus denen die mündigen Staatsbürger:innen das am wenigsten schlechte auswählen können. 

Wie grottenschlecht ist es um dieses Prinzip bestellt! Wie viel Hoffnung setze ich in das Wagenknecht-Projekt! Und wenn es nur dazu diente, dass die etablierten Parteien herausgefordert werden, endlich wieder mal klare Kante zu zeigen und das auch ein paar Jahre lang durchzuhalten. 



(via wiki commons)
1911 - doitsche Werbung wusste Anglizismen immer schon zu schätzen.






Sonntag, 22. Oktober 2023

Besinnliches nach Schreibpause



Lese gerade "Das infizierte Denken" von Anders Indset. Beeindruckend die Analysen zur Aufmerksamkeitsökonomie in den, ach, so sozialen Medien. Kurzgefasst: Statt Information nur noch hirnlos-grelles Brüllen um die höchsten Klickzahlen. Dadurch gehen verantwortungsvoller Journalismus, jeder vernunftbasierte Wissensbegriff und ergo jede sinnvolle Definition von Bildung zum Teufel.  

Habe mich gefragt, wie weit ich mit meinem Verhalten, z.B. mit diesem Weblog und auf Mastodon, beteiligt bin, dieseen Wahnsinn voranzutreiben. Vorläufige Antwort: Praktisch gar nicht, da bin ich vernachlässigbarer milliardstel Bruchteil, viele, viele Level unter der allgemeinen Wahrnehmungsgrenze.

Aber: Ich habe bemerkt, dass Klickzahlen mich zu interessieren begannen. Im Nachhinein stellte ich fest, dass meine Texte, seien es Weblog oder soziale Medien, immer häufiger Reaktionen auf andere Texte waren und nicht mehr nur schlichter, originärer Ausdruck meiner Denke. Ich wurde Teil des Systems, Teil der Milliarden Produzent:innen, die nach Indset gleichzeitig Konsument:innen sind und jene Kakophonie herstellen, die alles wirkliche Wissen und Denken totschlägt. 

Also lautet der Beschluss: Ich mache nicht mehr mit bei der world-wide schädlichen, verdummenden und narzisstischen Jagd nach Klicks, Likes und Reposts. Dieser Weblog wird (wieder) zu einem reinen Gedanken-Tagebuch. Öffentlich ist dieser Blog, ich sagte es schon an anderer Stelle, nur, damit ich bei aller kühnen Fabuliererei stets eine kritische Institution, das Publikum, egal, wie groß, im Hintergrund weiß. 

Ich diszipliniere mich selbst, indem ich meine Gedanken, wenngleich im bescheidenstmöglichen Rahmen, veröffentliche und indem ich sie, durch die Verschriftlichung, durch die Mühlen der Sprachlogik drehe.

Nicht weniger und nicht mehr ist, was dieser Weblog ist.       




Noilich zwischen Elfleth und Berne. Selbst mit Reflexion. 






Samstag, 14. Oktober 2023

Floskeln fallen lassen

 

Seit vielen Jahren benutzte ich, wenn ich meine politische Denke leicht-fasslich beschreiben wollte, die Formulierung "links-grün-versiffter Möchtegern-Gutmensch". Mir gefiel die ironsierende Übernahme der Nazi-und-Spießer-Terminologie, weil damit auch gleich klargestellt war, zu wem ich mich in Opposition sah und sehe.

Ich habe jetzt beschlossen, diese Formulierung nicht mehr zu verwenden. 

Links:

Die Klassifizierung links - rechts ist nicht mehr brauchbar. 

Warren Buffett  
hat die Sache auf den Punkt gebracht: "Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen". Zur Klasse der Reichen kann man auf diesem Planeten die Mitglieder von ca. 700 Familien-Clans zählen. Alle anderen 8 Milliarden Menschen, die berühmten 99 Prozent, gehören zu den Verlierern, d.h. Opfern dieses Krieges. Sich diesen Umstand bewusst zu machen, ist nicht links, sondern Mathematik. Wir sind - in einem ganz mathematisch-statistischen Sinne - nicht links, wir sind die Normalen.  

Nur dümmliche Opportunisten suchen ihr Heil darin, als Speichellecker und devote Diener des 1 reichen Prozents zu reüssieren.

Grün:

Es ist Quatsch, eine grüne Position zu haben oder nicht zu haben. Greta Thunberg hat in ihrer Rede vor der UN 2019 darauf hingewiesen, dass mehr als hinreichend belegt ist, dass unser Verhalten die Grundlagen für ein zukünftiges menschenwürdiges Leben zerstört. Das ist keine Frage mehr, über die noch weiter geforscht werden müsste, und auch die Gegenmaßnahmen und ihr extrem knapper Zeitrahmen sind völlig klar und unbestritten.

Würden wir unserer eigenen Species ernsthaft die Fähigkeit zur Vernunft unterstellen, dann müssten wir sagen: Ausnahmslos alle Individuen dieser Specie müssten mit allen verfügbaren Mitteln für den Erhalt ihrer Umwelt kämpfen. Das wäre  - wieder in einem streng mathematisch-statistischen Sinne - normales Verhalten.

Genau wie auf das Attribut "links" können wir auf das Attribut "grün" also verzichten. Es ist nichts Besonderes "links" und "grün" zu sein, es bedarf sprachlich-logisch ergo keiner Hervorhebung. Hervorheben müsste man, wenn Menschen auf der Seite der Superreichen kämpften und wenn sie entgegen aller kreatürlichen Vernunft weiter insistieren, ihre Lebensgrundlagen zu zerstören.

Die Psycho-Pathologie kann uns in beiden Fällen bestimmt mit Begriffen aushelfen.

Versifft:

Dem politischen Gegner Schmutzig-Sein zu unterstellen, ist ein ewig-uralter rhetorischer Winkelzug. Genau wie Rechts-Sein mit "rechtmäßig", "richtig", "aufrecht" usw. bewusst verknüpft wird. Blöderweise werden diese sprachlichen Taktiken immer nur von rechts nach links, von oben nach unten, von reich nach arm eingesetzt, nie umgekehrt. Das ist paradox, denn die Konzerne sind die Öko-Dreckschweine, und es ist einfach unge"recht", dass sie immer wieder die Macht haben, Schäden bzw. Verluste zu sozialisieren und Profite zu privatisieren.

Wir sollten uns angewöhnen, den "Siff" als ethische und rechtliche Schuld den Reichen zuzuordnen. Die FDP als lobbyversiffte Partei, die CDU/CSU als spießerversiffte, CEOs als profitversifft usw. usw. 

Gutmensch:

Diese sprachkritische Debatte ist hinreichend geführt worden, das muss ich hier nicht wiederholen. Nur zur Erinnerung die Kernfrage: Wem nützt es, Menschen, die sich ethisch korrekt verhalten wollen, zu diffamieren? Erinnert ein bisschen an die Frage nach der Logik der Bezeichnung "Menschenrechtler", die manchem Promi-Namen wie eine Berufsbezeichnung vorangestellt wird.

Allen Nazis of any colour and any kind zur Kenntnis: FÜR Menschenrechte einzutreten, ist die statistische Norm. Wäre es daher nicht tausendmal sinnvoller, zu erwähnen, wenn jemand GEGEN Menschenrechte ist? Vielleicht so: "Arschloch Trump besuchte die Arschlöcher in den VAE. Else Müller von Human Rights Watch kritisierte, dass ... blablabla." 

Klingt vernünftiger, finde ich.

Fazit:

Ich bin normal, weil ich im Kampf Reich gegen Arm nicht auf der Seite des 1 Prozent stehe, sondern auf der Seite der 99 Prozent. Ich bin normal, weil ich mich für den Erhalt einer menschenwürdigen Umwelt einsetze. Ich bin normal, weil ich die Menschenrechte für mich und folglich für alle Menschen beanspruche. 

Das klingt natürlich viel unspektakulärer und macht mich zu einem ziemlich langweiligen Typen. Aber als Selbstaussage ist es einfach zutreffender.



Schon schön, wenn von unter einer düsteren Schichtwolken-Fläche ins klare, freie Sonnenlicht fliegt.  


Out of the dark
Hörst du die Stimme, die dir sagt
Into the light
I give up and you waste your tears
To the night.
Falco



 


 



 

Sonntag, 8. Oktober 2023

Wahlempfehlung heute

 

Allzuoft habe ich in letzter Zeit öffentlich geklagt, es gäbe in Doitschland keine politische Partei, die ein sinnvolles inhaltliches Angebot machte, nur machtgeile Opportunisten-Vereine, deren Menschen und Phrasen austauschbar wären.

An dieser Kritik kann ich leider nichts ändern, aber die Menschen in Hessen und Bayern stehen heute vor einer Wahl, und Nicht-wählen ist natürlich keine Option.

Welches ist also die derzeit am wenigsten ungeeignete Partei?

Lässt sich schwer sagen, aber was mich beeindruckt, ist, dass es eine Partei gibt, die sowohl von den extremen und moderaten Linken als auch von den extremen und moderaten Rechten als auch von jenen, die gar kein Programm haben, außer, den Konzernen devot zu willfahren, attackiert wird. Das sind die Grünen.

Als guter Demokrat bin ich natürlich Wechselwähler, aber ich bin ziemlich sicher, heute würde ich die Grünen wählen. Wenn alle Anderen auf ihnen rumhacken, müssen die was Gutes haben, was mir bislang entgangen ist.


(verändert via wiki commons)

War damals das Gleiche mit Avatar I: Die Amis lehnten den Plot ab, weil er zu humanistisch ist und zu sehr an die First-Nations-Massaker, Vietnam etc. erinnert, die Chinesen haben den Film unterdrückt wegen Tibet, Tian'anmen und überhaupt. Wenn sowohl die extremsten Kapitalisten als auch die extremsten Kommunisten etwas scheiße finden, dann MUSS es einfach gut sein!






 

Freitag, 6. Oktober 2023

Die böse Banalität des Spießers

 

Aus ganz persönlicher Nostalgie lese ich gerade nach Jahrzehnten mal wieder C. Zentners "Drittes Reich und II. Weltkrieg". Der Einstieg über das Ende des Ersten Weltkriegs, die Versailler Verträge, Hitlers Jugend und beginnenden Aufstieg etc. ist - wie so oft - für meinen Geschmack zu teleologisch geraten, zu zwangsläufig werden die Geschehnisse als Ursachen für spätere (hier: katastrophale) Wirkungen beschrieben.

Aber: 

Was ich überraschend neu lese, ist, dass es zwischen dem Ende des Doitschen Kaiserreichs 1918/19 und der Übergabe der Macht an die Nazis 1933 viel weniger teuflische Bösartigkeit gab, als ich dachte. Unter dem Stichwort "Banalität des Bösen" stellte Hannah Arendt in der causa Adolf Eichmann fest, dass es da keinen mythisch-bösen Teufel gab, sondern nur einen fleissigen, beflissenen Verwaltungsfachmann, der kritiklos Aufträge ausführte. Es scheint, als müssten wir das Denken und Fühlen und das Wahlverhalten der Doitschen, die schließlich bereitwillig den Nazis alle politische Macht in die Hände legten, genau so betrachten.

Da waren keine besonders bösen oder besonders dumme Menschen am Werk. Da waren mittelmäßig normalböse bzw. normalgute und - wenn man sie fragen würde - vor allem gutmeinende Menschen am Werk, die durch die Folgen von Versailles angepisst und enttäuscht. vor allem aber verängstigt, verunsichert und orientierungslos waren. Das Ganze war geradezu blödsinnig banale Spießer-Kacke. 

Der aktuelle Trend zum Autoritarismus im Jahre 2023 steht also in deutlicher Tradition. Erwartet nicht, dass der aufhaltsame Weg in den Faschismus spektakulärer verlaufen wird. Das wird er nicht. Wenn wir nicht aufpassen, kommt der Faschismus wieder in vielen kleinen Schritten in die Köpfe der Leute.

Demokratie und Menschenrechte sterben nicht in kameratauglichen Explosionen auf der Straße. Sie sterben leise und unbeachtet in jeder*m Einzelnen. Die Faschos müssen dann nur noch abräumen.



Zeitgenössische Karikatur zur Machtübernahme Hitlers - via wiki commons



Ach, und übrigens: Denkt doch auch noch mal drüber nach, ob die Forderung nach russischen Reparationszahlungen in unbestimmter und unbegrenzter Höhe ein kluge Forderung sind, wenn man einen Krieg längerfristig beenden will.   







Dienstag, 3. Oktober 2023

Wir werden es nicht schaffen.

 

Ich mag mich nicht sonderlich für diese pessimistischen Gedanken, aber es bringt auch nix, die Zeichen an der Wand zu übersehen.

Experiment: 

  • Fahrt auf einer Bundesautobahn und stellt Eure evtl. vorhandene Geschwindigkeitsregelanlage auf 110 km/h ein. Betrachtet aus dieser Perspektive den Verkehr drumherum.
  • Betrachtet den prozentualen Anteil der SUVs und sagt mir, dass wir die anthropogene Klimakatastrophe noch abwenden können.
  • Betrachtet den prozentualen Anteil der Idioten-Raser und sagt mir, dass wir die anthropogene Klimakatastrophe noch abwenden können.
  • Betrachtet den prozentualen Anteil der Idioten, die nicht vorausschauend fahren, sondern bis kurz vor der Baustelle, kurz vor der Abfahrt, kurz vor dem Stauende die maximal mögliche Geschwindigkeit halten und dann voll in die Eisen gehen und sagt mir, dass wir die anthropogene Klimakatastrophe noch abwenden können.
  • Betrachtet den prozentualen Anteil der Idioten, die ihrem Auto mit Niederquerschnittsreifen, phallisch-bombastischen Pseudo-Auspuffanlagen und völlig wirkungsfreien Spoilern einen Hautgôut von Höchstgeschwindigkeits-Ufo geben wollen und sagt mir, dass wir die anthropogene Klimakatastrophe noch abwenden können.
  • Betrachtet den ständig steigenden Anteil von Lastkraftwagen, deren Unternehmer durch diese Transportmethode Profite machen, statt saftige Strafen wegen Umweltvergiftung zu zahlen und sagt mir, dass wir die anthropogene Klimakatastrophe noch abwenden können.
  • Betrachtet die schiere Masse von Kraftfahrzeugen (zählt die je eigenen selbstverständlich mit!) und sagt mir, dass wir die anthropogene Klimakatastrophe noch abwenden können.
  •  etc. etc.

(Rembrandt: Belsazar, via wiki commons)

Die Zeichen an der Wand in aktualisierter Übersetzung: "Ihr habt es verkackt, Ihr verfluchten Idiot*innen! Nicht, weil Ihr zu blöd, sondern weil Ihr zu faul und zu bequem wart. Ihr verdient keinen Funken Mitleid!"





 


Mittwoch, 20. September 2023

Anaerobier versus Homo sapiens


Heute Morgen ist mir nach langer Zeit mal wieder das Schlagwort "die große Sauerstoffkatastrophe" untergekommen. Kurz vergröbert geht es darum, dass vor 2,4 Milliarden Jahren einige Einzeller begannen, Energie aus Photosynthese zu gewinnen, statt beim guten, alten Verfahren zu bleiben, Schwefelwasserstoff (oder Was-auch-immer) zu verstoffwechseln. Die Photosynthese ist zwar  effizienter, erzeugt aber als Abfallprodukt auch überschüssigen Sauerstoff, der für die allermeisten damals lebenden Arten tödliches Gift war.

Zunächst fiel das nicht auf, da der freiwerdende Sauerstoff zunächst andere Stoffe oxidierte, bevor er sich in tödlichen Mengen in der damaligen Atmosphäre ansammelte. Das war ein sehr allmählicher Prozess, der über Hunderte Millionen Jahre dauerte, bis dann recht plötzlich ein Sättigungswert erreicht war, der alle Beteiligten existenziell bedrohte.

Woran erinnert uns das?

Nein, die Frage ist zu banal, die Parallele zu offensichtlich.

Aber ich schelte mich dafür, dass mein Unterbewusstsein seit heute Morgen praktisch pausenlos Dialog-Szenen entwirft, in denen technologie-offene Pro-Photosynthese-Cyanobakterien allen anderen erklären, wie geil, effizient, profitabel und sowieso völlig alternativlos Photosynthese ist, während die Bakterien der Gegenseite sehr klug und zurückhaltend und warnend über Grenzwerte, Risiko-Abwägungen, Kippunkte und so weiter räsonnieren, also kurzgesagt immer wieder nur ganz und gar lahmarschige Spaßbremsen-Szenarien entwickeln, die anständige, volksnahe Bakterien mit einer Aufmerksamkeitsspanne unter einer Zehntelsekunde gar nicht verarbeiten könnten, selbst, wenn sie es wollten.

Ich überlasse es der Kreativität der Leser*innen dieses Blogs, eigene Diskurse zu simulieren. Irgendwie ist es ganz lustig, den Einzellern die abgrundtiefe Dummheit und Absurdität unserer heutigen Klima-Debatte unterzuschieben, aber es auch traurig, weil a.) so ein planetares Massensterben nun mal per se nicht lustig ist und b.) wir feststellen, dass 2.500.000.000 Jahre evolutionärer Geistesentwicklung uns keinen Fatz schlauer gemacht haben, wenn es um die Lösung überindividueller existenzbedrohender Probleme geht. 

Im Vergleich zu den Bakterien, die es auch nicht geschafft haben, ihr selbstmörderisches Verhalten abzustellen, kann man uns bestenfalls attestieren, dass wir individuell noch hinterhältiger, geschickter und egoistischer geworden sind, wenn es darum geht, Nahrung zu beschaffen, ohne selbst Nahrung zu werden. Und wir haben manchmal richtig guten Sex. Das hatten die Bakterien per defintionem nicht. Aber darüber hinaus? Nö. Nix Neues. Nix gelernt.

Der Vergleich über 2,5 Milliarden Jahre hat aber auch was Beruhigendes: Klar hat's damals nahezu alle Lebewesen ausgerottet, und das wird diesmal auch wieder so sein. Aber vielleicht schlägt die Natur wieder nur eine neue Seite auf, vielleicht müssen wir die Klima-Katastrophe so zielgerichtet durchziehen, wie wir es gerade zu tun im Begriff sind, damit das nächste Kapitel frisch und frei beginnen kann. 

Könnte ich dabei sein, würde ich sagen, ich freu' mich drauf!



(verändert via wiki commons 1960)

Die Frage des Filmtitels evoziert natürlich ein klares "Nein!". Sollten wir mehrheitlich aber zu einem anderen Ergebnis kommen, dann ist es jetzt allerhöchste Zeit zu beweisen, dass wir doch schlauer sind als die Bakterien damals. 




 










Montag, 18. September 2023

Erratum und Korrektur

 

Ich habe hier einige Male mehr oder weniger offen darüber räsonniert, dass im Kapitalismus das Individuum nur eine einzige wirksame Möglichkeit habe, politischen Unmut zu äußern, und das sei der möglichst weitgehende Konsumverzicht¹, vielleicht auch, nadelstichartiger, der Boykott eines Konzernes oder Produktes. Und diese Methode sei desto schlagkräftiger, je mehr Konsument*innen solidarisch mitmachten.

Dabei habe ich übersehen, dass der Konsum nicht mal mehr 60 % des deutschen BIP ausmacht, Tendenz: weiter fallend. Wenn der private Konsum in Doitschland um 1,2 bis 3,9 % p.a. (je nach dem, welche Zahlen man zugrundelegt) sinkt, die Umsätze der Konzerne aber schlimmstenfalls um 0,3 % abnehmen, dann bedeutet das, dass die Konzerne sich immer mehr vom privaten Konsum in Doitschland emanzipieren und ihre Umsätze anderswo generieren, entweder mit anderen Konsument*innen und / oder durch Geschäfte mit anderen Konzernen.  

Wie auch immer: Die Rolle der doitschen Normalverbraucher schwindet dahin. Klar, es wird ein paar Verwerfungen im Einzelhandel geben, d.h. Firmen werden pleite gehen, die klassischen Verkaufsstellen werden aufgelöst, Millionen von Verkäufer*innen werden mittelfristig "freigesetzt", aber das ist Fußvolk, der Plebs, der allerunterste Teil der Nahrungskette. Den Profit der Konzerne tangiert das nicht, darf es auch nicht tangieren. ²

Laut unserer Verfassung (Art. 20 GG) geht alle Macht vom Volke aus. In der täglichen Praxis hingegen geht alle Macht von den verschiedenen Lobby-Verbänden der Wirtschaft, sprich: von den Super-Reichen, aus, vgl. Hildebrandt D.: "Politik ist der Freiraum, den die Wirtschaft ihr lässt." Und wenn nun auch noch Konsumverzicht bzw. Boykott als Mittel der Einflussnahme entfallen ³, haben wir, die Regierten, die wir eigentlich Souverän in diesem unserem Staate sein sollten, keinen Einfluss mehr auf die Lenkung dieses Staates.  In Worten: "null", in Zahlen: "0,00".

Ich halte die Korrektur, dass auch Konsumstreiks keine wirkliche Macht hätten, für wichtig. 

Jedenfalls dann, wenn wir davon ausgehen, dass gerade etwas ganz schrecklich falsch läuft und dass wir sehr pronto sehr grundsätzlich umsteuern müssen, wenn wir nicht in einer Umwelt enden wollen, in der menschliches Leben, das diesen Namen verdient, nicht mehr möglich ist. Und wenn die Lage mittlerweile so zugespitzt ist, wie sie ist, und wir uns folglich keine zeitraubenden Irrtümer und Illusionen in puncto Taktik⁴ mehr erlauben dürfen.

Die FDGO hilft nicht, der individuelle Konsumstreik, der Boykott, hilft auch nicht. Was bleibt denn noch, wenn man, wie ich, Gewalt als Mittel der Politik (und überhaupt) strikt ablehnt?   

Ich weiß es nicht. Beängstigend, oder?



Hicks E.: Noahs Arche, 1846 via wiki commons

Mit der Geschichte von Noahs Arche konnte ich nie was anfangen.
Was für ein arschlöchiger Scheiß-Gott, der alle seine Wesen elendig ersaufen lässt.
Bis auf ein paar Auserwählte ...
... die es, siehe Jesus, später auch wieder voll verkackten!







¹ Diese Protest-Methode könnte gleichzeitig Gutes gegen die Klima-Katastrophe tun, aber das ist ein anderes Thema.

²  "Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere." Marx K.


³ In dem Zusammenhang dürfen wir auch nicht vergessen, dass Konsumverzicht und Boykott nie nennenswert stattgefunden haben, weil die doitsche Mittelstandskrampe zu sowas grundsätzlich zu dumm, zu faul, zu feige, zu spießig und zu bierärschig ist.

⁴ Beispiele für taktische Irrtümer:

  • Wir machen das mit demokratischen Mitteln.
  • Wir boykottieren. Z.B. Nestlé.
  • Wir sind technologieoffen, "die Wissenschaft" findet eine Lösung.
  • Der Markt regelt das.
  • Der Herrgott wird's scho' richten.
  • Nach mir die Sintflut.
  • ...



Sonntag, 3. September 2023

Nach Art des Paul K.

In letzter Zeit bin ich schreibfaul. Andere Dinge dominieren über die Lust an der Textklopperei.

Aber Bilder gipps genug. Landschaftsbilder. Kennt Ihr Paul Klees "Hauptwege und Nebenwege" von 1929?

(via wiki commons)



Ok, Klee hat andere Farben verwendet, aber das folgende hätte er bestimmt "Strömung" genannt.


Und wie er das genannt hätte, weiß ich nicht:



Für das folgende Bild muss man eher ein Zitat aus Coppolas "Apocalypse Now" bemühen: "Ich liebe den Geruch von glühendem Edelstahl am Abend, weil es nach einem geilen Flug riecht!"



Man müsste noch den haut goût verbrannten und unverbrannten Motoröls und Benzins erwähnen und die Wärme, die vom Motor aufsteigt, aber dann wäre der Rhythmus des Zitats im Eimer und richtig beschrieben wäre es ohnehin nur, wenn man es schaffte, das Konglomerat aus all dem in Worte zu fassen. Keine Chance!






 

Dienstag, 22. August 2023

Warum wir es definitiv verkacken.

 

Ein Kommentator der ARD fühlt mit der Bundesregierung, die den dringenden Empfehlungen der Wissenschaftler*innen des Klimaschutzrates nicht folgen mag, da der Wählerwille in der Sache so uneinheitlich sei, wie man aus Umfragen und Debatten entnehmen könne. Demokratische Parteien, so der Kommentator, müssten, anders als die Expert*innen, eben auch die nächsten Wahlen im Blick behalten. Klimaschutzmaßnahmen dürften die Gesellschaft nicht weiter spalten und müssten darüberhinaus zu einem wirtschaftlichen Erfolg führen.  

Ich übersetze: Parteipolitischer Egoismus und der besinnungslose Wille zum Machterhalt gehen selbstverständlich vor Vernunft. Die Doktrin unbedingten, grenzenlosen Wachstums  gilt unhinterfragt bis zum Verrecken.

Nun gut. Das war's dann.

Was ich mir gewünscht hätte - und wie Demokratie eigentlich funktioniert: Verantwortliche und verantwortungsbewusste Politiker*innen, die klug genug sind, die sich abzeichnende menschenverursachte Katastrophe sachlich richtig als solche zu erfassen und die bereit sind, ihre ihnen vom Souverän des Staates, den mündigen Bürger*innen, übertragene Macht einzusetzen, um die Katastrophe abzuwenden. Seien die dazu notwendigen Maßnahmen auch unpopulär, wüteten die Lobbyisten auch noch so sehr und koste es schließlich auch Mandate in der nächsten Legislaturperiode. 

So hätte ich mir das vorgestellt. Und würde das gesamte Kabinett bei der nächsten Wahl ganz demokratisch abgewählt, dann könnten sie sich wenigsten in dem Bewusstsein suhlen, das Richtige getan zu haben. Aber nicht einmal die Grünen konnten sich dazu entschließen.

Und alle Welt scheint diesen schmierigen, erbärmlichen und mörderischen Opportunismus unserer Führungs-Camarilla für völlig normal und ganz verständlich zu halten. 

Wie sehr ich diese feigen Egoist*innen verachte!

Wir werden es nicht packen. Wir haben es auch nicht verdient. 




Bracht E.: Gestade der Vergessenheit, 1889, via wiki commons






Sonntag, 20. August 2023

Wach bleiben!


Aus morgendlichem Tran weckte mich heute diese Guardian-Titelzeile:


Schien mir plausibel, dass im transphoben Russland so eine Transition eine gute Tarnung für Kriegsverbrecherinnen der Wagner-Truppe darstellt. Aber irgendwas schien seltsam an dieser Interpretation, so dass ich den Goggel-Übersetzer deaktivierte.


(Abbildungen stark verändert via Gaurdian.com)

Es soll hier nicht die Angst der Frauen marginalisiert werden. Vor allem soll hier aber nicht hämisches KI-Bashing stattfinden. Ich nutze die Übersetzer aus allmorgendlicher geistiger Bequemlichkeit beim "Zeitunglesen" oft und gerne und bin mit den Ergebnissen insgesamt absolut einverstanden.

Was mir aber gerade wieder bewusst geworden ist:

  • Eine KI¹ kann Vokabular übertragen und, wenn sie gut ist, grammatische Strukturen richtig umsetzen.
  • Eine KI kann, wenn sie richtig, richtig gut ist, vielleicht auch punktuell aus dem Kontext die je plausiblere Übersetzungs-Alternative richtig erraten.² 
  • Eine KI hat aber null Ahnung davon, ob die Transitions-Geschichte, die mir als Erstes durch die Birne fuhr, sinnvoll denkbar ist. Wir respektieren dabei, dass die o.g. Übersetzung ins Deutsche fachlich nicht wirklich falsch ist. Sie ist nur total bescheuert.

Daraus folgt:

  1. Wir müssen stets die Ergebnisse von KIen als solche erkennen können, um sie auf ganz bestimmte Plausibilitäts-Fehler hin zu prüfen.
  2. Den kulturellen Kontext können nur wir Menschen herstellen. Das ist ein aktives, gestalterisches Tun, denn Kultur ist, Tag für Tag, ein soziales Konstrukt.
  3. Dieses Alleinstellungsmerkmal dürfen wir uns von den Maschinen nicht aus der Hand nehmen lassen. Bequemlichkeit hin oder her.
  4. Wir müssen die Defizite ³ der KI in allen Lebensbereichen, nicht nur beim Übersetzen, stets kritisch im Auge behalten. Wenn wir nicht die Maschinen beherrschen, beherrschen die Maschinen uns.


(verändert via wiki commons)

Susan Calvin: Das Gehirn des Roboters ist eine Differenzmaschine. Es liest Vitalsigns. Es muss getan haben ...
Detective Del Spooner: Es hat getan. Ich war die logische Wahl. Es wurde berechnet, dass ich eine Überlebenschance von 45% hatte. Sarah hatte nur eine Chance von 11%. Das war jemandes Baby. 11% sind mehr als genug. Ein Mensch hätte das gewusst.

I Robot





¹ Ich habe soeben "Bard" gefragt, ob Übersetzungsprogramme KI nutzen. Die Antwort lautet, kurzgefasst: "Ja."

² Da habe ich mit DeepL schon äußerst vielversprechende Erfahrungen gemacht.

³ Ja, Defizite! Kommt mir in diesem Zusammenhang nicht mit Defizit-Differenz-Diskussionen. Nicht bei KI!






Samstag, 19. August 2023

Warmluft-Meditation


Vor knappen 40 Jahren gab es an der norditalienischen Adriaküste noch Strandabschnitte, die zwar nicht völlig menschenverlassen waren, aber abends doch so verwaist, dass man sich da mit 'ner Buddel Rotwein und 'nem Päckchen Tabak hinfläzen konnte, um friedlich dem Meer bei seinem Meer-Sein zuzuschauen. An den Strand klatschende oder - je nach Größe - auch nur schwappende Wellen versetzen Dich in meditative Stimmung, und angesichts der Weite fängste garantiert am Philosophieren an. Du kannst Dich an Meer niemals satt sehen. Völlig ausgeschlossen.

Und genauso geht es mir mit dem Raum zwischen Himmel und Erde, dem natürlichen Aufenthaltsort der Low&Slow-Flieger:innen. Deshalb die vielen Bilder-Postings.

Die Bedingungen heute Vormittag waren Milchglas, nicht so ganz das Zentrum meiner Comfort-Zone. Aber das Verschwinden der Welt in der Ferne hat was. Du fokussierst auf das Naheliegende.



Eine Inversionsschicht macht zwar die Luft ruhig, sammelt aber auch den Dreck der darunterliegenden Schichten. Ist der graue Streifen rechts, knapp über dem Horizont erkennbar? Noch weiter rechts liegen Hafen und Industriegebiete von Bremen.



Das Naheliegende. Siedlungsformen. Firmengelände. Die Low&Slow-Perspektive zeigt, wo es aufgeräumt zugeht und wo nicht so. Dazwischen immer mal wieder kleine, isolierte Grundstücke, bei denen ich denke: "Sieh an, da hat sich jemand einen muckeligen Rückzugsort geschaffen."
 


Und die Erfahrungssammelei hört nie auf. Ja, man kann bei diesem Wetter barfuß und ohne Kombi fliegen. Aber ich hätte daran denken sollen, wie sehr ein Hosensaum bei 70 km/h flattert. Nicht wirklich schmerzhaft, nur ziemlich unangenehm. Enganliegende Klamotten sind angesagt!

Dass kurze Hosen überhaupt nicht gehen, habe ich frühzeitig gelernt. Mein recht starke Beinbehaarung wirkt wie ein Fangnetz für Kleininsekten. Und auch wenn ich mir die Beine rasierte, bliebe da als weiteres Problem die Sitzhaltung, die dazu führt, dass durch kurze Hosenbeine Dinge in großer Intensität belüftet würden, bei denen ein gewisses Maß an Luftigkeit zwar sehr angenehm, ein Übermaß jedoch sehr unangenehm sein kann. 








Freitag, 18. August 2023

Klare Worte, bitte!

 Als ich das gelesen habe:

zitiert aus: https://www.deutschlandfunk.de/newsblog-zum-krieg-in-der-ukraine-100.html

verspürte ich eine definitorische Unsicherheit in puncto "Offensive". Ich bin kein Militär-Experte, aber assoziierte bislang mit "Offensive" ein Angriffsgefecht, das zeitlich und räumlich pointiert ist und etwas Schlagartiges, bestenfalls Überraschendes haben sollte. Würde der gute, alte Clausewitz eine mehr als zwei Monate andauernde Operation, in deren Verlauf eine weitere Rekrutierungskampagne durchgeführt wird und die bislang keine wesentlichen Ergebnisse gezeitigt hat, noch als "Offensive" bezeichnen? Wenn das, was in der Ukraine gerade läuft, eine Offensive ist, wie sieht dann "Stellungskrieg" aus?

Warum besteht die ukrainische Führung darauf, dass die westliche Propaganda die Patt-Situation im Osten der Ukraine weiterhin als laufende "Gegenoffensive" verkauft? Fürchtet man, ein Eingeständnis des Gescheitert-Seins der Gegenoffensive könnte die wachsende Lustlosigkeit der bisherigen Geldgeber beschleunigen? Spürt Selenskij den Angst-Hauch im Nacken, angesichts der Aussichtslosigkeit der militärischen Bemühungen (mit dem Ziel einer Niederlage Russlands) müsse der Krieg vielleicht doch am Verhandlungstisch beendet werden?

Das sind natürlich wüste Spekulationen. Eigentlich stört mich nur, dass hier ein weiterer Begriff  propagandistisch  pervertiert, das heißt: sinnverdreht, wird. Und zwar auf so eine offensichtliche und augenzwinkernde Art, die signalisiert "Ich weiß, dass Du weißt, dass ich weiß, dass die Offensive gescheitert ist, aber das sagen wir natürlich nicht öffentlich..." Ich glaube, in der gesprochenen Sprache werden wir demnächst den Glottisschlag einsetzen, wenn wir von der "ukrainischen ʔ Gegenoffensive" sprechen. 

So subtile Siglen der Skepsis lieb' ich eigentlich sehr¹, aber es besteht die Gefahr, dass das Unausgesprochene uns den Blick auf die Realität verstellt. Da die Propaganda aller direkt und indirekt Beteiligten dieses Konfliktes so abgrundtief dümmlich und grob ist, gibt es keinen Raum für kluge Subtilität.

Die ukrainische Gegenoffensive ist gescheitert. Spätestens jetzt wird es Zeit, einzugestehen, dass eine totale militärische Niederlage Russlands keine realistische Option für die Beendigung dieses Krieges ist. Wer anderes behauptet, belügt das Publikum mit beleidigender Plattheit und setzt sich der Frage nach den Motiven aus.




Ejakulierende B-52 - verändert via wiki commons






¹  Wir Doitschen kennen das zum Beispiel aus der Nazi-Zeit, als "Endsieg", "Frontbegradigung" und "hinhaltender Widerstand" von den Wissenden entsprechend kommuniziert wurden.