Mittwoch, 20. September 2023

Anaerobier versus Homo sapiens


Heute Morgen ist mir nach langer Zeit mal wieder das Schlagwort "die große Sauerstoffkatastrophe" untergekommen. Kurz vergröbert geht es darum, dass vor 2,4 Milliarden Jahren einige Einzeller begannen, Energie aus Photosynthese zu gewinnen, statt beim guten, alten Verfahren zu bleiben, Schwefelwasserstoff (oder Was-auch-immer) zu verstoffwechseln. Die Photosynthese ist zwar  effizienter, erzeugt aber als Abfallprodukt auch überschüssigen Sauerstoff, der für die allermeisten damals lebenden Arten tödliches Gift war.

Zunächst fiel das nicht auf, da der freiwerdende Sauerstoff zunächst andere Stoffe oxidierte, bevor er sich in tödlichen Mengen in der damaligen Atmosphäre ansammelte. Das war ein sehr allmählicher Prozess, der über Hunderte Millionen Jahre dauerte, bis dann recht plötzlich ein Sättigungswert erreicht war, der alle Beteiligten existenziell bedrohte.

Woran erinnert uns das?

Nein, die Frage ist zu banal, die Parallele zu offensichtlich.

Aber ich schelte mich dafür, dass mein Unterbewusstsein seit heute Morgen praktisch pausenlos Dialog-Szenen entwirft, in denen technologie-offene Pro-Photosynthese-Cyanobakterien allen anderen erklären, wie geil, effizient, profitabel und sowieso völlig alternativlos Photosynthese ist, während die Bakterien der Gegenseite sehr klug und zurückhaltend und warnend über Grenzwerte, Risiko-Abwägungen, Kippunkte und so weiter räsonnieren, also kurzgesagt immer wieder nur ganz und gar lahmarschige Spaßbremsen-Szenarien entwickeln, die anständige, volksnahe Bakterien mit einer Aufmerksamkeitsspanne unter einer Zehntelsekunde gar nicht verarbeiten könnten, selbst, wenn sie es wollten.

Ich überlasse es der Kreativität der Leser*innen dieses Blogs, eigene Diskurse zu simulieren. Irgendwie ist es ganz lustig, den Einzellern die abgrundtiefe Dummheit und Absurdität unserer heutigen Klima-Debatte unterzuschieben, aber es auch traurig, weil a.) so ein planetares Massensterben nun mal per se nicht lustig ist und b.) wir feststellen, dass 2.500.000.000 Jahre evolutionärer Geistesentwicklung uns keinen Fatz schlauer gemacht haben, wenn es um die Lösung überindividueller existenzbedrohender Probleme geht. 

Im Vergleich zu den Bakterien, die es auch nicht geschafft haben, ihr selbstmörderisches Verhalten abzustellen, kann man uns bestenfalls attestieren, dass wir individuell noch hinterhältiger, geschickter und egoistischer geworden sind, wenn es darum geht, Nahrung zu beschaffen, ohne selbst Nahrung zu werden. Und wir haben manchmal richtig guten Sex. Das hatten die Bakterien per defintionem nicht. Aber darüber hinaus? Nö. Nix Neues. Nix gelernt.

Der Vergleich über 2,5 Milliarden Jahre hat aber auch was Beruhigendes: Klar hat's damals nahezu alle Lebewesen ausgerottet, und das wird diesmal auch wieder so sein. Aber vielleicht schlägt die Natur wieder nur eine neue Seite auf, vielleicht müssen wir die Klima-Katastrophe so zielgerichtet durchziehen, wie wir es gerade zu tun im Begriff sind, damit das nächste Kapitel frisch und frei beginnen kann. 

Könnte ich dabei sein, würde ich sagen, ich freu' mich drauf!



(verändert via wiki commons 1960)

Die Frage des Filmtitels evoziert natürlich ein klares "Nein!". Sollten wir mehrheitlich aber zu einem anderen Ergebnis kommen, dann ist es jetzt allerhöchste Zeit zu beweisen, dass wir doch schlauer sind als die Bakterien damals. 




 










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