Samstag, 2. Juli 2016

Hört doch endlich mal auf!


(Hoffentlich stark genug verfremdet aus: harlinger.de 01.07.2016 -  *1)

Ganz reizend: Wiederindienststellung des Jagdgeschwaders 71 "Richthofen" als vollständiges Geschwader. Das Titelbild des "Harlingers" zeigt u.a. einen Eurofighter, dem ein Cleverle das Muster der "schwarzen Tulpe" auf die Entenflügel gemalt hat, persönliches Signet von Erich Hartmann, dem deutschen Piloten, der im Zweiten Weltkrieg (und überhaupt) die meisten Flugzeuge abgeschossen hat, ganz, ganz überwiegend russische. Außerdem war Hartmann der erste Kommodore des JG 71. Und schließlich war Hartmann einer der Unzähligen, die "das Wunder der Nacht vom 08. auf den 09. Mai 1945" erlebten: Als treuer Gefolgsmann des Führers eingeschlafen und als strammer Demokrat und Eigentlich-immer-schon-irgendwie-dagegen-Gewesener wieder aufgewacht.

Richthofen und Hartmann, zwei unkritische Abschießer, die erfolgreichsten in ihrem Metier, der eine im Ersten, der andere im Zweiten Weltkrieg, aber insgesamt auch nur peaks in einer blutigen Statistik, ansonsten typische Kinder ihrer Zeiten. Wir Nachgeborenen und Nicht-in-der-Situation-Gewesenen sollten uns am besten zurückhalten, Menschen wie Manfred v. Richthofen oder Erich Hartmann ethisch zu beurteilen. Das bedeutet aber auch, wir sollten uns, bitteschön, sehr damit zurückhalten, sie positiv zu beurteilen.

Hier ein paar Beispiele zur Helden-Rezeption:

 (via wiki commons)
In the beginning. Hartmanns Me 109, Ostfront, irgendwann spät im Krieg, als es schon richtig kacke lief. Man beachte das Motiv der "schwarzen Tulpe" am Bug.

 (via wiki commons)
Ok, der Krieg lief zwar schon längst final kacke und man war auch ethisch ganz offensichtlich und definitv auf der falschen Seite, aber wenn man dafür die "Brillianten zum Eichenlaub mit Schwertern zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes" bekommt, dann wird man sich doch trotzdem auch mal freuen dürfen, oder?


 (via wiki commons)
Der bruchlose Übergang. Amerikanische oder kanadische F-86 aus der Anfangszeit der Bundeswehr, Mitte / Ende der 1950er. Schlecht erkennbar das fingierte "Richthofen-R" als Geschwaderwappen. Das Zackenmuster der Tulpe ist allerdings deutlich und wird nun auch auf dem Seitenleitwerk wiederholt. Diese Maschine steht jetzt als Denkmal im Eingangsbereich des Geschwaders.

Tja, das war ja auch die Zeit des Kalten Krieges. Da wurde so ein begnadeter Russen-Abschießer wie Hartmann natürlich gern gehypt, auch und gerade von der angelsächsischen Seite:


Heldenverehrung 1972. Das Buch von Toliver und Constable wird auch im Jahre 2016 immer wieder neu aufgelegt. Im Motorbuch-Verlag, is' klar.


Hier das Cover der ungarischen Ausgabe von 1998. Die trauen sich wenigstens, klar zu sagen, wo's lang geht.

Außerdem ist ein früh-bundesrepublikanischer Geschwader-Kommodore Hartmann auch zwingend notwendig: Richthofen, dessen Namen das Geschwader trägt, hat nur Franzosen, Engländer und Amis abgeschossen, also die jetzigen NATO-Partner. Wenn man diese Botschaft so alleine stehen lässt, könnten Leute auf die Idee kommen, dass kriegerische Konflikte zwischen Nationen ziemlich zufällige, austauschbare und ergo hirnverbrannte, unlogische und durch nichts zu legitimierende Veranstaltungen seien. Eine Figur wie Hartmann mit der Geschwader-Geschichte zu verbinden, weist da wieder auf den rechten Weg: Nach Russland.

Allmählich wird's kitschig

Hartmann verkommt zum "blonden Ritter", zum Marketing-Objekt. Hier bei den Modellbauern, aber er mischt da offensichtlich auch selbst mit, denn professionelle Autogrammjäger bieten für 396,00 $ eine gleichnamige Autogrammkarte an.


 Sage also bitte niemand, Hartmann habe auch davon nix gewusst.

Und wen wundert's, wenn die Fascho-Bratzen weltweit auf den Zug aufspringen? Ich werde hier weder weitere Beispiele noch Quellenangaben liefern, aber prüft bitte mal selbst: Erich Hartmann ist auch weltweit zur Ikone der Neonazis geworden.







Und damit zurück zu dem Eurofighter und seiner Tulpen-Lackierung. Irgendjemand hat sich mal wieder für total clever gehalten, dieses Muster, das nur Insidern bekannt ist, mal wieder unterzubringen. Wahrscheinlich beschert es demjenigen gerade einen heimlichen Orgasmus, dass er ein klandestines Zeichen des Militarismus so prominent placieren konnte. Vielleicht ist es nur ein ahnungsloser Idiot. Vielleicht ist es ein überzeugter Nazi.

Wie auch immer: Es ist besorgniserregend.




(via wiki commons)
Die Verkleidung spielt keine Rolle. Idioten erkennt man am Verhalten.


[*1] Der Artikel trägt übrigens die Schlagzeile "Denkwürdiger Moment". Herrlicher Zynismus? Egal, ich schließe mich dem immanenten Appell an.




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