Ich muss zugeben: Auch ich fühlte mich kurz gebauchpinselt, als Trump die Antifa zur terroristischen Organisation erklärte. Man konnte sich so herrlich als Mitglied bzw. Sympathisanty einer verfolgten Gruppe fühlen, sich in einer Reihe mit Tom Hanks, Sting und all' den anderen geschassten Künstlerys sehen, vielleicht sogar den Brückenschlag zu den Widerständlerys des Nazi-Regimes für sich beanspruchen ...
Alles Schwachsinn. Antifa ist seit jeher eine schwiemelige, molluskenhafte Selbstbezeichnung, sowohl bei uns als auch in Ämmerikor. Da steht nirgends eine konkrete Organisation hinter und erst recht kein politisches Programm. Antifa taugt nicht mal als Sammelbezeichnung für Leute, die gegen Faschismus sind, denn gegen Faschismus zu sein ist genau so banal wie für Menschenrechte zu sein. Das Wort Antifa ist völlig ausgeleiert, jedy Deppy kann Antifa sein.
Ein Wort, das alles erklärt, erklärt nichts. (Popper K.)
Innerhalb der Antifa gab (und gibt?) es außerdem Strömungen, die Gewalt, auch militante, d.h. organisierte, bewaffnete Gewalt für ein Mittel des politischen Diskurses halten. Aus persönlicher Erfahrung aus den 1980er Jahren weiß ich, dass es da einige sehr kleinpimmelige Großsprecher gab, die den gewaltsamen Systemwechsel propagierten, zum Glück aber Lichtjahre von der Entschlossenheit entfernt waren, das auch umzusetzen.
Von diesen Strömungen hat Antifa sich nie distanziert, und das ist für mich, der ich Gewalt als Mittel der Politik ausschließe, ein Killer-Argument. Ich werde mich keinesfalls als Antifa-Fuzzy definieren. Links ja, gegen Faschismus, für Menschenrechte, FDGO etc. etc. ja, ja, ja. Antifa nein.
Eine bittere persönliche Erfahrung sagt mir auch, dass es in naher Zukunft ein paar subklinische Psychopathen geben könnte, die den Begriff einfach für sich kapern und sich zu Führerys der Antifa aufschwingen, schlicht durch Selbst-Akklamation und die Unterstützung ein paar weniger Speichelleckys. Und dann stehe ich da mit meiner Aussage, ich sei Antifa, aber DAS habe ich nicht gewollt, blablabla ...
Mir ist das so gegangen, als ich eine zeitlang sagte, ich stünde der buddhistischen bzw. taoistischen Philosophie nahe und als dann ein paar myanmarische Äbte buddhistischer Klöster zum Völkermord an den Rohingya aufriefen. Oder als ich auf einer Demo für oder gegen irgendwelche Hochschulpolitik war und plötzlich eine kleine Schar marxistisch-leninistischer Knallchargen sich mit Riesen-Bannern an die Spitze des Zuges und der Rednery-Liste setzten. Oder als die christliche Lehre im 4. Jhdt. n. Chr. in die Hände fanatischer alter, weißer¹ Männer fiel. Oder als die ersten kommunistischen Führerys die Ideen Marx' pervertierten ...
Und schließlich: Es gibt überhaupt keinen Grund, stolz darauf zu sein, sich "Antifa" zu nennen. Denn wie Du Dich definierst, ist den Nazis, und damit meine ich auch die Trumps, Erdogans, Orbans, Putins usw., scheißegal. Und mehr noch: Ich glaube, Trump beömmelt sich köstlich darüber, wie sich jetzt alle über sein Antifa-Verbot empören. Mit einer einfachen Geste hat er der progressiven Linken so viel Energie geklaut - das ist "flood the zone" at its best.
Und warum sollte es irgendeinen Autokraten interessieren, für wie "antifa" Du gelten möchtest? Das ist in der Tat völlig wumpe, denn Du bewirkst ja nichts. Die Aussage "Seht, ich bin Antifa!" ist bestenfalls geistige Masturbation.² Schlimmstenfalls blockiert sie den Blick auf das, was wirklich konkret getan werden könnte.
in kritischer Zeit und durchaus mit persönlichem Risiko
dass die eine Flagge schwarz wird,
um neben dem Kommunismus auch den Anarchismus zu symbolisieren?
¹ Ich sag's gerne immer wieder: Auch lesbische schwarze Menschen mit Behinderungen können alte weiße Männer sein.
² Ja, das kann man diesem Blog auch vorwerfen. Ich bin mir der weitgehenden Wirkungslosigkeit dieses Blogs als Instrument politischer Auseinandersetzung bewusst.