Sonntag, 19. April 2015

Mene mene tekel upharsin


Überfliege gerade mal wieder ein "Kundenmagazin" einer großen Buchhandelskette. Interessant, die Kurz-Biographien der AutorInnen und die Kurz-Inhaltsübersichten ihrer Romane.

In vielen Biographien liest man da sowas:  " ... studierte drei Semester Philosophie und Literatur, ging dann aber für ein  Jahr nach Australien, um das Land und seine Menschen kennenzulernen ..."; " ... mit Mitte 30 gab sie ihre Tätigkeit als Mediengestalterin auf, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Zwei Jahre später debütierte sie mit ihrem Erstlingswerk ... "

Und die Inhalte: "Die gutaussehende, erfolgreiche Architekturstudentin findet im Nachlass ihrer Mutter Briefe ihres Vaters, den sie nie kennengelernt hatte. Sofort macht sie sich auf nach New York, wo sie nach einem halben Jahr der Suche ..." oder "Eine mysteriöse Frau schlägt XYZ in ihren Bann. Er folgt ihr durch halb Europa. In Istanbul kommt es zu einer dramatischen Begegnung ..." oder "Drei Jahre lang bereitet ZYX akribisch seine Expedition vor. Seine Ausstattung entspricht dem neuesten Stand der Technik ..."

Was haben AutorInnen und Protagonisten gemeinsam? Offenbar jede Menge Zeit! Offenbar jede Menge Kohle! Offenbar keinerlei private / menschliche Verbindlichkeiten! Es freut mich natürlich für die AutorInnen, wenn die tatsächlich so ein locker-flockig-leichtes Easy-peasy- Leben haben, und gewiss bin ich auch ein bisschen neidisch.

Aber die Texte? Och nöö! Gewogen und für zu leicht befunden. Das ist alles so unrealistisch, so wenig anwendbar. Da entstehen keine Friktionen, die das Handeln einer Figur doch erst spannend machen. Die Leseproben erinnern viel zu sehr an die überbelichtete aber inhaltsleere Raffaello-Werbung. Das Schlimmste, was man über literarische Texte sagen kann: Nichtssagend.

Die Fernsehwerbung kann man wegzappen, die Bücher können ungekauft bleiben.






Übrigens: Wär' ich die Tussi aus der Raffaello-Werbung, würd' ich mich erschießen.

(via wiki commons)





Freitag, 17. April 2015

Vogelbeobachtung


Gemäß Empfehlung der Umwelverbände füttere ich Vöglein nun ganzjährig. Nun ist in meinem Garten reichlich Flug- und Fressbetrieb und ergo reichlich Lehrhaftes zu beobachten:

Spatzen hauen sich untereinander gerne kurz und herzlich, sind aber zu Meisen freundlich, rücksichtsvoll und zurückhaltend. Meisen sind sowohl untereinander als auch gegenüber ähnlichen Spezies stets freundlich. Die fetten Amseln sind dumm, bierärschig, egoistisch und übermäßig und blindlings gewaltaffin. Finken sind introvertierte Einzelgänger und stehen immer am Rande. Tauben sind friedlich, nett, aber dumm, kacken alles voll, und strapazieren Toleranz und Tierliebe. Dohlen und alle möglichen Krähen, Raben und Elstern sind wirklich intelligent und machen den Eindruck, dass hingehängte Meisenknödel zu einfach, zu wenig intellektuelle Herausforderung und daher uncool sind. Und dann ist da noch der retardierte Jungspecht, der sich über die Meisenknödel hermacht, statt sich stolz art- und altersangemessenen Jagd- und Fressverhaltens zu befleißigen.

Ich lerne: Vögel sind auch nur Menschen sind auch nur Vögel.






Mittwoch, 15. April 2015

Flexibel bleiben!



Ein überaus engagierter und namhafter Förderer der ostfriesischen Sprache forderte jüngst käseblattöffentlich, die SprecherInnen des Ostfriesischen sollten alltäglich stur und stolz bei ihrer Sprache bleiben, gerade auch, wenn ihr Gegenüber nur Hochdeutsch spräche.

Ich stelle klar: Ich mag die ostfriesische Sprache gerne hören, was bei mir durchaus nicht für jeden deutschen Regiolekt gilt. Und ich mag selbstbewusste Menschen. Es ist für mich auch völlig verständlich, wenn besagter Förderer überzeugt ist, er könne mit Ostfriesisch bestimmte Dinge präziser ausdrücken. Jede/r BayrIn, jede/r Schwäbli wird das analog bestätigen.

Aber: Wenn ich ernsthaften Gesprächs- bzw. Beratungsbedarf bei finanziellen, technischen, medizinischen, juristischen und menschlichen Sachverhalten habe, wenn es also um etwas Relevantes geht, dann insistiere ich jederzeit auf größtmögliche Annäherung an die in Deutschland geltende Amtssprache. Und das ist keineswegs arrogant.

Sprache dient. Sprache dient der Verständigung. Wer Sprache als lokalpatriotischen Knüppel - sagen wir verbindlicher: als Hebel - missbraucht, macht was falsch.



(verändert via wiki commons)
Man kann auch auf unauffällige, diskrete und selbstironische Weise selbstbewusst seine Heimat lieben.







Dienstag, 7. April 2015

Feststellung


Öst'reich jewesen. Jenauer jesacht: Ötztal, Tirol. Tächlich dortije Lokalzeitung jelesen. Festjestellt: Nur weil 'ne Tageszeitung sich an ländliche, vermutlich eher konservative Leserschaft richtet, muss es noch lange keine schmierige, spießige Provinz-Postille sein wie der "Harlinger Anzeiger".

Tiroler Tageszeitung, janz formidables Blatt. Natürlich auch lokale und regionale Berichterstattung, nicht alles übermäßig relevant für Außenstehende, aber hellwach und kritisch, wo es anjezeicht ist. Sprachlich bissig, witzig und kreativ, dabei hohe Präzision, auch in Sachen Rechtschreibung, Zeichensetzung und Satzbau. Chapeau!

Es jeht doch!

Warum können die Ötztaler sowas und warum die Ostfriesen nicht?


(verändert via wiki commons)
Was hat er, was die Ostfriesen nicht haben?





Donnerstag, 26. März 2015

Erklärt's mir bitte nicht ...


Die Provinz-Postille berichtet heute (!) über den Tätigkeitsbericht der Kommunalverwaltung eines Provinznestes:

"Mittlerweile wurde der Haushalt 2012 verabschiedet und der für 2013 liegt als ungeprüfter Entwurf vor. An der Bearbeitung des Haushaltes 2014 sei man dran ..."

Hm. Als ich Kind war, da dachte ich, unsere Gemeindeverwaltungen, allen voran die Bürgermeister, hätten die Aufgabe, genau zu überlegen und zu planen, wie sie die vorhandenen Mittel zum Besten der Gemeinde einsetzen. Dabei ging ich, unwissend und naiv wie ich war, davon aus, ein Plan sei etwas, was man vorher machte.

Inzwischen bin ich nicht nur kein Kind mehr, sondern sogar so alt, dass mich die verlogenen Ausflüchte von Plittikörrn nur noch anekeln und langweilen. Jaja, es gibt ganz bestimmt irgendwelche Sachzwänge, die zu dieser völlig hirnrissigen und perversen (sinnverdrehten) Aussage führen, ein Haushalt werde drei Jahre nach seiner Zeit verabschiedet.

Letztlich verbirgt sich dahinter aber nur eine totale Bankrotterklärung des poltischen Systems. Niemand streitet demokratisch über einen Haushalt, der drei Jahre zu spät kommt. Niemand ist mehr zur Verantwortung zu ziehen. Niemand hat noch Mut, vorab Verantwortung zu übernehmen und auch mal unpopuläre Entscheidungen vorab in den Gremien, vor allem aber in den Köpfen der WählerInnen durchzukämpfen.

Ich würde gerne mal wieder Respekt für politische Mandatsträger haben können, aber es gibt weiterhin keinen Anlass dazu.



(F. Barnard, 1878, via wiki commons)
Kleidung und Frisuren haben sich ein wenig geändert, sonst nichts.


Frage: Warum muss ich eigentlich meine Steuererklärung pünktlich abgeben? Nö, keine Lust.





Dienstag, 24. März 2015

Unique selling point



Politique paradoxe: Ein FDP-Bezirks-Böberschter beklagt laut Provinz-Postille die, Zitat, "widerliche Kungelei" innerhalb seiner Partei. Ich lach' mich weg! Kann man dem Mann mal erklären, dass die FDP nie etwas Anderes gekonnt, gewollt und gemacht hat als zu kungeln? Es gibt kein anderes Programm, kein gesellschaftliches Ziel, keine positive Utopie, nur machtgeilen Egoismus.

Ts, ts, ts, die FDP ohne Kungelei, das wäre ja gerade so, als würden die Sozis für TTIP eintreten und als würden die Grünen nicht mehr in erster Linie für eine lebenswerte Umwelt kämpfen. Völliger Blödsinn, sowas
 ...

(via wiki commons)
                                             Paradoxa zur Ablenkung einer bösartigen KI





Montag, 23. März 2015

Bundesminister finanziert organisierte Kriminalität


Der Bundeslandwirtschaftsminister tönt im Schmierblatt, er habe sich "für eine Entlastung der Milchbauern bei der drohenden Superabgabe stark gemacht".

Klartext:
  1. Die EU hat vor Jahren ein Gesetz zur Reduzierung der Milchquoten eingeführt, damit die schwachsinnige Überproduktion heruntergefahren wird, die sowohl der Umwelt schadet als auch die kleinen und mittelgroßen Betriebe existentiell bedroht.
  2. Gegen dieses Gesetz haben ein paar deutsche Agrarindustrielle bewusst und eiskalt kalkuliert verstoßen. Deshalb sollen sie jetzt eine Strafe bezahlen. Der Bundeslandwirts-Idiot nennt das eine "drohende Superabgabe", als handele es sich um eine perfide Brüsseler Ausbeutungsidee. Tatsächlich werden da aber gerade völlig zu Recht Kriminelle verknackt.
  3. Die Bundesregierung beabsichtigt nun, diese Strafen den Steuerzahlern überzubügeln, weil ja nicht sein kann, dass hemmungloser Egoismus und ins Perverse übersteigerte Geldgier einzelner Superreicher bestraft wird. Wo kämen wir da hin?

Nun, ich bin zwar kein Großkrimineller, habe aber, wie praktisch Jede/r, in den letzten Jahren ein paar kleinere Bußgeldsachen gehabt. Winzige Geschwindigkeitsübertretungen hier und da, und im Gegensatz zu den Mega-Agrariern handelte ich völlig ohne Absicht, sondern ausschließlich aufgrund von Verbotsirrtümern. Ich erwarte und freue mich, dass der Verkehrsminister derlei Quisquilien nunmehr für uns übernimmt ...

Ernsthaft: Was bedeutet das eigentlich, wenn ein deutscher Bundesminister auf so bierärschig-joviale Weise EU-Recht konterkarriert? Wie fühlt sich jetzt wohl die überwiegende Mehrheit der deutschen Bauern, die sich - durchaus unter Schmerzen - an das Gesetz gehalten haben? Lernen die nicht zwangsläufig, dass nur Vollidioten sich an Gesetze halten? Dass rücksichtslose Gier und hemmungsloser Egoismus in unserer Gesellschaft von höchster Stelle positiv konnotierte Erfolgsfaktoren sind? Dass man bestraft wird, wenn man sich an die wohlbegründeten Regeln der Gemeinschaft hält?

Apropos Gemeinschaft: Wie fühlen sich wohl die Bauern der anderen, ärmeren EU-Ländern, jener Länder, die es nicht so dicke haben, ihren Großkapitalisten auf Kosten der kleinen Leute den Arsch vergolden zu können? Jener Länder, die es sich nicht leisten können, sich von der Befolgung der Gesetze der Gemeinschaft freikaufen zu können, die sie mit beschlossen haben? Wie erbärmlich und wütend müssen die sich fühlen, hilflos zusehen zu müssen, wie die reichen Deutschen mal wieder auf Kosten der anderen noch reicher werden?

Wir spielen innerhalb der EU Wirtschaft, wie der FC Bayern Fußball: Dumme, arrogante finanzielle Potenz macht alles kaputt, was als schöne Idee einst dahinter stand.

"Ich kann nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte."

Max Liebermann










Freitag, 20. März 2015

Betriebliche Betroffenheit



Die Arbeitsamts-Statistiker, neudeutsch IAB, teilen mit, dass "zwölf Prozent der Betriebe vom Mindestlohn betroffen" seien. Klingt wie "getroffen". Klingt wie "schwer verwundet". Klingtsogar ein wenig nach "feigem, sozi-bolschewistischem Dolchstoß in den Rücken aufrechten deutschen Unternehmertums", oder?

Es ist schon ein brutales Los, dauernd von Gesetzen betroffen zu werden. Das ist wie im feindlichen Kugelhagel stehen und nicht weg können. Ich kenn' das aus eigener Erfahrung: Täglich, ja stündlich, bin ich zum Beispiel von Menschenrechten betroffen. Sie sind überall! Es ist zum Verrücktwerden: Artikel 1 GG verfolgt und knechtet mich seit meiner Geburt auf Schritt und Tritt! Nur, weil ich Deutscher bin. Das ist sowas von unfair. Das ist diskriminierend. Quasi lebenslängliche Freiheitsberaubung. Selbst mein Kinder sind betroffen. Die Leute sind da erbarmungslos ...

Genug des Klamauks.

Machen wir doch einfach mal die Ersatzprobe. Statt "Zwölf Prozent der Betriebe vom Mindestlohn betroffen" hätten die IAB-Leute doch auch melden können "88 Prozent der Unternehmen atmen auf: Der Druck durch das hemmungsloses Lohndumping ihrer Konkurrenz ist nun ein wenig gewichen." Oder: "Die profitgeilen, egoistischen Heuschrecken können sich nun nicht mehr ausschließlich auf dem Rücken ihrer ArbeitnehmerInnen einen goldenen Arsch verdienen." Oder "Die Abwärtsschraube bei Löhnen  und Gehältern ist endlich aufhaltbar geworden."

Sind die IAB-Leute nur dumm oder sind sie böswillig, dass sie diese alternativen Formulierungen nicht gewählt haben?




 (via wiki commons)

                                                       Tja, nix für Weicheier:
                                                       die freiheitlich-demokratische Grundordnung,
                                                       die soziale Marktwirtschaft.
                                                       Da bin ich echt 'n Fan von.






Mittwoch, 18. März 2015

Anti-Gymnasier



Da hat die obergrüne Piel, Anja aber Einen rausgehauen: Von Gymnasien als Ort der Zusammenrottung von Unternehmerkindern soll sie gesprochen haben. Köstlich! Die Frau ist so arrogant inkompetent und idiotisch weit weg von der Realität, das ist schon fast wieder lustig.

Richtigstellung:

Nicht-gymnasiale Deutsche schimpfen so lange auf das Gymnasium, bis ihre eigenen Gören dort gelandet sind. Sobald das der Fall ist, dreht sich ihre Meinungsfahne um 540 ° (ein Vollkreis und noch ein halber) nach rechts und sie fordern für ihre nun also prinzipiell quasi-hochbegabte F1-Generation besinnungslosen Hochwert-Unterricht im exklusivsten (d.h. ausschließendsten) Kreis. Diese Forderung erheben, liebe, dumme Anja, alle Eltern, unabhängig von Klasse, Rasse, Religion, Geschlecht und Gehalt.

Man muss schon sehr dumm oder sehr böswillig sein, zu behaupten, Schulen im Allgemeinen und Gymnasien im Besonderen würden in Niedersachsen 2015 den Kindern armer Leute weniger Chancen bieten. Genau betrachtet ist das eine schwere Beleidigung für unsere Arbeit als LehrerInnen. Chancengleichheit von Kindern hat fast nichts mit dem Schulsystem zu tun, fast alles hängt am Elternhaus. Wenn den Kindern zu Hause suggeriert wird, Bildung sei eigentlich unnötiger Ballast, kann kein Schulsystem der Welt dagegen an arbeiten, auch nicht das finnische.

Wenn den Kindern dagegen zu Hause klar gemacht wird, dass Bildung per se eine tolle Sache sei, dann - und nur dann - ist fast jedes Kind ein/e potentielle AbiturientIn. Aber so eine Erkenntnis ist dem Wahlvolk natürlich nicht zuzumuten. Das hätte ja was mit Verantwortung der Eltern zu tun, pfui!

Ich nehme zur Kenntnis: Die Grünen haben, genau wie die anderen saturierten Arschkrampen-Parteien, beschlossen, sich beim Wahlvolk mit der RTL-II-Botschaft anzubiedern:

  1. Doofsein ist gut, es ist völlig in Ordnung doof zu sein. 
  2. Es gibt noch viel Doofere als wie Dich. 
  3. Doofe sind viel netter als wie Schlaue.
  4. Alle sind Schuld, außer Du. 
  5. Du musst nichts verändern.
  6. Fang vor allem nicht an zu denken, daraus entsteht nie was Gutes.
Thema durch.


[Hier sollte eigentlich ein provokantes Bild von den profi-bescheuerten RTL-II-Geissens zu sehen sein, aber mir wurde übel, als ich die Auswahl durchmusterte. Stattdessen ein reizendes Bodensee-Panorama aus dem letzten Jahr. Die kühlen Blautöne beruhigen das Gemüt.]










Donnerstag, 12. März 2015

Terry Pratchett



Unersetzlicher Verlust. Einer der ganz großen Beobachter und In-Worte-Fasser ist gegangen.


(verändert via wiki commons)

Es ist zum Heulen.