Samstag, 29. Oktober 2016

Warum ich Wissen gut finde.


Jugenderinnerung: Die Kühlrippen am Motor meines Mofas zeigten einen Hauch von Rostansatz, was mich nicht weiter scherte, bis ein Bekannter mit darob ernst erhobener Stimme verkündete "Das ist Flugrost!!!", wirklich inklusive der drei Ausrufezeichen!

Ich war jung, ich war naiv, ich war leicht zu verunsichern, insbesondere, da ich überhaupt keine Ahnung hatte, was Flugrost vom normalen, guten, schlichten Allerwelts-Rost unterscheidet. Und so wusste ich überhaupt nicht, wie ich auf die Äußerung reagieren sollte. Panik? Entsetzen? Scham? Mussten irgendwelche Behörden verständigt werden?

Ich war sehr erschrocken, reagierte aber ziemlich lahm: "Ach? Ahso ... ja ... äh." und hoffte, dass, wenn nun Katastrophenalarme, großräumige Evakuierungen oder Quarantänemaßnahmen fällig würden, man mich alsbald eindringlich darauf hinweisen würde. Aber nichts geschah, und auch der Verkünder des Urteils ging nicht weiter drauf ein.

Später lernte ich, dass Flugrost auf Kühlrippen, die aus einer Alu-Legierung bestehen und ergo unanfällig für Rost sind, schlimmstenfalls ein kosmetisches Problem ist.

Noch etwas später hatte ich irgendwelche technischen Probleme mit Lautsprecherboxen, und ein anderer Bekannter schlenzte beiläufig das Todesurteil dahin: "Endstufe im Arsch, die kanntze wegschmeißen!", per Ferndiagnose. Da war ich aber wenigstens schon so weit gereift, dessen überlegene Technik-Kompetenz zuvörderst auf eine ganz allgemeine Probe zu stellen: "Oh verdammt. Und ich weiß nicht mal, was eine 'Endstufe' macht. Was macht die?" Gefolgt von heißer Luft, Gelaber und Peinlichkeit.

Seitdem weiß ich zwei Dinge: Eigenes Wissen, egal, in welchem Fachgebiet, kastriert [*1] etwaige Klugschnacker. Und: Bei Unwissenheit nachfragen, egal, in welchem Fachgebiet, macht entweder schlau oder kastriert ebenfalls etwaige Klugschnacker.

Meine naiv-verunsicherten Jugendjahre liegen nunmehr vierzig Jahre zurück. Ich finde Klugschnacker immer noch unerträglich. [*2] Aber längst habe ich aufgehört, sie zu demaskieren. Stattdessen genieße ich still und klammheimlich ihr eifrig-bemühtes, energieaufwändiges Zappeln, sich und die Welt zu beeindrucken.

Da gönne ich mir, ethisch nicht ganz sauber, ein bisschen arrogante Altersweisheit.



(stark verändert via fz.net)
Ecce homo!





[*1] lat. castrare = schwächen, berauben

[*2] Allerdings ärgere ich mich nach wie vor am meisten über mich selbst: Warum falle ich immer wieder darauf rein, nur, weil irgendwelche Knallköppe irgendwelchen Müll mit hinreichender Gravitas raushauen?





Montag, 24. Oktober 2016

Recht ungleich Recht


Wie läch-er-bärmlich die allseitige Empörung darüber, dass die Wallonie mit der Ablehnung des CETA-Vertrages ihre ganz und gar unstrittigen Rechte wahrnimmt. Das erinnert sehr ans Asylrecht: Wir haben eins, aber wenn jemand ernsthaft Gebrauch davon macht, dann ist das eine Frechheit.

Komisch: Wenn global operierende Konzerne ihre Privilegien (z. dt.: extra auf sie zugeschnittene Gesetze, wie CETA, TTIP etc.) gnadenlos ausreizen, und zwar aus ethisch viel fraglicheren Motiven, quakt niemand.




(Wallonie - via wiki commons)
Weiter so!




Samstag, 22. Oktober 2016

Neue Kriegsstrategie


Lese gerade "Höllensturz", einen geschichtlichen Abriss über den ersten und zweiten Weltkrieg vom britischen Historiker Ian Kershaw. Bin gerade im Ersten Weltkrieg. Mir fällt auf, wie gewaltig, wie vollkommen unüberbrückbar bei allen beteiligten Nationen die Diskrepanz ist zwischen dem unsagbaren Leiden der Zivilbevölkerungen und der Millionen sinnlos verheizten Soldaten einerseits und den satten, reichen, luxuriös lebenden, arroganten Führungszirkeln andererseits. Die einen, die 99 Prozent, wünschen sich nichts sehnlicher als Frieden, die anderen halten den Krieg prächtig aus, während Frieden eher Gefahren für ihre persönliche Machtstellung und / oder Profit bedeutete.

Daran hat sich bis heute im Wesentlichen nichts geändert. Massenhaft schlachten meist arme, meist ziemlich unwissende Menschen einander bestialisch ab, während die Verursacher, die Drahtzieher, weit, weit weg, teilweise maximal weit weg, auf der gegenüberliegenden Seite des Planeten, in Komfort und Sicherheit leben.

Das ist so himmelschreiend widersinnig und unmenschlich, dass ich beschlossen habe, künftige Kriege müssen, wenn überhaupt, ganz anders geführt werden.

Ich fordere eine grundlegende strategische Neukonzeption. Die regulären Armeen dieser Welt werden künftig darauf ausgerichtet, dass sie, falls (!!!) ein richtiger "heißer" Krieg unausweichlich ist, nicht mehr die Vernichtung von Massen von Menschen, egal, ob Soldaten oder Zivilisten, anstreben, sondern ihr gesamtes militärisches und nachrichtendienstliches Potential ausschließlich und unmittelbar auf die Tötung der jeweils höchsten gegnerischen Machthaber fokussieren.

Am Beispiel Hitler:

Nach dem Kriegsausbruch, sagen wir, den Kriegserklärungen Frankreichs und Englands, beauftragen diese beiden Nationen ihre Geheimdienste und Aufklärungseinheiten mit der ausschließlichen Aufgabe, Hitlers jeweiligen Aufenthaltsort zu bestimmen und wenn möglich vorherzusagen. Die Orte werden konsequent Ziele der Projektion militärischer Macht. Das könnten zum Beispiel Bombenangriffe sein, Einsatz von Commando-Einheiten, Sprengfallen, Scharfschützen, egal, da kann Militaristen-Phantasie sich mal so richtig austoben.

Was würde passieren? Natürlich, der Gröfaz müsste und würde bestmöglich geschützt. Tiefste Bunker, schwerstgepanzerte Züge, keine öffentlichen Auftritte, trickreiche, hochartifizielle Täuschungs- und Ablenkungsmanöver. Kurz: Er würde zwangsläufig isoliert. Und: Bunker sind technische Wunderwerke. Die halten echt was aus. Moderne Atombunker sind inzwischen so gut, dass sie sogar einem direkten Treffer widerstehen können. Aber was ist mit zwei Treffern? Oder drei? Und wie lebt sich's eigentlich so in einem Bunker unter Dauerbeschuss, während der Rest der Welt weitgehend unbeschadet bleibt?

Weiterhin: Es wird sich ziemlich schnell herumsprechen, dass, woimmer der "Führer" auftaucht, es mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald lebensgefährlich wird. Allzu idiotische Euphorie in Führernähe wird deutlich heruntergekühlt. Vielleicht überlegt sich auch dieser oder jener Bürgermeister, ob er den Reichskanzler überschwänglich zum Besuch seiner Stadt auffordert.

Und mögen auch ganz viele Tötungsversuche misslingen - es ist nur eine Frage der Zeit, bis man, Hartnäckigkeit vorausgesetzt, die Drecksau final erwischt. Und dann? Jaja, niemand ist unersetzbar. [*1] Was aber, wenn ich Adolfs Ersatzmann auch ausgeschaltet habe? Und dessen Ersatzmann? Und so weiter? Irgendwann kommt Einer, der dann doch lieber Frieden schließt. Oder einer, der zwar macht- und kriegsgeil, aber so unfähig ist, dass das Volk dann doch endlich revoltiert. Hochkarätige -> Arschlöcher sind eben nicht beliebig ersetzbar. [*2]

Kurz und gut: Lasst uns dafür sorgen, dass, wenn es zu einem Krieg kommt, es vor allem den -> Arschlöchern mies geht und nicht dem Fußvolk, den kleinen, manchmal sogar unschuldigen Mitläufern.

Übrigens:

Warum wurde Gröfazens Lieblings-Aufenthaltsort, der Berghof am Obersalzberg, erstmalig am 25. April 1945 bombardiert und nicht schon längst vorher? Fünf weltweit agierende, potente Geheimdienste, zwei amerikanische Luftflotten, das Bomber Command der Royal Airforce, viele schlagkräftige Commando-Einheiten - das Potential war doch überreichlich vorhanden. Warum wurde Hitler von den Alliierten nicht ganz offen permanent gejagt, wie ein tollwütiger Hund?

Und davor: Warum konnte Kaiser Wilhelm während des Ersten Weltkrieges im Hauptquartier der deutschen Armee im belgischen Spa, nur ein paar Bomber-Flugminuten von der Front entfernt, ein- und ausgehen, ohne angegriffen zu werden? Warum wurde dieses Hautquartier überhaupt niemals angegriffen? Familiäre Rücksichtnahme der Briten?


 Wilhelm in Spa, 1917
(via wiki commons) 
Und später: Warum gingen alle im Kalten Krieg durchgeführten Übungsszenarien (in Ost und West!) eigentlich immer davon aus, dass die militärischen und politischen Führungen in ihren Atombunkern überleben und weiter agieren könnten und nur der Rest der Welt zerbombt, verstrahlt, vernichtet, vergiftet werde? Wie wirken sich derartige Annahmen auf die Risikoabwägungen der für Krieg und Frieden verantwortlichen Plittikörr aus?

Und noch später: Warum dürfen ein paar superreiche, supermächtige -> Arschlöcher in Washington, Moskau und Riad entscheiden, ob das unfassbare Leiden in Aleppo fortgesetzt wird? Welches persönliche Risiko hängt für sie daran? Keines? Schlecht. Ganz schlecht!


 (via wiki commons)





[*1] Allerdings gilt dieses Argument auch für den hinterletzten Soldaten an der Front. Wenn es danach ginge, wären Kriege sowieso obsolet. 

[*2] Aktuelles Problem der CSU: Wer kommt nach Strauß, Stoiber und Seehofer? Söder ist eben nicht hochkarätig.










Donnerstag, 13. Oktober 2016

Differenzierung


Wurde gerade darauf hingewiesen, meine Aussage, am Anfang einer Kausalkette menschlichen  Leidens stünde entweder eine Naturkatastrophe oder ein machtgeiler alter Mann, sei nicht durchzuhalten, wenn man an Maggie Thatcher, Marie LePen und Frauke Petry denke.

Zu Thatcher und LePen: Das Attribut, ein "machtgeiler alter Mann" zu sein, hat weder etwas mit dem tatsächlichen biologischen Alter noch mit dem biologischen Geschlecht zu tun.

Zu Petry: Die Dame gehört nicht in die Kategorie der echten Arschlöcher. Dazu fehlt ihr das Format. Frauke Petry ist nur eine verhätschelte blöde Zicke, die politisch so lange herumirrte, bis sie irgendeine Partei fand, die sie für ihr Rumgezicke auch noch beklatscht. Petry könnte ebensogut bei den Violetten gelandet sein.

Und bevor jemand fragt: Angela Merkel gehört auf keinen Fall in diese Kategorie. Sie ist zwar von machtgeilen alten Männern umzingelt, aber angesichts dieses Umstandes ist ihr Wirken um so positiver zu bewerten. Ich bin natürlich auch nicht mit allem einverstanden bin, was sie macht, aber das ist noch lange kein Grund, jemanden als Arschloch zu bezeichnen. So funktioniert Demokratie nicht. Das wäre wirklich nur obszön und beleidigend.




(verändert via wiki commons)
Nicht alles gut. Aber man bedenke die Alternativen ...



Mittwoch, 12. Oktober 2016

Zur Diktion dieses Blogs


Habe gerade mal die Blog-Artikel der letzten Wochen überflogen. Stelle auffällige Häufung von Vulgarismen fest, insbesondere "Arschloch", "Idiot", "Scheiße (im Kopp)" und "hirntot". Nach brutalstmöglicher Introspektion stelle ich fest, dass diese Begriffe zu Platzhaltern in der Beschreibung endlos sich wiederholender Sachverhalte geworden sind.

Das Arschloch

Sieht man von echten Naturkatastrophen ab, so steht am Anfang einer jeden Kausalkette, die am Ende zu vielfachem menschlichen Leiden führt, ein machtbesessener alter Mann. Das kann der Chef einer global operierenden Investmentgesellschaft sein oder ein fundamentalistischer religiöser / politischer Führer. Es sind Leute, die sich daran ergötzen, Macht zu akkumulieren und einzusetzen, d.h. das Verhalten anderer Menschen bestimmen zu können. [*1]

Die Idioten

Idioten sind die Leute, die auf der anderen Seite der Macht stehen, also von den -> Arschlöchern dominiert und gelenkt werden, UND DAS AUCH NOCH GUT FINDEN. Beispiele sind die verarmten US-Wähler, die Trump auch heute noch bewundern. Orthodoxe Katholiken. Erdogan-Fans. CSU-Wähler. Islamisten. Unkritische Konsumenten. etc. etc. etc. etc. etc. etc.

Die Scheiße im Kopp

Warum kennen so viele SchülerInnen, die die ungefähre Dauer des Dreißigjährigen Krieges nur mit erheblicher Hilfestellung memorieren können, das Geburtsdatum Adolf Hitlers, obwohl der doch die Mauer zur DDR gebaut hat?

Nein, es geht nicht darum, sich über mangelndes Wissen lustig zu machen. Es geht um dieses gefährliche Un-Wissen, eigentlich Anti-Wissen, das einen netten, freundlichen, normal paddeligen, normal liebenswürdigen Achtklässler zu der Formulierung bringt, nur Sprosse aus fünfter deutscher Generation dürften sich "Deutsche" nennen, alle Anderen seien Ausländer und gehörten nicht hierher? Das hat der sich nicht selbst ausgedacht, dazu ist er (eigentlich[!!!]) zu schlau. Wie kommt dieses Anti-Wissen in die Köpfe der Leute? Warum ist diese Art von "Wissen so attraktiv, so scheinbar leicht eingängig? Warum kapiert niemand, dass dieses Anti-Wissen nur den Arschlöchern hilft?

hirntot

"Hitler hat die Macht ergriffen." und "Hitler hat die Juden ermordet." Beides falsch. Ein paar Arschlöcher und sehr viele Idioten haben Hitler die Macht geradezu aufgedrängt. Und von den  entsetzlichen Gräueltaten hat Hitler selbst keine einzige begangen [*2], das haben alles Idioten mit SEHR viel Scheiße im Kopp für ihn erledigt. Aber auf keinen Fall wollen wir nochmals greinende Sätze hören, wie "Nicht schuldig! Ja, ich war ein verführter Idiot, und die Arschlöcher haben mir Scheiße in'en Kopp getrichtert, was kann ICH dafür?"

Mit dem Schlagwort "hirntot" kommt also der Aspekt der individuellen ethischen Verantwortung ins Spiel. Es ist nicht so, dass wir, jede/r Einzelne, das Wissen nicht hätten, z.B. zu erkennen, dass wir mit unserem ultra-konsumistischen Lebensstil die Zukunft unserer Spezies in die Grütze hauen. Und es ist auch nicht so, dass die Folterer des IS oder der SS oder die Besatzung der "Enola Gay" oder die Leute, die fordern, Flüchtende einfach irgendwo verrecken zu lassen, ohne einen Funken Barmherzigkeit geboren worden sind. Man muss sich schon aktiv selbst manipulieren, Teile des Denkens und Fühlens bewusst abschalten, um diesen Schwachsinn mitzumachen. [*3] In diesem Sinne ist das Prädikat "hirntot" eigentlich nicht mal vulgär. "Auto-Lobotomie" wäre präziser, aber das versteht ja kaum jemand.


Kurz & schlecht:

Wenn man das Weltgeschehen allzu lange betrachtet und nach (Hinter-)Gründen sucht, stößt man auf wiederkehrende Phänomene, und es ist einfach praktisch, diese Dinge mit zusammenfassenden Symbolen zu bezeichnen. So funktioniert sprachgebundenes Denken.

Dass die von mir gewählten sprachlichen Symbole eher aus dem derben Bereich unserer an Höhen und Tiefen, ach, so reichen Sprache stammen, liegt daran, dass ich den bezeichneten Phänomenen eben nicht neutral gegenüberstehe, sondern sie ganz klar ethisch bewerte und das auch ganz deutlich kommunizieren möchte.

Wenn die rechten Arschlöcher so knusprige Begriffe wie "völkisch", "Umvolkung" und "Ausländer raus!" verwenden, dann kann ich frühestens im zweiten oder dritten Schritt therapeutisch zugeneigt überlegen, welche frühkindlichen Traumata zu dieser problematischen Xenophobie geführt haben könnten. Zunächst einmal muss in der öffentlichen Diskussion unmissverständlich klargestellt werden, dass hier ein -> Arschloch -> Scheiße redet.




 (via wiki commons)
"Enola Gay" hieß das Flugzeug, das die erste Atombombe nach Hiroshima trug.




Diesen Text widme ich Barbara W. aus W., die für mich ein (unerreichbares) Vorbild für die Fähigkeit ist, jederzeit, auch in kontroversen Situationen, mit Freundlichkeit, Zugewandtheit, Ruhe, Sachlichkeit und vor allem Stil zu agieren.




[*1] Je mehr das von den Arschlöchern oktroyierte Verhalten den eigentlichen Interessen der Opfer widerspricht, desto wohliger wird's dem Arschloch. Beispiel: Selbstmord-Attentate. Was muss das für ein Machtrausch sein, einen Menschen so weit manipulieren zu können, dass er sein (meist junges) Leben nebst dem einiger Anderer zu opfern bereit ist. Oder: Eine ganze Gesellschaft zu einem Lebensstil zu verführen, von dem JEDE/r weiß, dass er zur Ausrottung der eigenen Art führen wird. Beispiellos in der bekannten Geschichte des Universums!

[*2] Jaja, da ist der Mord an Röhm, aber den buche ich eher nicht als Nazi-Verbrechen, sondern (mit klammheimlicher Freude) unter der Rubrik "Pack schlägt sich, Pack verträgt sich."  oder so.

[*3] Tiere sind zu sowas nicht im Stande, wir schon. Auf diesen Unterschied zwischen Mensch und Tier lege ich sogar großen Wert, und deshalb maße ich mir übrigens auch ethische Urteile über meine Mitmenschen an, und versuche umgekehrt, mein Verhalten vor ihnen ethisch legitimieren zu können. Auch das machen Tiere nicht. Aber das ist eine andere Geschichte ...









Dienstag, 11. Oktober 2016

Ende der Bequemlichkeit




"Das ganze Problem mit der Welt ist, dass die Dummköpfe und Fanatiker so sicher sind und die Klugen so voller Zweifel."
B. Russell

Ja, ja, ja, das ist immer die Standard-Erklärung, wenn mal wieder jemand verzweifelt fragt, warum die politischen und religiösen Fundamentalisten, die größten anzunehmenden Arschlöcher mit den dümmsten anzunehmenden Thesen immer so leichtes Spiel haben. Laaangweilig!

Vielleicht fangen die, ach, so Klugen mal langsam an, daraus Konsequenzen zu ziehen. Bei allen notwendig kontroversen Diskursen muss zwischendurch immer wieder klar gemacht werden, dass es durchaus ein paar unumstößliche Topics gibt, an denen niemand rüttelt. Beispiele:

Ja, die Idee Europa wird gerade ganz schlecht verwaltet, und da müssen schnell grundsätzliche Änderungen her. Common sense ist aber: Die national-egoistische Kleinstaaterei des 19. Jahrhunderts ist für keinen normal denkenden Menschen mehr wünschenswert, und wer das dennoch fordert, ist ein Idiot. Dreiwortsatz: Europa ist gut!

Ja, der Kapitalismus ist als Wirtschaftsform nicht mehr durchzuhalten, und da müssen schnell grundsätzliche Änderungen her. Common sense ist aber: Weder der Kommunismus, noch Bitcoin, noch Tauschhandel mit Naturalien sind plausible Lösungen. Dreiwortsatz: Hörtauf, jedenScheiß zukaufen. LasstEuch nicht verarschen.

Ja, die Demokratie ist als Staatsform nicht völlig problemfrei, und da müssen Änderungen her. Common sense ist aber: Diktaturen, Kommunismus, Theokratien oder irgendwelche anderen -kratieen sind nachweislich immer in die Hose gegangen und haben dabei viel Leid verursacht. Dreiwortsatz: Demokratie ist dasBeste.

Ja, das Konzept der Toleranz enthält ein Paradoxon, nämlich die Frage, ob man Intoleranz dann nicht auch tolerieren müsse. Common sense ist da ganz einfach: Nein! Dreiwortsatz: Toleranz ist gut! IntoleranteMenschen sind Arschlöcher. Jeder darf angstfreianderssein.

Ja, an die UN-Menschenrechtscharta hält sich kein Mensch. Common sense müsste aber sein: Wer gegen die Charta verstößt wird boykottiert, bis er quietscht.

to be continued ...

Kurzfassung: Um den ewigen Trumperdoganorbanseehoferpetrys angemessen zu begegnen, muss die Intelligenzija lernen, regelmäßig zu betonen, dass es in grundsätzlichen ethischen Dingen immer auch einen kleinsten gemeinsamen Nenner gibt. Es ist eben NICHT alles postmodern beliebig. Das ist unbequem und unterbricht den widerstandsfreien geistigen Höhenflug, zweifellos. Aber wenn man alle Gewissheiten RESTLOS theoretisierend zerschlägt, dann haben die Arschlöcher natürlich allzu leichtes Spiel, die freien Bedeutungsfelder mit ihren schmutzigen Inhalten zu füllen. 

Nee, Ihr "Klugen", hört auf, Euch mit Russell selbst zu bemitleiden, und fangt an, Eure Verantwortung für den aufhaltbaren Aufstieg der Unmenschen wahrzunehmen.


 (verändert via wiki commons)
"Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert;
es kommt aber darauf an, sie zu verändern."
                                                                    Marx K.








Montag, 10. Oktober 2016

Klare Sache



Habe zwischenzeitlich überlegt, ob meine ewige Nörgelei an den Inhalten des bundes- und weltpolitischen Teils des "Harlingers" (eigentlich sprechen wir hier von einem Machwerk der NWZ Oldenburg) nicht hier und da ungerecht ist. Bin nun wieder beruhigt.

Zitat aus einem Kommentar der heutigen Ausgabe: "[Die Terroraktivitäten in Chemnitz etc. sind] ... nur Folgen der kopflosen, unverantwortlichen Asylpolitik, die unlösbar mit dem Namen der Kanzlerin Merkel verbunden ist. Wer die Tore bis zum Anschlag öffnet, wer auf die Raison d'Être des Staates - den Schutz der Staatsgrenzen - so leichtfertig verzichtet wie sie, der muss sich nicht wundern, wenn Plattenbauten zu Bombenwerkstätten, Regionalbahnen und Musikfestivals zu Schlachthäusern werden."

Sehr schön. Bislang waren die Verantwortlichen für diesen Teil der einzig hier verfügbaren Tageszeitung nur als devote Speichellecker der FDP negativ aufgefallen. Das war zum Fremdschämen peinlich und nervte. Jetzt werden offen dümmliche, populistische rechtsradikale Positionen vertreten, und das zu akzeptieren ist vollkommen ausgeschlossen. Wer Derartiges verbreitet, darf sich nicht wundern, wenn hilfesuchende Flüchtende, Bürgermeister und Polizisten Ziel und Opfer hinterhältiger neonazistischer Angriffe werden, wenn Asylbewerber-Unterkünfte brennen und überhaupt SA-Methoden wieder als Mittel politischer Auseinandersetzung salonfähig werden. 

Wer uns einreden will, der Bestehensgrund unseres Staates sei, uns gegen das Leid von Menschen in Not einzumauern, hat den Boden unserer Verfassung verlassen, denn dort heißt es eindeutig:

"(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt."

Das ist der erste und wichtigste Paragraph unseres Grundgesetzes, das zu achten und zu schützen ich mich wiederholt eidlich verpflichtet habe. Ein Abonnement einer zunehmend verfassungsfeindlich auftretenden Hetzschrift aufrechtzuerhalten widerspräche diesem Eid.



(verändert via deutschlandfunk.de)
Preisfrage: Wie kommt die Scheiße in die Köpfe dieser Leute?
Antwort: In vielen kleinen Häppchen.

Ich hätte lieber 10.000 ungeprüfte Syrer in meiner Nachbarschaft, als ein zertifiziertes deutsches Riesenarschloch.



editiert: 10.10.2016; 12:25: Eine völlig berechtigte Kritik seitens der lokalen Redaktion des "Harlinger" hat mich zur Überarbeitung dieses Textes veranlasst. Die Mitarbeiter des "Harlingers" hier in Wittmund wehren sich zurecht gegen den Eindruck, der Inhalt des kritisierten Kommentars sei ihnen zuzuordnen. 

Ich bedanke mich für den Hinweis und bitte die Ungenauigkeit / den Fehler in meiner ursprünglichen Darstellung zu entschuldigen.








Sonntag, 9. Oktober 2016

Vox populi - ich muss kotzen.


Jestern jelesen, irjendein Schleimer aus der republikanerfreundlichen Journaille verteidigt Trumps sexistische Ausfälle mit dem Hinweis, derartige Sprüche kennten wir doch alle.

Jaa-a, da ist was dran. Dummes Gelabere von Hirntoten dringt unvermeidlich auch zu normalen Menschen vor. Aber ein normal funktionierender Geist erkennt in diesem Sachverhalt kein Argument, keine Entschuldigung gar.

Was wir aber erkennen, ist, warum die Trumps, die Berlusconis, die Seehofers, die Pegidas, die LePens, die Erdogans und Orbans dieser Welt gerade so viel Zulauf haben: Sie sagen den Leuten, dass es o.k. ist, ein hirntotes Arschloch zu sein. Es ist, sagen sie, nicht nur nicht schlimm, ein dummer, ewiggestriger Spießer, eine vollverblödete Loser-Mittelstandskrampe zu sein, sondern es ist, im Gegenteil ein Zeichen von Stärke und Geradlinigkeit, sich weder durch Fakten noch Zweifel oder überhaupt irgendwelche Denkergebnisse von dem abbringen zu lassen, was das Reptilienhirn einem immer schon in die Birne gefurzt hat und immer noch furzt.

Und wenn das Reptilienhirn dem Spießer-Zombie einbläst, wie geil das doch sein müsse, den für sie unerreichbaren Frauen in den Schritt greifen zu dürfen, dann folgt der Hirntoten-Dreisatz: 1.) Trump darf das. 2.) Ich bin für Trump. 3.) Dann darf ich das auch.

Der Appell ans Reptilienhirn funktioniert bei Doofen und Losern immer! Mit Sexismus, mit Fundamentalismus, mit Rassismus, mit Antisemitismus. Das wussten die Nazis, das wissen die Islamisten, die Ober-Bayern, -Türken, -Polen, -Ungarn und die -Republikaner.

Internet macht's möglich: Der White Trash ist seiner selbst bewusst geworden und schreit nach Befriedigung, nach Blut und Anerkennung. Und die Demokratie scheint wehrlos.


(verändert via wiki commons)
The Universal Arschloch: Frauke-Horst Tayyip Erdotrumphofer-Petryorban
Austauschbare Hackfressen. Ich kann sie nicht mehr ansehen.









Freitag, 7. Oktober 2016

Freiheit


Seit Tagen geistern mir zwei Zitate im Koppe rum. Ich schreib' sie einfach mal auf, damit ich Ruhe hab'.


"Freiheit ist für mich, wenn Burkini-Frauen und nackte Frauen gemeinsam am Strand sind und zusammen Volleyball spielen - und niemand findet was dabei."

Hagen Rether

"Freiheit ist ein Gut, das durch Gebrauch wächst, durch Nichtgebrauch dahinschwindet."
 
Carl Friedrich von Weizsäcker


 (via wiki commons)
Der Geist der Freiheit, Place de la Bastille, Paris. 
Wie merk - würdig, die Überwachungskamera davor.





Dienstag, 4. Oktober 2016

Hogwarts-Didaktik


Nachklapp zum vorangegangenen Artikel:

Habe neulich beiläufig meine AchtklässlerInnen gefragt, ob unsere Schulen mehr wie Hogwarts [*1] sein sollten. Spontane Begeisterung. Habe weitergefragt, ob das auch gelte, wenn es keine Zauberei gäbe und man berücksichtige, dass die Ausbildung in Hogwarts nicht eben viel Rücksicht auf die körperliche Unversehrtheit der Schülerinnen und Schüler nähme und dass die LehrerInnen sehr streng, sehr fachegoistisch, teilweise ziemlich durchgeknallt, teilweise brutal strafend und keineswegs fair oder gar "nett" seien. Kurze Besinnung, dann: Ja, trotzdem. Da sei wenigstens "was los".

Hatten keine Zeit, das zu vertiefen, aber ich versuche zu verstehen.

Ivan Ilich sagt: "Das meiste Lernen findet nicht durch Unterricht statt, sondern durch ungehinderte Teilnahme in relevanter Umgebung." Die Ausbildung in Hogwarts ist schon für Elfjährige vom ersten Tag an relevant und zwar in dreifacher Hinsicht:

  • Erstens ist bei jedem Unterrichtsinhalt eigentlich selbsterklärend, warum die SchülerInnen dieses Wissen benötigen und falls einer es nicht kapiert, sind ausnahmslos alle LehrerInnen in der Lage, spontan drastische und konkrete Beispiele aus der Lebens- bzw. Sterbewirklichkeit zu liefern.
  • Zweitens ist bei jedem Unterrichtsinhalt eine ethische Bewertung klar und quasi als Imprematur permanent mitgedacht. Mad Eye Moody, Fachlehrer für die "Verteidigung gegen die dunklen Künste", unterrichtet nicht blöde "Hau-drauf-Techniken", sondern "unverzeihliche Flüche".
  • Drittens existiert der Lehrplan nicht losgelöst von der Alltagspraxis, sondern, im Gegenteil, spielt die Alltagspraxis ganz konkret in die Unterrichtspraxis hinein. Zauberei-Minister Fudge fragt den Schulleiter um Rat bei einem verzwickten Problem, der konsultiert entsprechende FachlehrerInnen, die wiederum unter Mithilfe der SchülerInnen fachbezogene Lösungen erarbeiten. [*2]

Vergleichen wir das mal mit einem Schulsystem [*3],

  • in dem Medienkonzerne qua Lobbyarbeit bei notorisch inkompetenten KultusministerInnen geschafft haben, die Lufthoheit über Strukturen und Inhalte zu gewinnen und für sich profitabel zu machen, 
  • in dem nahezu ausschließlich kapitalistische Verwertungsinteressen Erfolgskriterien sind,
  • in dem ein Lehrer während eines Klassentagesausfluges nicht mal sagen darf "Ja, ok, lass uns 'ne Runde Fußball spielen!", weil er ja kein Sportlehrer ist und ergo eine Anweisung gegeben haben würde, deren Risikobewertung ihm fachlich nicht zustünde und der, falls einer/m SchülerIn dabei eine Verletzung widerführe, versicherungstechnisch ganz, ganz schlecht dastünde. 
  • in dem Helikopter-Eltern ...

Ach was soll's! Die Liste wäre ewig lang, aber der Tenor ist klar, oder?

Und nun, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Eltern, liebe Kultus-EntscheiderInnen, lasst uns nach Hogwarts reisen, auf zum Gleis 9 3/4!

  • Projektunterricht, Projektunterricht, Projektunterricht.
  • Aufhänger grundsätzlich aktuelle und kritische Themen: Klimawandel, Wasserkriege, Flüchtende etc. etc.  ... Die Welt ist groß und bunt und spannend.
  • Auflösung der Fachstrukturen. Aufgabe der FachlehrerInnen ist nicht mehr die kleingeistige, sklavisch-selbstverdummende Befolgung des Kompetenzgeschwurbels der sich selbst legitimierenden und eigentlich überflüssigen Staatssekretäre im KM, sondern das jahrgangsangemessene Kleinarbeiten der "großen Themen". Dazu sind kritisches Verantwortungsbewusstsein, pädagogische Kompetenz und die Fähigkeit zur Teamarbeit Voraussetzung.
  • LehrerInnen als ModeratorInnen und OrganisatorInnen eigenverantwortlichen Lernens der SchülerInnen ....

Bla, bla, bla, Opa erzählt vom Krieg ... Das sind uralte Forderungen, erwiesenermaßen erfolgreiche Konzepte, das gab's alles schon.

Und dann kam Du-weißt-schon-wer und machte alles kaputt. Kein Happy-End. Nur noch endlose Traurigkeit und Langeweile, Ödnis, Resignation und Verzweiflung ... und irgendwer frisst die Seelen unserer Kinder.




(verändert via fantasy-foren.de)






[*1] Nicht zu wissen, dass Hogwarts die Zaubererschule in Harry Potter ist, ist eine Bildungslücke. Eine große. Ein Tiefseegraben von Bildungslücke. Zur Strafe sofort den ersten Band lesen. Kennt man den, kennt man alle, genauer: Die folgenden werden kontinuierlich schlechter.

[*2] Ja, das ist jetzt etwas idealisiert, sogar für Hogwarts-Verhältnisse. Tatsächlich: Fudge greint, Dumbledore plant, Harry rockt, alle anderen sind mehr oder weniger Staffage.

[*3] Wir reden hier natürlich nicht vom niedersächsischen Schulsystem, sondern ... mmmh ... von einem ganz, ganz doofen Schulsystem in einem Land far far away.