Samstag, 29. Oktober 2016

Warum ich Wissen gut finde.


Jugenderinnerung: Die Kühlrippen am Motor meines Mofas zeigten einen Hauch von Rostansatz, was mich nicht weiter scherte, bis ein Bekannter mit darob ernst erhobener Stimme verkündete "Das ist Flugrost!!!", wirklich inklusive der drei Ausrufezeichen!

Ich war jung, ich war naiv, ich war leicht zu verunsichern, insbesondere, da ich überhaupt keine Ahnung hatte, was Flugrost vom normalen, guten, schlichten Allerwelts-Rost unterscheidet. Und so wusste ich überhaupt nicht, wie ich auf die Äußerung reagieren sollte. Panik? Entsetzen? Scham? Mussten irgendwelche Behörden verständigt werden?

Ich war sehr erschrocken, reagierte aber ziemlich lahm: "Ach? Ahso ... ja ... äh." und hoffte, dass, wenn nun Katastrophenalarme, großräumige Evakuierungen oder Quarantänemaßnahmen fällig würden, man mich alsbald eindringlich darauf hinweisen würde. Aber nichts geschah, und auch der Verkünder des Urteils ging nicht weiter drauf ein.

Später lernte ich, dass Flugrost auf Kühlrippen, die aus einer Alu-Legierung bestehen und ergo unanfällig für Rost sind, schlimmstenfalls ein kosmetisches Problem ist.

Noch etwas später hatte ich irgendwelche technischen Probleme mit Lautsprecherboxen, und ein anderer Bekannter schlenzte beiläufig das Todesurteil dahin: "Endstufe im Arsch, die kanntze wegschmeißen!", per Ferndiagnose. Da war ich aber wenigstens schon so weit gereift, dessen überlegene Technik-Kompetenz zuvörderst auf eine ganz allgemeine Probe zu stellen: "Oh verdammt. Und ich weiß nicht mal, was eine 'Endstufe' macht. Was macht die?" Gefolgt von heißer Luft, Gelaber und Peinlichkeit.

Seitdem weiß ich zwei Dinge: Eigenes Wissen, egal, in welchem Fachgebiet, kastriert [*1] etwaige Klugschnacker. Und: Bei Unwissenheit nachfragen, egal, in welchem Fachgebiet, macht entweder schlau oder kastriert ebenfalls etwaige Klugschnacker.

Meine naiv-verunsicherten Jugendjahre liegen nunmehr vierzig Jahre zurück. Ich finde Klugschnacker immer noch unerträglich. [*2] Aber längst habe ich aufgehört, sie zu demaskieren. Stattdessen genieße ich still und klammheimlich ihr eifrig-bemühtes, energieaufwändiges Zappeln, sich und die Welt zu beeindrucken.

Da gönne ich mir, ethisch nicht ganz sauber, ein bisschen arrogante Altersweisheit.



(stark verändert via fz.net)
Ecce homo!





[*1] lat. castrare = schwächen, berauben

[*2] Allerdings ärgere ich mich nach wie vor am meisten über mich selbst: Warum falle ich immer wieder darauf rein, nur, weil irgendwelche Knallköppe irgendwelchen Müll mit hinreichender Gravitas raushauen?





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