Samstag, 22. Oktober 2016

Neue Kriegsstrategie


Lese gerade "Höllensturz", einen geschichtlichen Abriss über den ersten und zweiten Weltkrieg vom britischen Historiker Ian Kershaw. Bin gerade im Ersten Weltkrieg. Mir fällt auf, wie gewaltig, wie vollkommen unüberbrückbar bei allen beteiligten Nationen die Diskrepanz ist zwischen dem unsagbaren Leiden der Zivilbevölkerungen und der Millionen sinnlos verheizten Soldaten einerseits und den satten, reichen, luxuriös lebenden, arroganten Führungszirkeln andererseits. Die einen, die 99 Prozent, wünschen sich nichts sehnlicher als Frieden, die anderen halten den Krieg prächtig aus, während Frieden eher Gefahren für ihre persönliche Machtstellung und / oder Profit bedeutete.

Daran hat sich bis heute im Wesentlichen nichts geändert. Massenhaft schlachten meist arme, meist ziemlich unwissende Menschen einander bestialisch ab, während die Verursacher, die Drahtzieher, weit, weit weg, teilweise maximal weit weg, auf der gegenüberliegenden Seite des Planeten, in Komfort und Sicherheit leben.

Das ist so himmelschreiend widersinnig und unmenschlich, dass ich beschlossen habe, künftige Kriege müssen, wenn überhaupt, ganz anders geführt werden.

Ich fordere eine grundlegende strategische Neukonzeption. Die regulären Armeen dieser Welt werden künftig darauf ausgerichtet, dass sie, falls (!!!) ein richtiger "heißer" Krieg unausweichlich ist, nicht mehr die Vernichtung von Massen von Menschen, egal, ob Soldaten oder Zivilisten, anstreben, sondern ihr gesamtes militärisches und nachrichtendienstliches Potential ausschließlich und unmittelbar auf die Tötung der jeweils höchsten gegnerischen Machthaber fokussieren.

Am Beispiel Hitler:

Nach dem Kriegsausbruch, sagen wir, den Kriegserklärungen Frankreichs und Englands, beauftragen diese beiden Nationen ihre Geheimdienste und Aufklärungseinheiten mit der ausschließlichen Aufgabe, Hitlers jeweiligen Aufenthaltsort zu bestimmen und wenn möglich vorherzusagen. Die Orte werden konsequent Ziele der Projektion militärischer Macht. Das könnten zum Beispiel Bombenangriffe sein, Einsatz von Commando-Einheiten, Sprengfallen, Scharfschützen, egal, da kann Militaristen-Phantasie sich mal so richtig austoben.

Was würde passieren? Natürlich, der Gröfaz müsste und würde bestmöglich geschützt. Tiefste Bunker, schwerstgepanzerte Züge, keine öffentlichen Auftritte, trickreiche, hochartifizielle Täuschungs- und Ablenkungsmanöver. Kurz: Er würde zwangsläufig isoliert. Und: Bunker sind technische Wunderwerke. Die halten echt was aus. Moderne Atombunker sind inzwischen so gut, dass sie sogar einem direkten Treffer widerstehen können. Aber was ist mit zwei Treffern? Oder drei? Und wie lebt sich's eigentlich so in einem Bunker unter Dauerbeschuss, während der Rest der Welt weitgehend unbeschadet bleibt?

Weiterhin: Es wird sich ziemlich schnell herumsprechen, dass, woimmer der "Führer" auftaucht, es mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald lebensgefährlich wird. Allzu idiotische Euphorie in Führernähe wird deutlich heruntergekühlt. Vielleicht überlegt sich auch dieser oder jener Bürgermeister, ob er den Reichskanzler überschwänglich zum Besuch seiner Stadt auffordert.

Und mögen auch ganz viele Tötungsversuche misslingen - es ist nur eine Frage der Zeit, bis man, Hartnäckigkeit vorausgesetzt, die Drecksau final erwischt. Und dann? Jaja, niemand ist unersetzbar. [*1] Was aber, wenn ich Adolfs Ersatzmann auch ausgeschaltet habe? Und dessen Ersatzmann? Und so weiter? Irgendwann kommt Einer, der dann doch lieber Frieden schließt. Oder einer, der zwar macht- und kriegsgeil, aber so unfähig ist, dass das Volk dann doch endlich revoltiert. Hochkarätige -> Arschlöcher sind eben nicht beliebig ersetzbar. [*2]

Kurz und gut: Lasst uns dafür sorgen, dass, wenn es zu einem Krieg kommt, es vor allem den -> Arschlöchern mies geht und nicht dem Fußvolk, den kleinen, manchmal sogar unschuldigen Mitläufern.

Übrigens:

Warum wurde Gröfazens Lieblings-Aufenthaltsort, der Berghof am Obersalzberg, erstmalig am 25. April 1945 bombardiert und nicht schon längst vorher? Fünf weltweit agierende, potente Geheimdienste, zwei amerikanische Luftflotten, das Bomber Command der Royal Airforce, viele schlagkräftige Commando-Einheiten - das Potential war doch überreichlich vorhanden. Warum wurde Hitler von den Alliierten nicht ganz offen permanent gejagt, wie ein tollwütiger Hund?

Und davor: Warum konnte Kaiser Wilhelm während des Ersten Weltkrieges im Hauptquartier der deutschen Armee im belgischen Spa, nur ein paar Bomber-Flugminuten von der Front entfernt, ein- und ausgehen, ohne angegriffen zu werden? Warum wurde dieses Hautquartier überhaupt niemals angegriffen? Familiäre Rücksichtnahme der Briten?


 Wilhelm in Spa, 1917
(via wiki commons) 
Und später: Warum gingen alle im Kalten Krieg durchgeführten Übungsszenarien (in Ost und West!) eigentlich immer davon aus, dass die militärischen und politischen Führungen in ihren Atombunkern überleben und weiter agieren könnten und nur der Rest der Welt zerbombt, verstrahlt, vernichtet, vergiftet werde? Wie wirken sich derartige Annahmen auf die Risikoabwägungen der für Krieg und Frieden verantwortlichen Plittikörr aus?

Und noch später: Warum dürfen ein paar superreiche, supermächtige -> Arschlöcher in Washington, Moskau und Riad entscheiden, ob das unfassbare Leiden in Aleppo fortgesetzt wird? Welches persönliche Risiko hängt für sie daran? Keines? Schlecht. Ganz schlecht!


 (via wiki commons)





[*1] Allerdings gilt dieses Argument auch für den hinterletzten Soldaten an der Front. Wenn es danach ginge, wären Kriege sowieso obsolet. 

[*2] Aktuelles Problem der CSU: Wer kommt nach Strauß, Stoiber und Seehofer? Söder ist eben nicht hochkarätig.










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