Seit vielen Jahren benutzte ich, wenn ich meine politische Denke leicht-fasslich beschreiben wollte, die Formulierung "links-grün-versiffter Möchtegern-Gutmensch". Mir gefiel die ironsierende Übernahme der Nazi-und-Spießer-Terminologie, weil damit auch gleich klargestellt war, zu wem ich mich in Opposition sah und sehe.
Ich habe jetzt beschlossen, diese Formulierung nicht mehr zu verwenden.
Links:
Die Klassifizierung links - rechts ist nicht mehr brauchbar.
Warren Buffett hat die Sache auf den Punkt gebracht: "Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen". Zur Klasse der Reichen kann man auf diesem Planeten die Mitglieder von ca. 700 Familien-Clans zählen. Alle anderen 8 Milliarden Menschen, die berühmten 99 Prozent, gehören zu den Verlierern, d.h. Opfern dieses Krieges. Sich diesen Umstand bewusst zu machen, ist nicht links, sondern Mathematik. Wir sind - in einem ganz mathematisch-statistischen Sinne - nicht links, wir sind die Normalen.
Nur dümmliche Opportunisten suchen ihr Heil darin, als Speichellecker und devote Diener des 1 reichen Prozents zu reüssieren.
Grün:
Es ist Quatsch, eine grüne Position zu haben oder nicht zu haben. Greta Thunberg hat in ihrer Rede vor der UN 2019 darauf hingewiesen, dass mehr als hinreichend belegt ist, dass unser Verhalten die Grundlagen für ein zukünftiges menschenwürdiges Leben zerstört. Das ist keine Frage mehr, über die noch weiter geforscht werden müsste, und auch die Gegenmaßnahmen und ihr extrem knapper Zeitrahmen sind völlig klar und unbestritten.
Würden wir unserer eigenen Species ernsthaft die Fähigkeit zur Vernunft unterstellen, dann müssten wir sagen: Ausnahmslos alle Individuen dieser Specie müssten mit allen verfügbaren Mitteln für den Erhalt ihrer Umwelt kämpfen. Das wäre - wieder in einem streng mathematisch-statistischen Sinne - normales Verhalten.
Genau wie auf das Attribut "links" können wir auf das Attribut "grün" also verzichten. Es ist nichts Besonderes "links" und "grün" zu sein, es bedarf sprachlich-logisch ergo keiner Hervorhebung. Hervorheben müsste man, wenn Menschen auf der Seite der Superreichen kämpften und wenn sie entgegen aller kreatürlichen Vernunft weiter insistieren, ihre Lebensgrundlagen zu zerstören.
Die Psycho-Pathologie kann uns in beiden Fällen bestimmt mit Begriffen aushelfen.
Versifft:
Dem politischen Gegner Schmutzig-Sein zu unterstellen, ist ein ewig-uralter rhetorischer Winkelzug. Genau wie Rechts-Sein mit "rechtmäßig", "richtig", "aufrecht" usw. bewusst verknüpft wird. Blöderweise werden diese sprachlichen Taktiken immer nur von rechts nach links, von oben nach unten, von reich nach arm eingesetzt, nie umgekehrt. Das ist paradox, denn die Konzerne sind die Öko-Dreckschweine, und es ist einfach unge"recht", dass sie immer wieder die Macht haben, Schäden bzw. Verluste zu sozialisieren und Profite zu privatisieren.
Wir sollten uns angewöhnen, den "Siff" als ethische und rechtliche Schuld den Reichen zuzuordnen. Die FDP als lobbyversiffte Partei, die CDU/CSU als spießerversiffte, CEOs als profitversifft usw. usw.
Gutmensch:
Diese sprachkritische Debatte ist hinreichend geführt worden, das muss ich hier nicht wiederholen. Nur zur Erinnerung die Kernfrage: Wem nützt es, Menschen, die sich ethisch korrekt verhalten wollen, zu diffamieren? Erinnert ein bisschen an die Frage nach der Logik der Bezeichnung "Menschenrechtler", die manchem Promi-Namen wie eine Berufsbezeichnung vorangestellt wird.
Allen Nazis of any colour and any kind zur Kenntnis: FÜR Menschenrechte einzutreten, ist die statistische Norm. Wäre es daher nicht tausendmal sinnvoller, zu erwähnen, wenn jemand GEGEN Menschenrechte ist? Vielleicht so: "Arschloch Trump besuchte die Arschlöcher in den VAE. Else Müller von Human Rights Watch kritisierte, dass ... blablabla."
Klingt vernünftiger, finde ich.
Fazit:
Ich bin normal, weil ich im Kampf Reich gegen Arm nicht auf der Seite des 1 Prozent stehe, sondern auf der Seite der 99 Prozent. Ich bin normal, weil ich mich für den Erhalt einer menschenwürdigen Umwelt einsetze. Ich bin normal, weil ich die Menschenrechte für mich und folglich für alle Menschen beanspruche.
Das klingt natürlich viel unspektakulärer und macht mich zu einem ziemlich langweiligen Typen. Aber als Selbstaussage ist es einfach zutreffender.
Schon schön, wenn von unter einer düsteren Schichtwolken-Fläche ins klare, freie Sonnenlicht fliegt.