Aus ganz persönlicher Nostalgie lese ich gerade nach Jahrzehnten mal wieder C. Zentners "Drittes Reich und II. Weltkrieg". Der Einstieg über das Ende des Ersten Weltkriegs, die Versailler Verträge, Hitlers Jugend und beginnenden Aufstieg etc. ist - wie so oft - für meinen Geschmack zu teleologisch geraten, zu zwangsläufig werden die Geschehnisse als Ursachen für spätere (hier: katastrophale) Wirkungen beschrieben.
Aber:
Was ich überraschend neu lese, ist, dass es zwischen dem Ende des Doitschen Kaiserreichs 1918/19 und der Übergabe der Macht an die Nazis 1933 viel weniger teuflische Bösartigkeit gab, als ich dachte. Unter dem Stichwort "Banalität des Bösen" stellte Hannah Arendt in der causa Adolf Eichmann fest, dass es da keinen mythisch-bösen Teufel gab, sondern nur einen fleissigen, beflissenen Verwaltungsfachmann, der kritiklos Aufträge ausführte. Es scheint, als müssten wir das Denken und Fühlen und das Wahlverhalten der Doitschen, die schließlich bereitwillig den Nazis alle politische Macht in die Hände legten, genau so betrachten.
Da waren keine besonders bösen oder besonders dumme Menschen am Werk. Da waren mittelmäßig normalböse bzw. normalgute und - wenn man sie fragen würde - vor allem gutmeinende Menschen am Werk, die durch die Folgen von Versailles angepisst und enttäuscht. vor allem aber verängstigt, verunsichert und orientierungslos waren. Das Ganze war geradezu blödsinnig banale Spießer-Kacke.
Der aktuelle Trend zum Autoritarismus im Jahre 2023 steht also in deutlicher Tradition. Erwartet nicht, dass der aufhaltsame Weg in den Faschismus spektakulärer verlaufen wird. Das wird er nicht. Wenn wir nicht aufpassen, kommt der Faschismus wieder in vielen kleinen Schritten in die Köpfe der Leute.
Demokratie und Menschenrechte sterben nicht in kameratauglichen Explosionen auf der Straße. Sie sterben leise und unbeachtet in jeder*m Einzelnen. Die Faschos müssen dann nur noch abräumen.
Ach, und übrigens: Denkt doch auch noch mal drüber nach, ob die Forderung nach russischen Reparationszahlungen in unbestimmter und unbegrenzter Höhe ein kluge Forderung sind, wenn man einen Krieg längerfristig beenden will.