Samstag, 23. Januar 2016

Rien ne va.


Heute 'nen schönen Artikel von Modick über Schreibblockaden gelesen. Jawoll, dachte ich, der sagt, wie's ist. Fühlte mich gebauchpinselt, Phänomene zu verspüren, die sonst nur berühmten, wahren Schriftstellern widerfahren ...

Demnächst wieder mehr.


 (via wiki commons)
Manchmal ist man von der Muse geküsst, dann wieder nicht. Kanntze nix machen.





Donnerstag, 14. Januar 2016

Allgemein vs besonders



Stolpere gerade über das Wort "Menschenrechtlerin". Frage mich, warum einem Menschen dieses Attribut beigelegt werden muss. Sind wir - von ein paar indiskutablen Ausnahmen abgesehen - nicht alle MenschenrechtlerInnen?

Überlege, meiner Visitenkarte den Titel "Luftatmer" hinzuzufügen. Aber warum? Das ist nichts Besonderes. Etwas Besonderes wäre, wenn ich dauerhaft anaerob und / oder methanatmend stoffwechseln würde. Dann wäre vielleicht ein entsprechender Titel auf der Visitenkarte oder in der Presseöffentlichkeit fällig.


Genau so bei den Menschenrechten. Wir müssen nicht hervorheben, wenn jemand dafür eintritt, denn das ist das Normale, eigentlich ein ethisches Minimalziel. Zu reden wäre über die relativ wenigen Ausnahmen, die paar krankhaft egozentrischen machtgeilen Männer, die gerade wieder mal dabei sind, alles kaputtzumachen. Warum sollten Kim Jong-un, Trump, Abd-al-Aziz und Konsorten nicht den Titel "Blödes Arschloch" tragen, presseöffentlich und auf ihren Visitenkarten? Dann wäre automatisch mit-gesagt, dass alle Anderen FÜR Menschenrechte eintreten.

Es kann ganz einfach sein, das Besondere vom Allgemeinen zu unterscheiden. Die richtigen Begriffe helfen uns dabei.



(via wiki commons)
 Das hier ist normal. Nix Besonderes.






Mittwoch, 13. Januar 2016

Heilsam



Packen mich fiebrige Anfälle,
an der Menschen grundsätzlicher Fähigkeit zur Vernunft
zu glauben,
horche ich in Küstenorten,
wie manche Touristen einander
im Brustton und mit weiten Gesten
Ebbe und Flut erklären.





(via wiki commons)





Mittwoch, 6. Januar 2016

Unbegreiflich


Der professorale Lautsprecher der übermächtigen deutschen Autolobby, Dudenhöffer, tönt medienöffentlich, die von der US-Justiz angedrohten Strafen im sogenannten Abgas-Skandal stellten für den angeklagten VW-Konzern "lösbare Risiken" dar.

Wie schön.

Ich vergleiche immer gerne mit Banküberfällen oder besser mit Scheckbetrug in 11 Millionen Fällen mit einer Schadenssumme von daumenpeil 30.000 Euro pro Fall. Und dann stelle ich mir vor, der ertappte Verbrecher sitzt vor dem Richter, spricht permanent von einem "Skandal", statt von einem "schweren Kapitalverbrechen im fortgesetzten Fall", und gibt, als der Richter ihn auf die mögliche Höhe der Strafe hinweist, tiefentspannt zu Protokoll, das sei ein "lösbares Risiko".

Aufschlussreiche Diktion: Ein Skandal ist nichts wirklich Schlimmes, eher etwas, was gewisse Kreise temporär ein wenig aufhorchen lässt, was aber bald wieder vergessen sein wird. Bei einem Schwerverbrechen gibt es Schwerverbrecher, bei einem Skandal gibt es ...? Genau! Niemanden! Skandale sind etwas, das passiert einfach. Es gibt keine Handelnden und also auch keine Verantwortlichen. Man ist verwickelt, aber wer und wie, will niemand wirklich genau wissen. Mein nächster Bankraub wird also auch ein "Bargeldtransfer-Skandal".

Und dann das "lösbare Risiko". "Risikobewertung" ist ein betriebswirtschaftlicher Fachbegriff. Ich wäge mit mathematischen Mitteln ab, ob die Chancen und Risiken eines Einsatzes von Ressourcen die möglichen resultierenden Gewinne bzw. Verluste rechtfertigen. Gesetze, Regeln, Ethik tauchen in dieser eisekalten Rechnung nicht auf. Sie sind in der Bilanz kein Aktivposten, zumal VW ohnehin viel zu groß und zu global ist, um sich mit so angeschwiemeltem Dreck wie nationalen Gesetzen oder gar Ethik befassen zu können. Und die Kundschaft vergisst schnell, die vergessen sooo schnell ...

Wenn Dudenhöfer also sagt, das Risiko sei lösbar, eine etwas verschwurbelte Formulierung übrigens, dann bedeutet das, die betriebswirtschaftliche Kalkulation, die zu der Entscheidung zum massenhaften Betrug geführt hat, geht für VW nach wie vor auf. Es war und ist also betriebswirtschaftlich richtig, was die Manager gemacht haben. Das Risiko der Entdeckung, die Kosten für die eventuelle Bestrafung waren von vorneherein eingeplant. 

Für meinen nächsten Bankraub, pardon: Bargeldtransfer-Skandal, bedeutet das, ich führe eine Kosten-Nutzen-Analyse durch, in der ich das Risiko, überhaupt erwischt zu werden und die Kosten für Strafen, außergerichtliche Deals, Schmiergelder usw. dem voraussichtlichen (steuerfreien!) Gewinn gegenüberstelle. Wahrscheinlich rechnet sich das Ganze nur, wenn ich gleich 26 Banküberfälle, äh Bargeldtransfers, hintereinander durchführe, so dass ich die Kosten für zwei, drei verpatzte Aktionen ( - ich werde erwischt - ) auf die erfolgreichen (d.h. unbemerkt gebliebenen) Aktionen umlegen kann. Vereinzelte Kleinkriminalität lohnt sich nicht, think big. Die Rechnung ist klar, logisch und unangreifbar.

Was ich ums Verrecken nicht verstehe: Warum klingt diese eiskalte, ethikfreie Kaltschnäuzigkeit bei einem Bankräuber so abscheulich pervers und warum tun wir die ganze Zeit so, als sei das für einen Konzern völlig normal und akzeptabel?




 (via http://www.lka.polizei-nds.de)
Ach ist das süüüß! Nein, dass es sowas noch gibt. Richtig wie früher mit Pistole an den Schalter. Ja, traditionelle Kulturtechniken sollten unbedingt gepflegt werden. Hat so'n bisschen was von Bonny-and-Clyde-Re-enactment. Oder wie 'n Mittelalter-Markt. Was für 'ne arme Wurst!






Montag, 4. Januar 2016

Herrliche Sache, die Demokratie!



Die nationalkonservative Regierung in Polen dreht durch und den Wegweiser auf die finsteren Teile des Mittelalters, macht aber eigentlich nur, was in Ungarn schon lange läuft, Trump feiert in den U.S. of A. Erfolge, Erdogan gibt versehentlich zu, dass er die türkische Verwaltung am hitlerdeutschen Vorbild  orientieren wird, Seehofer hechelt und zerrt medienwirksam im Gurtzeug, wie ein Zwergpinscher auf Dope.

Was haben alle diese Bekloppten gemeinsam? Sie müssten eigentlich, also ganz eigentlich, Demokratie machen. Alle diese Länder haben irgendwo Verfassungstexte, die Demokratie und Menschenrechte zum Fundament des jeweiligen Staates machen. Alle diese Länder haben aber auch Bevölkerungen, die mehrheitlich so eklatante Minderwertigkeitskomplexe haben, sich selbst für so beschränkt, unnütz und unfähig halten, dass sie in freien, gleichen, geheimen Wahlen den ewig bereitstehenden krankhaften Macht-Egomanen die Staatsgewalt in die Hände geben.

Der Deal ist jedes Mal der selbe: Der anti-demokratische Pseudo-Demokrat erzählt dem Wahlvolk das ewiggleiche Märchen von Stärke, Stolz, Entschlossenheit und dicker Hose, und die blöde Herde liefert sich dafür bereitwillig zur schlimmsten Erniedrigung und Unfreiheit aus.

Wir haben kein Recht, den Normalverbraucher in Nord-Korea, Weißrussland oder im Iran zu verurteilen. Die sind unfrei, hatten - Wortspiel -  keine Wahl, und sie laufen mit, da sie keine Möglichkeit einer Änderung sehen. Man sollte sie bedauern und man sollte mit deren Potentaten nicht zusammenarbeiten. Klare Sache.

Aber zusehen zu müssen, wie souveräne Völker sich für ein kurzfristiges Dicke-Hose-Gefühl in die selbstverschuldete Unmündigkeit begeben - das ist hart. Da steht man sprachlos und zweifelt an der ganzen Menschheit.

Vielleicht tröstet ein Perspektivwechsel ein wenig: Das Schöne an der Demokratie ist ja auch, dass jedes Volk das Recht hat, sich vor dem Rest der Welt zum Vollidioten zu stempeln. Wenn die Mehrheiten in Polen, Ungarn, Bayern, den USA und der Türkei sich selbst für unaufgeklärte, vernunftresistente, intolerante, menschenverachtende Arschlöcher halten, warum sollte man ihnen da ständig widersprechen?


 (verändert via wiki commons)
"Mia san mia", müssen die Bayern einander - warum eigentlich? - immer wieder selbst versichern, und in Polen heißt es, Polen sei kein Land der Radfahrer und Vegetarier. Aha. Aber muss man Judikative und öffentlich-rechtliche Medien deshalb mit staatlichen Zwangsmitteln zum Autofahren und Fleischessen gleichschalten? Sollen alle aussehen, wie der Chef? Naja, wem's gefällt ...





Donnerstag, 31. Dezember 2015

"Filterblase" - der Hirnfurz des I-net


Jestern zufällig in eine Doku über die sogenannte Filterblase reinjezappt. Permapubertierende Dreißigjährige teilen sich gegenseitig mit, wie schrecklich sie das fänden, dass Google, Facebook, Youtube und Co unser individuelles Such- und Surfverhalten protokollierten und uns dann bevorzugt Ergebnisse zeigten, die unseren bisherigen Vorlieben entsprächen. So würde man ja nie auf neue, eventuell kritische Gedanken kommen.

Ja, Leute, geht's denn noch!? Seid Ihr denn jetzt schon so hirnverfettet, dass Ihr ernsthaft erwartet, US-amerikanische Mega-Konzerne müssten Euch auch noch das kritische Denken als Quasi-Dienstleistung abnehmen, und zwar, wie gewohnt, scheinbar für lau? "Also, ich bin eigentlich schon so voll kritisch, so umweltmäßig und bei Flüchtlingskindern und so. Aber woher weiß ich denn, wo ich gegen sein soll, wenn mir das auf Facebook keiner sagt!?" "Nee, selber denken, da hab' ich kein' Bock drauf, aber bestimmt gipps dazu 'n geiles Youtube-Video, falls ich mich da mal am Interessieren anfang'."

Zugegeben, Kant hat nicht deutlich genug gesagt, dass der Mut, sich seines Verstandes zu bedienen, voraussetzt, dass man welchen hat. War einfach zu höflich, der Mann.



(via wiki commons)
Ich bin jedenfalls heilfroh, dass Youtube inzwischen weiß, dass ich, wenn ich "Herz" eintippe, ein unterrichtsverwendbares Video zur Funktionsmorphologie suche, und nicht die abgebildeten Geschmacksmonstrositäten aus Nordhessen. Und falls - wie gerade jetzt - der ansonsten äußerst unwahrscheinliche Fall eintritt, dass ich ein Bild der "Wildecker Herzbuben" benötige, dann weiß ich, wo ich das einfach nur eintippen muss. Det nenn' ick Medienkompetenz.



Allen LeserInnen meiner Blogs wünsche ich von ganzem Herzen Gesundheit und Glück für 2016!





Mittwoch, 30. Dezember 2015

Atemberaubend dreist



Wie bitte? Lese ich richtig? Ausgerechnet die USA werfen den Russen vor, jene würden bei ihren Luftangriffen in Syrien auch Zivilisten töten? Wie kackfrech, wie dreist, wie arrogant und super-dämlich ist das denn!?

Jetzt nicht aufregen! Ruhig bleiben! Dafür braucht man eine brilliante, witzige Metapher ... Ein guter Karikaturist müsste ein Glashaus zeichnen, bei dem ausnahmslos alle Scheiben von Innen eingeworfen sind ... darin ein amerikanischer Militär ... auf einem hohen Berg aus zivilen Kriegsopfern ... in Vietnam beginnend ... vielleicht auch schon bei den Indianerkriegen ... über der Szenerie kreisen Drohnen ... weinende irakische Kinder drumrum ...

Es wäre lustig, beträfe der dreckige Zynismus nicht massenhaft sinnlos getötete Menschen. Und würde es nicht allzu deutlich machen, dass die Amis jede Fähigkeit zur Selbstreflexion und -kritik verloren haben. Und dass sie uns, den Rest der Welt, auch für total bescheuert halten.



 (verändert via wiki commons)
Eine hirnlose Tötungsmaschine hat wenigstens keine Scheiße im Kopp.





Montag, 28. Dezember 2015

Knobelspiel


Finden Sie die Denkfehler in folgenden Aussagen:

  • ÄrztInnen verdienen Geld damit, mich zu heilen, wenn ich krank bin.
  • Druckerhersteller verdienen Geld damit, Drucker und Zubehör zu verkaufen.
  • Feuerwehrleute verdienen Geld damit, Brände zu löschen.
  • ...

Naaa? Beim letzten Satz hat's gefunkt, nicht wahr? Feuerwehrleute, auch die der Berufsfeuerwehren, verdienen ihr Geld nämlich NICHT damit, möglichst viele Brände zu löschen. Wäre das Einkommen der Feuerwehrleute nämlich von der Anzahl der Brände abhängig, könnte es passieren, dass sie in Jahren ohne Brandkatastrophen pleite gehen, den Laden dicht machen und dass beim nächsten Brand niemand mehr da ist, der was von professioneller Brandbekämpfung versteht. Zynischerer Gedanke: Wenn mein Gehalt von der Anzahl der Brände in meiner Region abhinge ... und dieser ohnehin ungenutzte, alte, einsame Schuppen ... auf dem einsamen Feld ... in einer mondlosen Nacht ... und ich brauchte das Geld ... um meinem armen, alten Mütterlein  ... wenigstens zu Weihnachten  ... ein frugales Süpplein ...

Kurz: Es ist logisch, gut und richtig, dass zwar die Brandbekämpfung Aufgabe der Feuerwehrleute ist [*1], dass sie aber gleichwohl nicht dafür bezahlt werden. Feuerwehrleute werden, die ganze Zeit, ob's brennt oder nicht, dafür bezahlt, dass sie DA sind. Machen wir uns das bewusst: Wir zahlen permanent, jede Sekunde, dafür! Und niemand beklagt sich, weil alles Andere auch ziemlich bekloppt wäre.

Da das so einsichtig ist, verstehe ich nicht, warum das im Gesundheitswesen nicht funktioniert. Wer kam eigentlich auf die bekloppte Idee, ÄrztInnen nur noch für das Gesundmachen von "Fallzahlen" zu bezahlen? Und wer verleidet's den ÄrztInnen, dass auch sie ihren Mütterleins zum Christfest mal was Schönes gönnen wollen? Warum können wir nicht Krankheitsbekämpfung nach dem selben Prinzip finanzieren, wie die Brandbekämpfung? [*2] Nur, weil die Pharmakonzerne so eine Mörderlobby haben und Feuerwehrausstatter nicht? [*3]

Und warum sollte das Prinzip nur bei Hochwert-Aufgaben wie Brand- und Krankheitsbekämpfung funktionieren, warum nicht auch ganz prosaisch bei PC-Druckern? Es ist schlicht ein hirnrissiger Ansatz, Konzerne dafür zu bezahlen, dass sie möglichst viele Drucker und Toner verkaufen, und es ist nur logisch - denken wir an das arme Mütterlein - wenn die IngenieurInnen angesichts einer derartigen Aufgabenstellung immer mehr Murks einbauen, damit ich am Tage ([Ablauf der Garantie] + 1) auch tatsächlich genötigt bin, nachzukaufen.

Es ist einfach eine falsche Anreizsituation. Seit über 30 Jahren mache ich mit Computern rum, und seitdem leide ich mehr oder weniger unverändert an %§$#~^$@-Druckerproblemen. (Erzählt mir doch nix von technischem Fortschritt!) Ich will gar nicht alle drei Jahre neue Drucker kaufen müssen! Ich werde, zu meinem ewigwährenden Unmut, allerdings dazu gezwungen. Viel lieber wäre ich dazu  bereit, dauerhaft eine geringe Summe X zu zahlen, wenn dafür jemand dafür sorgte, dass ich jederzeit problemlos drucken kann. Auch am Wochenende, auch nachts. Druckertyp ist mir latte, solange es Laser s/w ist. Und wenn ich Jahr um Jahr druckte und zahlte, und niemand müsste sich kümmern, nun, dann wäre mir das recht, und dem Dienstleister müsste es doch auch recht sein, oder?

Welche Auswirkungen hätte das auf die Hersteller? Wir hätten plötzlich einen Bedarf an super-robusten Druckern, so pflegeaufwändig und komplex wie eine Keule. Ich nenne das "russische Technik" und meine das als höchstmögliches Kompliment. Es wäre das genaue Gegenteil des gegenwärtigen Zustandes.

Man könnte es auch "nachhaltig" nennen.


Tl,dr: Wir leben in einer Welt fehlgeleiteter Anreizsysteme. Das erzeugt gravierende Probleme. Eine disziplinierte, rationale Bedarfsanalyse ist notwendig.


(Sylvain Pedneault via wiki commons)
Wäre die Feuerwehr privatisiert und eine Aktiengesellschaft, würde dieses Bild die Herzen erfreuen, denn hier wird gerade richtig Umsatz gemacht. Da dem aber nicht so ist, brennt hier nur ein schönes Gebäude ab, und engagierte Profis halten für viel zu wenig Geld ihren Arsch hin. Nicht lustig.





[*1] Jaja, ich weiß, dass das eine völlig naive, populistische, dümmliche Verkürzung des tatsächlich sehr viel umfangreicheren Aufgabengebietes der Feuerwehr ist. Das ändert aber nichts am Prinzip.

[*2] Es soll einen chinesischen (?) Herrscher gegeben haben, der das noch konsequenter durchgezogen hat: Seine Ärzte wurden nur solange bezahlt, wie er gesund war. Auch ein interessantes Konzept. Leider fehlt mir da jede Quellenangabe.

[*3] Hier tun sich gedankliche Abgründe auf. Man stelle sich umgekehrt vor, das Feuerwehrwesen funktionierte wie unser Gesundheitswesen: "Ich bin privatversichert. Ich wünsche, dass mein Haus zuerst gelöscht wird. Und zwar - nach ausführlicher persönlicher Beratung - nur vom Oberbrandmeister persönlich. Mit dem möbelverträglichen Pflege-Lösch-Schaum, der Kassen-Brandopfern nicht zusteht ... Ich weiß, dass das mehr kostet, aber das bin ich mir wert. Gerade wenn's brennt, sollte man auf die kleinen Annehmlichkeiten achten."

 










Freitag, 25. Dezember 2015

Oh Sch...! Wir müssen den Hitler lesen.


Was ist der Todesstoß für jedes künstlerische Werk? Wenn es in der Schule drankommt. Wie haben wir es gehasst, wenn ein/e MusiklehrerIn uns einen "Gefallen" tun wollte und Songs, die wir Kiddos gerade aktuell und geil fanden zum Unterrichtsgegenstand erhob und analysierte und erklärte. [*1] Das Teil, insbesondere, wenn es Kult war und als solcher rationaler Kritik eigentlich entzogen, war auf der Stelle mausetot. [*2]. Satisfaction gehörte uns, nicht dem Scheiß-Establishment.

Andersrum: Was macht ein berufsmäßiger Vollidiot wie Bushido, wenn seine Agentur seinen Markennamen mal wieder aufpolieren will? Ein Album mit einem Song, der garantiert auf den Index gehört. Dann wird das Album verboten, anschließend wird der Song gelöscht, und der Rest geht mit den Verkaufszahlen durch die Decke. Oder B. haut noch ein paar hirntote rassistische, frauen- und schwulenfeindliche Pseudo-Gangsta-Interviews raus, für die er sich zu einer Strafe verknacken lässt, die aus der Portokasse zu zahlen ist, ihm aber die kurzfristige Bewunderung vieler Schwerstmehrfachpubertierender einbringt.

Wir fassen zusammen, was wir gelernt haben: Schulische Analyse ästhetischer Werke zerstört deren Kultstatus und jegliche spontane, unreflektierte Faszination [*3], Verbote hingegen machen eine Sache erst richtig interessant.

Damit zu Hitler und zu "Mein Kampf" in der Schule. Das Werk  ist, streng textimmanent betrachtet, ein verquarstes, spießiges, langatmiges, peinlich egomanisches Machwerk [*4]. Weiter hin enthält es Gedanken, die in den 1930er und -40er Jahren zu Leid und Tod ungezählter Millionen Menschen geführt haben. Heute wird es entweder dämonisiert oder als Quasi-Reliquie verehrt, in beiden Fällen von Leuten, die es gar nicht gelesen (> 99 %) oder nicht richtig verstanden haben.

Machen wir's kurz, denn alle Argumente liegen auf dem Tisch: Wollen wir "Mein Kampf" dem freien Marketing à la Bushido ausliefern, es also durch Repression extra-attraktiv machen, soll es als offenes Mysterium auf ewig unangefochten der Domäne der Braunbratzen zugehören - oder wollen wir, die aufrechten, aufgeklärten Verfassungspatrioten, den gesammelten GröFaZ-Ausfluss durch sachliche Analyse entzaubern und auf die mikroskopische Größe zurechtstutzen, die ihm tatsächlich zukommt? Rhetorische Frage, oder? "Mein Kampf" gehört eben nicht den Nazis, wie Satisfaction uns gehörte.

Ich empfehle ergo die schulische Bearbeitung als Volltext, vielleicht arbeitsteilig, kapitelweise: Lesen, unbekannte Begriffe klären - und dann sollen die SchülerInnen doch mal bitte den Inhalt mit eigenen Worten wiedergeben. Jede Wette: Sie werden alle ausnahmslos und ein für  alle Mal gegen Nazismus immunisiert sein. Und sie werden den aktuellen Nazis mit Hohn und Spott und (bitte nicht allzuviel) Mitleid begegnen.


(by Silvia Klippert via wiki commons)



[*1] Übersetzen Sie einfach mal die Texte der Lieder Ihrer Jugend, und Sie werden wissen, was ich meine:

"Ich kann keine erlangen, nein, oh, nein, nein, nein.
A hey, hey, hey, das ist was ich sage.

Ich kann keine Befriedigung erlangen.
Ich kann keine Befriedigung erlangen.
Denn ich versuche und ich versuche und ich versuche und ich versuche.
Ich kann keine, nein, ich kann keine."



[*2] Der Schriftsteller Uwe Tellkamp hat sich aus genau diesem Grunde vor ein paar Jahren presseöffentlich aber vergeblich gegen eine schulische Verwurstung des "Turms" gewehrt. Zur Strafe wurde sein Roman dann sogar Thema im Zentralabitur in Niedersachsen. Kultusbehörden können sehr gemein und nachtragend sein, wenn man die Stimme gegen sie erhebt. Ich nehme ab sofort Bestechungsgelder in jeder Höhe entgegen und verspreche im Gegenzug den Verlagen, bestimmte Texte NICHT im Unterricht zu verbraten.

[*3] Keine Angst: Bei GUTEN Werken stellen die Kiddos aufgrund der Analyse hinterher fest, dass da noch viel Beeindruckenderes hintersteckt, als sie spontan erfasst haben. Bei miesen Machwerken tritt natürlicherweise eine bleibende Ernüchterung ein. Beides ist beabsichtigt.

[*4] Ja, ich hab's gelesen. Bis mir kotzeelend wurde. Etwa auf Seite 3. Den Rest habe ich auf einem Level von Oberflächlichkeit durchgeblättert, der mir die Lektüre erträglich machte. Etwa so, wie man Gruseliges durch die leicht gespreizten Finger vor Augen anschaut.






Mittwoch, 23. Dezember 2015

Jahresabschlussreflexion: Warum ich so wüte


Als Kind war da das Staunen über die Welt.
Später der Glaube an das, was man mir sagte.
Dann fragte ich nach.
Dann fragte ich hinter.

Dann empörte ich mich.

Die Wut, dass man mich so lange belogen hatte,
dass ich mich so lange habe belügen lassen,
und selbst belogen habe.

Nach einer Weile hirnlosen Dreindreschens
bin ich nun sehr gespannt, was da sein wird,
wenn das Spiegellabyrinth restlos zerschlagen ist.





 (via wikipedia)