Es ist eine absolut blödsinnige Sache, dass man Welterkenntnis prinzipiell zu spät erhält.
Mich überfiel vorhin der Gedanke, was für ein cooler, kluger, toller Hecht ich, sagen wir, in meiner Studienzeit vor, ogott, vierzig Jahren gewesen wäre, wenn ich damals schon das Wissen, die Gelassenheit, die Erfahrung im Umgang mit Menschen gehabt hätte, die ich heute habe. Alle Welt hätte mich wegen meines einfühlsamen, freundlichen Wesens geliebt, wegen meines umfassenden Wissens geachtet, wegen meiner Weisheit gelobt ...
Aber so? Ein Irrender war ich, einer, der sich durch Versuch-und-Irrtum, vor allem durch Irrtum, aus der Begrenztheit seiner kleinbürgerlichen Sozialisation der frühen 1960er in winzigen, mühevollen Schritten herausfummeln musste. Der Weg war nicht nur gepflastert mit Fehlern, er bestand ausschließlich aus Fehlern und Peinlichkeiten, die mich heute noch in extremer Scham erstarren lassen.
Die richtig unfaire Kackscheiße ist aber, dass, wannimmer ich das Gefühl hatte, mich einigermaßen leidlich in eine Lebenssituation eingefunden zu haben, diese Phase auch schon wieder vorbei war. Neulich sagte ich einer Freundin, ich fühlte mich geistig gar nicht wie 63, sondern irgendwo zwischen 19 und 40. Vielleicht muss ich diese Aussage dahingehend korrigieren, dass ich diese früheren Lebensphasen inzwischen geistig einigermaßen durchdrungen habe und mich folglich dort wohlfühle.
Vermutlich hätte ich längst schon anfangen müssen, mir die Denk- und Verhaltenssettings für "Mitte 60 bis Ende" zu erarbeiten. Aber da fühle ich mich noch gar nicht. Also werde ich wieder der Spätentwickler sein, es wird wieder ein Riesen-Haufen von Fehlern und Peinlichkeiten über mich hereinbrechen. Ich kann's nicht ändern.
Das hört nie auf. Es ist zum Kotzen.
