Mittwoch, 29. Januar 2025

Das Eigentliche


Mit meinem 1,8-jährigen Enkel Mittagsschlaf gemacht. Wenn Du den tiefen Frieden, die Ruhe und Entspannung, das wohlbehütete Eingemummeltsein so aus der Nähe siehst, dann weißt Du, was wirklich wichtig ™ ist. 

Oder andersrum: Das Kategoriensystem für "Wichtig - Unwichtig" ist plötzlich neu kalibriert. 

Fühlt sich gut an.




(via wiki commons,  J. Bäcker. 2005)

Bildunterschrift: "Rückblick minus Vorblick ergibt den Höhenunterschied".
In den Text kannste ja auch wieder total viel reinpacken ...










Freitag, 24. Januar 2025

Hat er nun oder hat er nicht?

 

Hat er Herzchen verteilt?
Hat er den "Römischen Gruß" gemacht?
Hat er den "Deutschen Gruß" gemacht?
Hat er nur eine unglückliche Geste gemacht?

Es ist vollkommen egal.

Es ist egal, ob wir die Herzchen-Geschichte glauben oder ob wir an die unglückliche Geste eines selbsternannten Autisten glauben - die Nazis weltweit erkennen den "Deutschen Gruß", wenn sie ihn sehen. Und sie erkennen den mächtigen, unanständig Superreichen, das Idol, den Führer, der  göttergleich und unerreichbar über den Dingen, den Gesetzen und der Moral steht..

Und je mehr wir, die richtigen Menschen, versuchen, die Zweifel an der Geste für den Angeklagten sprechen zu lassen, um den Vielleicht-ja-doch-Autisten bloß nicht zu unrecht zu beschuldigen, desto mehr werden uns die Nazis weltweit verachten. Weil wir so schwach sind, weil wir nicht erbarmungslos und vernichtend zuschlagen, wo immer unser Feind eine Schwäche zeigt. 

Augenzwinkernd, schlimmer noch: verächtlich lachend, werden sie uns bestärken, wir sollen nur ja immer hübsch tolerant und gerecht bleiben ... Ich fürchte nur, unser Wunsch nach Empathie, Toleranz und Gerechtigkeit wird der Hebel, mit dem die Nazis uns besiegen können.

Was tun? Musk hat in reichlich anderen Zusammenhängen bewiesen, dass er ein Nazi ist. Es ist ethisch gerechtfertigt, die angeblich zweideutige Geste in diesen eindeutigen Zusammenhang einzuordnen. Wehret den Anfängen.



(stark verändert via wiki commons)










Mittwoch, 22. Januar 2025

Gute Vahl: Volt!

 

Wohlan! Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich nun Mitglied einer politischen Partei. Für einen, der stets so viel Wert auf seine geistige Selbständigkeit und allgemeine Eigenverantwortlichkeit gelegt hat, sich für einen Anarchisten hielt, nie in der Herde mitlaufen wollte, weil man da immer einen Arsch vor sich hat, ist das ein ganz, ganz seltsames Gefühl. Aber. 

Die Zeit ist vorbei.
Das banale Böse 
ist sich seiner wieder bewusst geworden
und die vielen kleinen Haufen Scheiße
agglutinieren zu einem weltweiten Gebirge, 
dessen Schlammlawinen
uns ersticken werden. 

Der Rufer in der Wüste,
der kluge Exzentriker,
hat da keinen Ort mehr,
gibt sich der Lächerlichkeit preis
und geht nutzlos unter
in der braunen Masse.


Tja, und so weiter. Eine Mitgliedschaft in der Partei Willy Brandts wäre denkbar gewesen, aber die SPD geht seit 30 Jahren natürlich auf gar keinen Fall. Die Grünen von einst wären noch besser, aber die kriegsgeile Umfaller-Camarilla von heute, die alle damaligen Ideale verraten hat, nää, bäh! Die Linken haben sich selbst zerlegt, es tut mir so weh, die paar wenigen noch vorhandenen guten Leute trübsinnig in den Ruinen ihrer Partei stochern zu sehen, in vergeblicher  Hoffnung, vielleicht doch noch dieses oder jenes Kleinod retten zu können. CDU oder CSU, Merz oder Söder, Pest und Cholera? Bei der FDP habe ich mich, als ich deren erstes Wahlplakat sah, gefragt, wie ein Mensch, der gerade eben eines dreisten Lügen-Komplotts überführt worden ist, sich überhaupt schon wieder in die Öffentlichkeit trauen kann. Wie schmerzbefreit sind die denn? Über AfD und BSW rede ich nicht. 

War sonst noch was?

Ja: Volt.

Ich bin jetzt Mitglied bei Volt. Die Partei sollte man sich merken, denn demnäxx werden jede Menge Trolls of any colour and any kind anfangen, darauf rumzuhacken. Marrrk mai Vörrtz!

  • Die SPD wird auf Volt rumhacken, weil unsere Sozialpolitik radikaler sozial ist, als es ihre je war..
  • Die Grünen werden auf Volt rumhacken, weil unsere Lösungen nicht durch macht-opportune Kompromisse verwässert sind und sie - weil europäisch gedacht - wesentlich mehr Impact haben.
  • Die Linken werden auf Volt rumhacken, weil wir eine junge, neue Partei sind, während sie seit Karl Marx und dem heroischen Widerstand in der Zeit der Illegalität eigentlich nur noch künstlich am Leben erhalten werden.
  • Alle anderen bundesdeutschen Parteien werden auf Volt rumhacken, weil wir einfach so unendlich viele Lichtjahre besser, ehrlicher, schlauer, ethischer, jünger, besser aussehend, cooler, sexier sind, als diese alten, spießigen, piefigen, rückwärtsgewandten, konzern-hörigen, profitgeilen, egomanischen Alt-Herren-Clubs.

  • Die Amis werden auf Volt rumhacken, weil ein geeintes Europa das Allerletzte ist, was die Amis wollen und jemals wollten. Das hat man schon bei der Einführung des Euro bemerkt. Wirtschaftlich ganz unerwünscht, ein einiges Europa!  
  • Die Russen werden auf Volt rumhacken, weil ein geeintes Europa das Allerletzte ist, was die Russen wollen und jemals wollten. Stellt Euch vor, es gäbe ein geeintes, regenbogenbuntes, demokratisches, prosperierendes Europa. Da müsste Putin seinen Leuten schon recht überzeugend erklären, warum sowas bei uns geht und bei denen nicht.
  • Die Chinesen werden auf Volt rumhacken, weil ein geeintes Europa das Allerletzte ist, was die Chinesen wollen. Die hätten den Hafen von Piräus niemals gekriegt, wenn wir nicht so unsolidarisch und egoistisch miteinander umgingen. 


Wenn alle Seiten auf uns rumhacken,
dann müssen wir doch irgendwas
verdammt richtig machen, oder?


















Sonntag, 19. Januar 2025

1.000ster Artikel auf diesem Blog!

 


(verändert via wiki commons - 2011)


Dieser Blog startete im Januar 2011 mit einem Artikel zu obigem Cartoon. Im Mai 2013 wurde ich zum Witwer, nachdem Rita nach langer, schwerer Krankheit gestorben war, und die Texte aus dieser Zeit waren teilweise entsprechend schwermütig und düster, und mitunter lagen lange Schreibpausen dazwischen. Januar 2015 habe ich alle bis dato erstellten Texte ins Nirvana geschossen, und auf der Tabula rasa unter altbekannter Adresse neu angesetzt.  

Und jetzt, ziemlich genau 10 Jahre später, ist dies der 1.000 Artikel.¹ Yippie ya yeah.

Irgendwelche Anmerkungen dazu?

Ja.

Erstens:

Bei sentimentaler Rückschau stelle ich fest, dass sich an meinen ursprünglichen Motiven rein gar nüscht geändert hat. In erster Linie schreibe ich, um meine Gedanken durch die Logik-Mühlen der Grammatik zu zwingen, denn ich bin nach wie vor überzeugt, dass Gedanken, die in Sprache umzusetzen mir nicht gelingen will, wahrscheinlich keine so ganz werthaltigen Gedanken sind. Was man dem fertigen Blog nicht ansieht, ist die Vielzahl der Artikel, die ich - nach zum Teil stundenlanger Arbeit - gelöscht, weil einfach nicht "auf die Kette" bekommen habe, weil die dahinterstehenden Ideen offenbar nicht durchzuhalten waren.

Und was man auch nicht sieht, ist, dass einige Ideen im Laufe ihrer Verschriftlichung erheblich modifiziert werden mussten, weil sie in ihrer ursprünglichen Form einfach nicht schlüssig waren. ²  

Zweitens:

Auch das Publikum spielt eine Rolle. Es ist eine vortreffliche Übung, Gedanken nicht nur zu versprachlichen, sondern sie darüberhinaus so zu versprachlichen, dass sie pointiert, leseappetitlich und sinnvoll strukturiert präsentiert werden können. Wer klar denkt, kann sich auch klar ausdrücken.

Außerdem verpflichtet Schreiben für eine Öffentlichkeit zu gesellschaftlicher Relevanz der Themen. Jedy Mensch hat natürlicherweise auch egozentrische Gedanken. Eine gute Übung ist's, unterscheiden zu lernen, was nur mich persönlich interessiert und was über-individuell. Bei meinen Fliege-Texten berühre ich manchmal die Grenze zwischen dem einen und dem anderen.

Drittens:

Zwar spielt die An- bzw. Abwesenheit von Publikum beim Textekloppen eine Rolle, aber ich habe mich weitgehend erfolgreich davon frei machen können, für Clicks zu schreiben. Anfangs habe ich kalkuliert, weniger als durchschnittlich sechs (6!) Lesys pro Tag sollten die Grenze sein, unterhalb der ich von einem "Publikum" nicht ernsthaft sprechen könnte. 

Da bin ich (*diskret hüstel*) jetzt drüber. Die Zahlen sind so, dass sie im Vergleich zu professionellen, d.h. kommerziellen Blogs absolut lächerlich und wahrscheinlich unterhalb der Wahrnehmungsgrenze sind. Aber für einen so langtextlastigen Blog wie diesen, dessen Inhalte sich ausschließlich an Gusto und Tagesform des Schreibenden orientieren, finde ich's absolut ok.

Google hat mich zwischendurch angebettelt, ich solle mehr search-engine-optimizen, und ich habe mir tatsächlich ein entsprechendes Buch aus der Bücherei besorgt, aber was da vorgeschlagen wurde, hat mich inhaltlich, ästhetisch und praktisch nicht überzeugt, drum hab' ich's gelassen.

Was mich hochgradig amüsiert, sind die Peaks in den Nutzyzahlen, die entstehen, wenn Wörter wie "Sex" oder "Penis" o.ä. in meinen Texten auftauchen. Jaaa, das ist ein bisschen Click-baiting, ich find's einfach nur lustig, damit zu spielen. Interessant auch, wie Jahreszeiten, Urlaubszeiten, Feiertage etc. die Zahlen beeinflussen, teilweise ganz anders als man annimmt. Insgesamt sind die Statistik-Funktionen von blogspot in der nicht-kommerziellen Version aber zu rau, um valide Ergebnisse zu bekommen. Ist ok, so.

Viertens: 

Bei der Rückschau überrascht mich zuweilen die eigene unbewusste inhaltliche Schwerpunktsetzung. Es ist nicht so, dass ich mir vornehme, eine Artikelreihe zu einem Themenfeld zu schreiben. Die Themenfindung geschieht spontan von Tag zu Tag, oft auch gar nicht, wenn ich einfach nicht ästhetisch attackiert bin. 

In den letzten Monaten bin ich offenbar sehr besorgt über Kriege, Populisten, die Arroganz der Reichen und die Dummheit der Armen. Aber es gibt - wie gesagt - keinen entsprechenden Masterplan.

Fünftens:

Zum Schluss traue ich mich, was Gutes über meine eigene Arbeit zu sagen, tut mir leid: Bei keinem der 1.000 Artikel habe ich heute das Gefühl, inhaltlich etwas zurücknehmen zu müssen. In der Form gab es zwischenzeitlich ein paar Experimente, die ich nicht weiterverfolgt habe, weil ich sie dann doch nicht mehr so dolle fand. Aber inhaltlich - nö, da bin ich nach wie vor mit allem einverstanden. Und das sagen zu können, find' ich ziemlich geil!









¹ Die runden Zahlen erleichtern die Dreisatzrechnung ungemein; "Wenn er 1.000 Artikel in 10 Jahren geschrieben hat, wieviele Artikel hat er dann durchschnittlich in 1 Jahr geschrieben? Was musst Du jetzt rechnen?" Und für Fortgeschrittene: "Wenn er 100 Artikel pro Jahr (365 Tage) rausgehauen hat, wie viele Tage lagen durchschnittlich zwischen zwei Artikeln?" 

² Vgl. Kleist: Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden.






Samstag, 18. Januar 2025

Die kommen immer wieder ... (HRK)

 
Ich schwöre mal wieder heilige Eide: Ich beabsichtige nicht, rezente Politikys mit billigen Hitler-Vergleichen zu diskreditieren, aber ...



FDP 2025



NSDAP 1932



... vielleicht könnten die Politikys und die Marketing-Fuzzys das Ihrige dazu tun, diese Vergleiche nicht so erschreckend nahe zu legen, bitte? Schwarzer Hintergrund, Beleuchtung von links-oben, frontaler Blick, sparsamste Mimik, Schwarz-weiß-Druck, Reduktion auf das Gesicht, minimaler, zentrierter Text unterhalb der Larve.

Entweder sind Graphikys Vollidioten (Das wäre schlimm!) oder die Verantwortlichen fanden das Hitler-Plakat einfach nur hübsch (Das wäre noch schlimmer!!) oder die Verantwortlichen ahnen, das faschistische Formensprache das heutige Publikum wieder ganz enorm triggert (Das wäre am allerschlimmsten!!!)

So kann man doch nicht tun!





Ich habe Hitler geseh'n
Er schrie Shalom und spielte Holocaust im Libanon
Ich habe Stalin geseh'n
Er hasst Gewalt und leitet eine Nervenheilanstalt.

Die kommen immer wieder
Die sind alle noch da
Die kommen alle immer schlimmer wieder
Die sind ganz ganz nah.

Ich habe Jesus geseh'n
Mit Brandgesicht als Napalmsäugling ohne Augenlicht
Ich habe Marx geseh'n
Er mag den Papst und der mag ihn, er gibt ihm Heroin.

Die kommen immer wieder
Die sind alle noch da
Die kommen alle immer schlimmer wieder
Die sind ganz ganz nah.

(...)


Mich hab ich nicht geseh'n
Mag sein, dass ich bei so viel Prominenz nicht nötig bin
Nicht mein Gesicht geseh'n
Es schwimmen viel zu viele nass geerbte Tränen drin.

Dich hab ich nicht geseh'n
Euch hab ich nicht geseh'n, ja sagt mal, worauf wartet ihr?
Uns hab ich nicht geseh'n
Uns hab ich nicht geseh'n, ja sagt mal, worauf warten wir?








Donnerstag, 16. Januar 2025

Sex, Drogen und pychedelische Musik - geschadet hat's uns nicht!


Grade mit großem Vergnügen ein Stück Liedgutes wiederentdeckt, das mit Fug zum kulturellen Menschheitserbe gezählt wird oder werden sollte, Traffics "Hole in my shoe" von 1967.

Am meisten beömmelt habe ich mich über die mehr als 2.000 Kommentare darunter, die ich auch nur überschlägig gelesen habe, die aber mehrheitlich von selbst-gefühlten Hippies, Alt-Hippies und Möchtegern-Hippies stammen und unisono sagen, dass sei doch noch richtig geile, handgemachte Kunst, jedes Stück ein wertvolles Kleinod mit je eigener spannender, erzählenswerter Geschichte, ganz im Gegensatz zu der heutigen seelenlosen, KI-generierten, kurzatmigen, langweiligen Konfektionsware.

Dass die alten Säckys¹ sich bei der Reminiszenz eine Träne aus dem Knopfloch drücken, wollen wir ihnen zugestehen, ich war fünf Jahre alt, als das Lied herauskam, buche es aber auch als Teil meiner jugendlichen Sozialisation.

Und bei dem Stichwort ist mir etwas Interessantes aufgefallen: In meiner Jugend ™ ² wurde den Medien natürlich auch ein gaaanz schlechter Einfluss auf unsere Denke unterstellt. Wir, die damalige Jugend, würden verdorben durch die allzu üppige Darstellung (und Bejahung) von Drogen, Sex, freier und universeller Liebe, Spiritualität, durch psychedelische und Rockmusik, durch Lehre von Freiheit, Toleranz etc.etc.

Diesen Einfluss hatten die Medien tatsächlich, allerdings fanden wir ihn nicht schlecht.

Und heute? Was lernen die Kiddos heute? Rechte Rüpeleien sind absolut salonfähig. Hass, Hetze und Gewalt irgendwie tolerabel. Zu lügen und zu taktieren ist wichtig und richtig und nichts schambehaftetes. Profit, Machtgier, maximaler Egoismus sind die einzig wesentliche Maßstäbe für Dein Wohlergehen. Deine Stellung in der Welt wird ausschließlich durch Besitz und Macht definiert. Empathie ist Dummheit, Frieden ist Krieg, Wahrheit ist Lüge ³.

Wenn ich das so vergleiche ... Puuh. Dann freue ich mich demütig über die Gnade der frühen Geburt.



(verändert via wiki commons)
Grace Slick von Jefferson Airplane,
Woodstock 1969,
The white rabbit ... wie gerne wäre ich dabeigewesen!




¹ Ja, ich gendere auch "alte Säcke". Sollte der Begriff sich wirklich nur auf die Hoden beziehen? Ich bezweifle das. 

² AchduScheiße! Sätze, die so anfangen, können nur in "Opa-erzählt-vom-Krieg" enden.

³ Ja, natürlich habe ich da bei Orwell geklaut. Muss ich denn ALLES selber machen?!











Dienstag, 14. Januar 2025

Demokratie-Killer: Taktisches Wählen

 

Sie dauern fort, die Diskussionen in den sozialen Netzen, in meinem Umfeld und auch in mir selbst, ob man bei der Bundestagswahl 25 immer noch die Grünen wählen sollte, obwohl man allzu deutlich spürt, deren real existierende Politik entfernt sich inhaltlich mit zunehmender Beschleunigung von den Gründen, die uns einst sie wählen ließen.

Die Befürworterys sagen, die Grünen trotz Widerwillens zu wählen geböte die Taktik, wenn man die Roten, Schwarzen, Braunblauen nicht will und auch die eigene Stimme nicht der Gefahr des Untergangs im Orkus der Unterfünfprozentigen und also nichtgezählten aussetzen wolle. Da müsse man einfach mal die Arschbacken zusammenkneifen und eine Partei wählen, die man gar nicht will, um zu vermeiden, dass eine Partei an die Macht kommt, die man noch viel mehr überhaupt gar nicht will.

Dagegen spricht folgende Geschichte von Douglas Adams ¹:

(Eine fliegende Untertasse landet in London. Ihr entsteigt ein riesiger Roboter und verlangt, zur Eidechse gebracht zu werden. Ford erläutert Arthur, der Roboter stamme von einem Planeten, auf dem demokratisch gewählte Eidechsen die menschliche Bevölkerung regierten. Die Menschen hassten zwar die Eidechsen, wählten sie aber trotzdem immer wieder. Begründung:)


"'Sie [die Menschen] haben das Wahlrecht, und so nehmen sie schlichtweg an, daß die Regierung, die sie gewählt haben, mehr oder weniger der Regierung nahe kommt, die sie sich wünschen.'

'Du meinst, sie wählen tatsächlich die Eidechsen?'

'Aber ja' sagte Ford achselzuckend, 'natürlich'.

'Aber' sagte Arthur und stürzte von neuem auf die Kernfrage los, 'warum'?

'Weil, wenn sie keine Eidechse wählen würden', sagte Ford, 'käme vielleicht die falsche Eidechse ans Ruder. (...)'"


Klar soweit? Ich werde keine Eidechse wählen. Stattdessen wähle ich eine Partei, die noch (!) als Kleinpartei gilt, weil sie bislang weder im  Bundes- noch in irgendeinem Landtag vertreten ist. Das schulde ich meinem Verständnis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Der Zahlen-Logik antizipierter Prozentzahlen zu folgen, ist keine gute Basis für eine individuelle Wahlentscheidung. Wirkliche Veränderungen sind mit dieser Methode nicht möglich. Vielleicht landen wir am Ende nicht bei Eidechsen, aber sehr wahrscheinlich bei us-amerikanischen Verhältnissen.

Die Option, nur entweder Republikaner oder Demokraten wählen zu können, erweckt den Eindruck einer sehr verkrüppelten Auswahl. Retardierte, rudimentäre Demokratie, dahinsiechend.



(verändert via wiki commons)
Ford und Arthur in der Serie "Hitchhiker's Guide to the Galaxy", 1981.
Vergesst den blöden Kinofilm.





¹ Adams D.: Per Anhalter durch die Galaxis -  Macht's gut und danke für den Fisch; München, 1985, S. 155 ff







Samstag, 11. Januar 2025

Die Partei, die Partei ...

 

Jo, da war eine kleine, unbeabsichtigte Blog-Pause, und das kam so: 

Seit langer Zeit verspüren wir alle den an Geschwindigkeit und Intensität zunehmenden Rechtsdrall, die globale, mählich sich beschleunigende Erosion freiheitlich-demokratischer Grundsätze. Es ist den Populisten weltweit in den letzten Jahren gelungen, durch immer grenzwertigere und übergriffigere Normverletzungen das rechte Framing salonfähig zu machen, und nun sind wir in die Phase eingetreten, in der die freiheitliche Demokratie nur noch hinhaltenden Widerstand leisten kann und müsste.

Man beachte den Konjunktiv "müsste".

Dann kam der Postillion-Artikel, der satirisch, aber völlig zutreffend darauf hinwies, welche Regierungschefs Elon Musk seltsamerweise NICHT kritisiert, und dann kam das keineswegs satirisch gemeinte "Interview" Musk - Weidel. Und wer bis dahin immer noch dachte, es reiche, einfach nicht rechts zu sein, wenn man so ein bisschen links-grün angesifft ist, sollte nun begriffen haben, dass die Zeit des "Einfach-nur-so-gefühlt-dagegen-seins" passé ist und dass die Zeit des "Wenn-wir-heute-nicht-aktiv-(!)-für-die_FDGO-eintreten-ist-morgen-die-Kacke-am-Dampfen" da ist.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe erstmals in meinem Leben die Mitgliedschaft in einer Politischen Partei beantragt, welche, verrate ich, wenn der Antrag angenommen ist.

Für mich als Tao-Übenden ist das ein sehr schwieriger, weil widersprüchlicher Schritt, denn sagte nicht Laozi ¹:

Gut und Böse,
Heilige und Sünder
entstammen dem Tao.

Ergreifst Du Partei,
verlierst Du es.


Der einzige schlüssige Ausweg aus diesem philosophischen Dilemma: Ich trete nicht in eine Partei ein, weil ich unfähig wäre, mir eine eigene Meinung und Weltsicht zu erschaffen oder weil ich vorgekaute Definitionen von Gut und Böse bräuchte. Ich trete in eine Partei ein, weil der Kampf sich verändert hat und weil ich glaube, dass ein einsamer Wanderer nichts mehr bestellen kann gegen einen Gegner, der so agiert, wie er agiert. 

Und trotzdem verliere ich nicht das Tao, denn: Ich empfinde immer noch Mitleid mit den Arschlöchern dieser Welt. Und ich empfinde nach wie vor wenig Respekt vor dem Big Cheese der Politik im Allgemeinen und "meiner" Partei im Besonderen. Wenn der Kampf gewonnen ist, werde ich die Partei leise und still verlassen.

Der gute Wanderer hinterlässt keine Spuren. Das ist auch von Laozi.


(Laozi via wiki commons)






¹ Das ist eine rhetorische Frage, eigentlich eine Floskel aus dem Tao-te-king. Auflösung zur Frage: Ja, Laozi sagte das. 600 v. Chr. Frag' nicht, woher man das weiß. Die Antwort auf diese Frage könnte ziemlich lang werden.









Sonntag, 5. Januar 2025

Verzweifelte Fragen

 

Ich schwöre so einen richtig fiesen, alttestamentarischen Brutalo-Eid, dass die folgenden Fragen nicht rhetorisch intendiert sind. Sie enthalten keinen versteckten Appell, keine Ironie etc., sondern verstehen sich rein auf der Sachebene. Ich würd's einfach nur gerne wissen.

Ausgangspunkt ist dieser Text auf heute.de vom 01.01.2025 mit dieser ¹ Grafik:



Putin und Selenskij feiern es laut Text als je eigenen Sieg, dass zum 31.12.2024 die russischen Gaslieferungen durch die eingezeichneten Pipelines eingestellt wurden. Grund sei das verlängerungslose Auslaufen eines Durchleitungsvertrages zwischen der russischen Firma Gazprom und der ukrainischen Naftogaz.

Jetzt die Fragen:

Erste Frage: Trifft es zu, dass 1043 Tage lang problemlos russisches Gas durch die ukrainischen Leitungen nach Europa gepumpt wurde, während sich die Ukraine mit europäischer Unterstützung in einem heißen De-facto-Krieg mit Russland befand und nach wie vor befindet?

Zweite Frage: Warum hat die Ukraine die Leitungen nicht sofort dicht gemacht, als die Russen einmarschierten?

Dritte Frage: Kaum zu leugnen, dass militärische Hochwert-Einrichtungen wie Kommando- und Kontrollzentren, Raketenstellungen, Radar etc. oft nahe Objekten installiert werden, die der Gegner nur ungern treffen würde, weil es z.B. propagandistische Nachteile brächte (Schulen, Hospitäler). Haben die Ukrainer versucht, die Pipelines zu nutzen, um ihre Hochwert-Objekte zu schützen? 

Vierte Frage: Wie muss ich mir die Situation an der ukrainisch-russischen Frontlinie vorstellen, wo die südliche Trasse mitten durch das Kampfgebiet verläuft? Haben die Kommandeure auf beiden Seiten ihren Leuten gesagt: "Nur Menschen umbringen, auch gegnerische Waffen und Infrastruktur zerstören, aber AUF KEINEN FALL die Pipeline beschädigen!"? 

Fünfte Frage: Falls ja: Wie wurde das auf beiden Seiten den Soldat*innen gegenüber begründet, die unter grausamsten Bedingungen rund um die Uhr bis zur totalen Erschöpfung ihr Leben für ihre jeweiligen Mutter*Vaterländer einsetzten? "Du darfst massenhaft Menschen umbringen, aber bei der Pipeline, da gipp's einen Vertrag zwischen zwei Konzernen, da dürfen wir nicht gegen verstoßen." Oder "Jaaa, Menschen töten ist ok, aber hier geht's um Geld, um richtig viel Geld, das ist 'ne ganz andere Nummer!"?

Fünfeinhalbte Frage: Warum drehen die Soldat*innen beider Seiten bei sowas nicht durch?

Sechste Frage: Das gilt analog für den gesamten Luft- und Raketen- und Drohnenkrieg: Hyperschallraketen,  ATACMS, am liebsten auch Taurusse und weiß der Himmel was noch werden eingesetzt, um gegnerische Wohngebäude, zivile und militärische Infrastruktur, Militäranlagen, Truppen usw. auf hunderte Kilometer hinter der Frontlinie zu attackieren. Aber die Pipelines werden ausgespart. Warum?

Siebte Frage: Die Ukrainer haben höchstvermutlich mit amerikanischer Hilfe NordStream2 gesprengt, damit die Russen kein Geschäft mit den Deutschen bzw. den West-Europäern machen können, so dass wir nunmehr das sauteure, dreckige US-Fracking-Gas kaufen müssen. Was ist der Unterschied zwischen NordStream2 und den Leitungen durch die Ukraine?

Zusammengefasste Kernfrage: Kann mir, bitte, jemand helfen, folgende kognitive Dissonanz aufzulösen?: Bei dem Ukraine-Krieg geht es auf beiden Seiten um menschliches Sterben und unfassbares menschliches Leiden, da müssen wir also mit aller Härte und aller Konsequenz und den modernsten, schrecklichsten Waffen zuschlagen. Bei den Pipelines hingegen geht es auf beiden Seiten um Profit, da müssen wir also Rücksichten nehmen, Zurückhaltung üben, uns an Verträge halten.

Letzte Fragen: Bin ich wirklich der Einzige, den diese Fragen quälen? Falls ja: Warum? Warum dreht die Welt, die das Ganze hautnah miterleben kann, nicht durch? Oder mache ich vielleicht irgendwo einen Denkfehler? 


(stark verändert via wiki commons)

(...)

He's the Universal Soldier and he really is to blame
His orders come from far away no more
They come from here and there and you and me
And brothers, can't you see?
This is not the way we put the end to war

Donovan: Universal Soldier




¹ aus Copyright-Gründen hier stark verfremdet dargestellten





Donnerstag, 2. Januar 2025

Standortbestimmung

Jahresanfangs-Ritual. In der Zeit "zwischen den Jahren" kann man das Hirn dümpeln lassen, und wenn man jetzt wieder Fahrt aufnimmt, ist's klug sich kurz zu orientieren, wo man ist und wo es hingehen soll.

Um in der maritimen Metaphorik zu bleiben, machen wir eine Kreuzpeilung zur Standortbestimmung.

Landmarke 1:

”There’s class warfare, all right, but it’s my class, the rich class, that’s making war, and we’re winning.” Warren Buffett in New York Times, 26.11.2006

Landmarke 2:

Im Gegensatz zur "rich class" ist es den Nicht-Reichen dieser Welt nicht gelungen, sich zu einem gemeinsamen Widerstand zu solidarisieren. Durch dümmlichen Egoismus und Opportunismus lassen sie sich immer wieder korrumpieren und gegeneinander ausspielen. Das ist so dumm, dass mein Mitleid täglich schwindet.

Landmarke 3:

Das Projekt der Aufklärung ist, was den Großteil der Specie Homo sapiens angeht, gescheitert. Das Konzept, durch Experimente falsifizierbares Wissen zur Grundlage relevanter und rationaler Entscheidungen zu machen, hat sich nicht durchgesetzt. Das Verhalten des Individuums hat sich emanzipiert von der Fähigkeit, sich seines Verstandes zu bedienen.¹ Es gibt keine normative Erwartung mehr, Du solltest Dich vernunftgemäß verhalten.

Landmarke 4:

Mit dem Konzept der Vernunft ist auch die Idee der Demokratie untergegangen. Demokratie bedeutet eigentlich, dass mündige Staatsbürgerys als höchste staatliche Macht entscheiden, was langfristig gut und förderlich für die Gemeinschaft ist. Und die Aufgabe der Parteien ist, diesen Willen zu bündeln und in praktisches Handeln umzusetzen. Demokratie bedeutet nicht "Wähl' Dich reich!" und auch nicht "Lass Dir von krankhaft machtgeilen, hemmungslos egomanischen Menschen das Blaue vom Himmel versprechen und statte sie im Gegenzug mit unsäglicher Macht aus!".

Bittere Bilanz, oder? ² In welche Richtung soll man jetzt losschippern? 

Ich versuche es immer wieder mit Hoffnungslosigkeit. Mit einer No-future-Mentalität. Es spricht alles, alles, alles dagegen, dass wir einen Kurswechsel schaffen werden. Und selbst wenn wir es hier, in dieser Region, in Doitschland, in Europa wider Erwarten hinkriegen sollten, dann warten da noch sieben bis acht Milliarden Menschen auf diesem Planeten, die vielleicht nicht einsehen, dass die Weißen nun ihren Konsum-Spaß gehabt haben, dass jetzt aber tunlichst Schluss damit sein muss, und zwar für alle (außer für die Super-Reichen), unabhängig von der Frage, wieviel Konsum- und Umweltzerstörungs-Spaß man bis dato gehabt habe ...

Versetze ich mich in die Lage einer*s Tuvaluys, Chinesys oder Indys, dann würde ich vermutlich auch eher schmallippig reagieren, wenn alte, weiße Männer mir erläuterten, ich müsse jetzt den Ressourcen-Riemen enger schnallen, denn sie, die Weißen, hätten in den letzten Jahrzehnten alle Ressourcen verballert, als gäb's kein Morgen (= KEINE Metapher!) und nun sei die Kacke am Dampfen.

Nein, wir, als Menschheit werden's nicht packen, eine menschenwürdige Umwelt zu bewahren. Und da das so ist, kann ich als Individuum eigentlich jetzt gleich vom Spar- und Sorgfaltsmodus in den Endzeit-Jetzt-ist-sowieso-alles-egal-Modus umschalten. Mögen die Weltuntergangs-Saturnalien beginnen! Endlich darf ich mich wie die maximale Drecksau benehmen, als rücksichtsloses Arschloch in der Masse der rücksichtslosen Arschlöcherys³.

Klappt leider nicht, das mit No-future. Ich bin zu doof zum Resignieren.

Anders gesagt: Ich bin zu doof, mir ein Leben vorzustellen, in dem ich mich nicht strebend bemühe. Würde ich nur noch für meinen je kurzfristigen Lustgewinn leben, verlöre ich also die Ambition, meinen ethischen bzw, rationalen Idealen morgen näher zu sein als heute, würde ich mich ungesund fühlen, faulig, stinkig, kraftlos, schimmlig, einfach bäh. Ich würde erst geistig und dann auch ganz schnell körperlich verfallen, hundertmal schneller als ohnehin die Biologie diktiert. 

Nein, je mehr ich drüber nachdenke, desto mehr komme ich zu dem Schluss, dass ich mich zwar einerseits oft selbst für einen faulen, bequemen Sack halte, dass ich aber andererseits ziemlich gut darin bin, mir im Kognitiven, Emotionalen und Körperlichen eine gewisse Spannung und Aufrichtung zu erhalten. Das möchte ich keinesfalls missen.

Deshalb: Ich werde also auch in 2025 weiter mit mir und der Welt hadern, zuweilen grell im Strahl kotzen, vielleicht auch mal kleine Erfolge leise lächelnd zur Kenntnis nehmen. 

Das ist der Kurs. Mal sehen, wo ich damit ankomme.



(verändert via wiki commons)







¹ Kants Denkfehler: Wenn Menschen kraft ihrer Vernunft das Richtige und Wahre erkennen würden, würden sie entsprechend handeln. Wie gut, dass er nicht sieht, was Klimawandel-Leugner, Faschos, Fundamentalisten, Querdenker und  Konzerne usw. heute treiben. 

² Natürlich kribbelt's mir in den Fingern, hier massenhaft konkrete Beispiele anzuführen, aber das wird in den künftigen Blog-Artikeln zur Genüge geschehen.

³ Interessante Frage übrigens: Kann und sollte man "Arschloch" gendern? Antwort: Spricht man vom Arschloch im anatomischen Sinne, also vom Anus, dann erübrigt sich das Gendern. Steht das "Arschloch" aber sinnbildlich für Menschen, die nichts als Scheiße absondern, dann sollte man berücksichtigen, dass es sowohl weiblich bzw. männlich sich verstehende als auch non-binäre, diversgeschlechtliche und Trans- Arschlöcher gibt. Und ja, ich gendere gerne mal nach Phettberg.