Das Leid der ukrainischen Bevölkerung können wir, die wir in relativem Frieden leben, ebensowenig nachvollziehen, wie das Leid aller anderen Opfer von Kriegen, Ethnoziden und Verfolgung.
Was ich aber auch nicht nachvollziehen kann, ist das Phänomen des transgenerationalen Traumas, jedenfalls nicht, wenn es allzu medienwirksam inszeniert wird. Allerdings geht es hier um einzelne Menschen und ihre Ängste, und das ist ein ernstes und sensibles Thema, bei dem Pauschalierungen und Bewertungen keinen Ort haben. Darum rede ich im Folgenden nur über mich:
Ich bin Jahrgang 1962, knapp 17 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges geboren, und ich teile mit: Obwohl meine Eltern, meine Verwandten allgemein, mir von ihren Kriegserlebnissen erzählt haben, verspüre ich bei den aktuellen Bildern aus der Ukraine keine traumatische (!) Belastung. Ich find's schrecklich, ich empfinde Mitgefühl, aber ich muss meinem Gefühlscocktail nicht noch das Sahnehäubchen eigener Trauma-Aufbrüche überstülpen.
Als Bobele 1985 Wimbledon gewann, behauptete ein vereinigte-staaten-von-amerikanischer Sportreporter, damit habe Doitschland sein Trauma überwunden, den Zweiten Weltkrieg verloren zu haben. Ich teile mit: Auch dieses Trauma konnte ich trotz intensiver Suche in mir nicht finden. Ehrlich gesagt haben wir uns '85 über den Kommentar halbtotgelacht. Vielleicht überwinden die USA irgendwann ihr Trauma in Sachen Allgemeinbildung - aber dazu müssten sie es erstmal erkennen.
Und als 2012 das 100jährige Jubiläum des Titanic-Unterganges gefeiert wurde, und Urgroßenkel, -nichten und -neffen ertrunkener Passagiere der Cunard-Line mitteilten, sie litten unter transgenerationalem Trauma, da dachte ich ... hm.
Können wir uns vielleicht darauf einigen, mit dem Begriff "Trauma" etwas vorsichtiger herumzufuhrwerken? Ja, der Erste Weltkrieg war die Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts¹. Aber müssen wir dann unbedingt dieses psychologisierende Schlagwort bemühen? Hatten die Doitschen wirklich eine "toxische Beziehung" zu Hitler? Oder war der einfach nur ein krankes Arschloch und der Rest so grenzenlos blöd, ihm hinterherzulaufen?
Manchmal kommt man der Wahrheit näher, wenn man auf hippe Pseudo-Fachsprache verzichtet.
¹ Interessanterweise wird vermutet, bis dahin hätte der 30jährige Krieg dieselbe Rolle im Kollektiven Gedächtnis eingenommen.
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