Sonntag, 1. April 2018

Kein Scherz ...!


Suche gerade den obligaten Aprilscherz in den Online-Portalen der Nachrichten-Magazine. Hier die plausibelsten Kandidaten:

Kauder will Schulen zwingen, antisemitische Vorfälle zu melden? Joa, das hätte inhaltlich durchaus das Zeug zum Aprilscherz, aber das hat Kauder schon gestern gesagt, ich glaube das gilt nicht als Aprilscherz und Kauder ist so jenseits der Gipfel allen Wahnsinns, so weit über jegliche Vernunft und Menschlichkeit und Logik hinaus, dass er sowas wirklich rausgehauen haben könnte. Also leider kein Aprilscherz.

Die CSU-Staatsministerin für Digitales fordert Antworten von Facebook? Herrlich bescheuert, sie weiß ja nicht mal die richtigen Fragen - aber als Aprilscherz wäre das zu subtil, zu philosophisch.

Seehofers Forderung, der Braunbär gehöre zu Doitschland ... Ahja, das ist eine Meldung, die nach der von Seehofer bösartig und absichtsvoll neuangefeuerten Islamdebatte richtig fieses Potential hat, das ist treffsichere Satire. Muslime raus, Braun-Bären (Achtung: geniales Wortspiel!) rein. Aber ... seit wann trauen sich die Öffentlich-rechtlichen denn so beissende Kritik? Seit wann trauen sie sich, Macht-Haber wie Seehofer so brutal bloßzustellen? Uh-oh, sollte Seehofer tatsächlich selbst ...? Vermutlich ja, wir müssen wohl eher befürchten, dass diese Meldung wahr ist, kein Aprilscherz also, aber langsam kommen wir der Sache näher.

Meine Nummer 1 für die vermutete Aprilscherz-Meldung ist natürlich, dass Erdogan Netanjahu vorwirft, dessen Sicherheitskräfte hätten im Gaza-Streifen ein Massaker an Unschuldigen angerichtet. Ich meine - hallo!? - Erdogan führt gerade einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg mit dem Ziel ethnischer Säuberung gegen die Kurden in Syrien. Und dann beklagt er 15 unschuldige Tote in Gaza ...!? Ausgerechnet er? Das ist wahrhaftig ein Witz! Allerdings: Irgendwie ist das als Witz nicht wirklich lustig, weil es um soviel Menschenopfer geht. Total untauglich für einen Aprilscherz. Wir müssen schweren Herzens davon ausgehen, Ziegenpeter hat das tatsächlich gesagt.

Tja, liebe LeserInnen, an dieser Stelle sollte die augenzwinkernde Pointe kommen, dass der unfassbare Mist, den krankhaft egomanische Machtmenschen real verzapfen, leider nicht aprilscherztauglich sei und dass sich die Online-Redaktionen aus lauter Verzweiflung deshalb das 6:0 des FCB versus BVB ausgedacht haben, was ein blöder Scherz wäre, weil so offensichtlicher, hanebüchener Schwachsinn ... Und dann bestätigte eine Expertin (sowohl für Politik als auch für den BVB) mir soeben auf Nachfrage, dass auch diese Meldung zuträfe.

Ich geb's auf! Dieser Text hat keine Pointe. Es gibt diesmal kein ironisierendes Entspannungssignal, keine befreiende Wut zum Schluss. Die Wahrheit ist aktuell nicht lustig, sondern einfach nur beschissen. Dauergrinsen, auch ironisierendes, kann auch ein Indiz individuellen Schwachsinns sein.




"Ick kann janich so viel fressen, wie ick kotzen möchte!"
 (M. Liebermann 1933 - via wiki commons)















Mittwoch, 28. März 2018

Immer wieder erstaunlich: Plittikörr


Jaa ... achso ... ja,nee ... das ist man gut, dass der Dobrindt das sagt, dass wir Antisemitismus auf Schulhöfen nicht dulden dürfen. Also, bisher, da haben wir das so laufen lassen, so Sachen wie Intoleranz, Rassismus, Nazi-Parolen ... das fanden wir LehrerInnen zwar nicht alle immer sooo gut, aber war uns bislang eigentlich völlig schnuppe. Aber jetzt, wo der Dobrindt anscheinend mal richtig intensiv nachgegrübelt hat und so ein mutiges, schwerst-innovatives Hammer-Statement rausgehauen hat, da muss ich sagen, dass ich nach 27 Jahren Praxis doch nochmal ganz grundsätzlich umdenken muss und künftig irgendwas machen muss, wenn SchülerInnen sich verfassungswidrig verhalten.

Ich find' das auch toll von dem Dobrindt, dass der ganz alleine auf solche Ideen kommt, ich meine, der hat ja sonst auch schon genug zu tun als ... äh ... was ist der? ... CSU-Landesgruppenvorsitzender!?? ... was bedeutet das? .... egal ... Man sieht auf jeden Fall, warum der Plittikörr ist und wir nur LehrerInnen, ich meine, der Mann ist ein Genie, ein in der Wolle gefärbter Demokrat, vielleicht wäre er bereit, den Friedensnobelpreis anzunehmen, wenn die Leute aus Stockholm ihn höflich genug drum bäten ....

Jetzt mal ernsthaft:

Frage: Warum explodieren Plittikörr wie Dobrindt nicht auf der Stelle vor Scham, wenn sie so einen Binsen-Brei in die Kameras und Mikrofone blähen?
Antwort: Das ist ein Ergebnis natürlicher Selektion. Menschen, die auch nur ein minimales Sensorium für ihr eventuelles eigenes idiotisch-peinliches Verhalten haben, sind in dem Rattenrennen um die politischen Spitzenämter längst ausgeschieden. Nur machtgeile, skrupellose und vor allem schamfreie Arschlöcher haben da überhaupt Chancen. Dieser Selektionsprozess läuft bei uns immerhin schon fast 70 Jahre lang und stabilisiert sich selbst. D.h. je schmieriger, arroganter, machtgeiler und schamfreier die anderen Plittikörr werden, desto mehr muss jedes Individuum über diese Merkmale verfügen, um in diesem seltsamen Biotop überleben zu können. Beweis: Neue Bundesminister-Riege.

Frage: Aber hat Dobrindt nicht Recht mit seiner Forderung?
Antwort: Nein, hat er nicht! Schaut Euch mal ganz normale Kinder an - und hier geht es um Grundschul-Kinder. Kinder sind zwar keine Engel, sie können richtig gemein zueinander sein, aber sie verfügen einfach nicht über die Konzepte, die dem Rassismus, Nazismus, Fundamentalismus zugrundeliegen. Wenn ich nicht weiß, was "Nation", "Rasse" und "Religion" sind, kann ich andere Menschen darob gar nicht stigmatisieren. Wir müssen also nicht den Antisemitismus auf Grundschul-Höfen bekämpfen (1), sondern wir müssen die ewig alte Frage stellen: "Wie kommt die Scheiße in die Köpfe der Menschen, hier: der Kinder?", und das heißt, wir müssen den Antisemitismus bei den Kindern zu Hause bekämpfen.

Aber, ich wiederhole mich, da geht kein Plittikörr ran, denn zu Hause, da sitzen potentiell Wahlberechtigte, da werden dann plötzlich Verantwortlichkeiten zugeschoben, und das wird immer unbequem. Schulen sind staatliche Institutionen, LehrerInnen sind Staatsdiener (2) und fast wehrlos. Deshalb darf jeder, der über die obengenannten Plittikörr-Merkmale in hinreichender Dichte verfügt, straflos jeden denkbaren und undenkbaren Mist über Schule und LehrerInnen verbreiten. (3)

Zum Schluss zur Beruhigung an alle nicht direkt mit Schule befassten, normalen Menschen:

Erstens: Wir LehrerInnen kennen die Probleme mit den verfassungswidrigen Gedanken, die die Kinder von zu Hause mitbringen und wir arbeiten immer schon und äußerst konsequent und mit sehr professioneller Unterstützung dagegen an. Und wir stellen fest, dass die Leute wirklich immer bekloppter werden, was aber nicht an den Kindern, sondern eindeutig an den Elternhäusern, der Gesellschaft oder sonstigen Arschlöchern liegt.

Zweitens: Wir LehrerInnen sind uns auch seit jeher bewusst, dass unser Schulsystem in einem politischen System existiert, das wir aus tiefstem Herzen bejahen und auf das wir in Form der freiheitliche-demokratischen Grundordnung einen Eid geschworen haben, in dem aber stets egomanische, inkompetente, pathologisch machtgeile Menschen an die Macht drängen. Ich kenne keine/n einzige/n LehrerIn, die/der dieser Tatsache nicht mit einer ausgeprägten Guerilla-Mentalität begegnet.

Sie können, liebe Eltern, also ganz beruhigt sein: Wenn Vollidioten wie Dobrindt dummes Zeug verbreiten, so gibt es in den Tiefenstrukturen der "Behörde Schule" eine breite Schicht verantwortungsvollen, demokratischen, aufgeklärten, preußisch-humanistischen Widerstandes, der Ihr Kind vor den Ausflüssen derartiger Geiferer schützt.

Eigentlich ein geiler Beruf, Lehrer.





(via wiki commons: Kollegium 1881 Bad Doberan)

"The wild Bunch"

Mimik und Körperhaltung machen klar: Lehrer und Plittikörr sind natürliche Feinde, 
und der Widerstand geht weiter.






(1) Ich überlege gerade, wie das gehen soll. Unterricht in der 3. Klasse, also 8 - 9-jährige. Lehrerin: "Soo, liebe Kinder, bis heute hatten die meisten von Euch zwar keine Ahnung, was Antisemitismus ist, aber die Vanessa, die ist Jüdin, und Ihr dürft sie deshalb ab heute nicht verachten ..." (Vanessa fängt an zu heulen und wird ab sofort gemobbt.)

(2) Allzuoft zähneknirschend und mit geballter Faust in der Tasche.

(3) Außerdem liegt in diesem speziellen Fall der Verdacht nahe, dass Dobrindt und Consorten die Sache für ihre ausländerfeindliche Hetze instrumentalisieren werden. Immerhin war es, wenn ich richtig verstanden habe, islamische Fundamentalisten-Antisemiten-Scheiße, die dem beleidigenden Kind zu Hause eingetrichtert wurde. Der Antisemitismus doitscher Nazis .. das ist ja was ganz anderes.










Montag, 26. März 2018

Kein Platz für's Diffizile


Kürzlich hat mir eine Kollegin, die gute Kontakte nach Barcelona hat, erzählt, dass Herr Puigdemont in der gesamtspanischen politischen Kontroverse etwa die Rolle und die Sympathie-Werte besetzt, die bei uns Seehofer und Söder zusammen bedeuten, sprich: arrogante, machtgeile, lokal-egoistische, unsolidarische Arschlöcher. 

Ich war seit ein paar Jahren nicht mehr dort, kann ergo nicht beurteilen, ob diese Aussage zutrifft. Aber ich stelle mir gerade vor, Söder, zum Beispiel, würde so eine Nummer mit Bayern abziehen ...

Also, ich fänd's gut. Wir richtigen Deutschen würden die Bayern viel weniger vermissen, als die Spanier anscheinend die Katalonier. Und wenn Söder jemals Bayerns Autonomie herbeiputschen wollte und dabei scheiterte und dann ins Ausland flöhe ... Ich glaube, wir sollten dann auch gar keinen Auslieferungsantrag stellen.

Wie komme ich gerade auf derartige Gedanken? Es ist in der "Sache Puigdemont" gerade "Zwischenzeit". In den nächsten Tagen werden deutsche Gericht Urteile sprechen. Und, egal, wie die Urteile lauten werden, es wird einen Aufschrei geben, lauthalse, medienwirksame Empörung und wohlgescriptetes Tohuwabohu. Ich habe keine Datengrundlage, um mir ein eigenes Urteil zu bilden, weiß nicht, ob P. ein lobenswerter Freiheitskämpfer oder ein egoistischer Spießer-Populist ist. Deshalb werde ich einfach die Klappe halten und die Sache den deutschen und spanischen Rechtsprechern zu vertraulicher Mühwaltung überlassen.

Umfassende Information, sachliches Abwägen, rationale Diskurse und Einsicht in Funktionsweise und Interaktion von Rechtsstaaten wären wünschenswert, sind aber nicht zu erwarten.

Schade eigentlich.


 (Götz von Berlichingen - via wiki commons)

Auch einer, bei dem die Entscheidung diffizil ist ...











Samstag, 24. März 2018

Zynikers Selbstzweifel


(Ich hoffe, liebe Leserinnen und Leser, Ihr verzeiht mir, dass ich dieses Foto nicht so ganz klein formatieren mochte, aber es kommt auch und gerade auf die kleinen Punkte am Horizont an.)




A1, irgendwo zwischen Lohne und Ahlhorner Dreieck, ca. 200+ m, nördliche Richtung.

Das schnurgerade, zielgerichtete, emsige Streben da unten gibt mir ein gutes Gefühl: So viele Leute, die mit großem Ernst in Verfolg wichtiger Absichten von unbekanntem Ort A zu unbekanntem Ort B zu eilen haben - das zeigt doch, dass es jede Menge Sinn, jede Menge lohnenswerter Ziele zu erheischen gibt.

Der Zyniker, der über den Dingen schwebt, sollte an diesem Gedanken sein Herz erwärmen und endlich seinen bissiggewordenen Verstand zur Orchdnunk rufen.






Freitag, 23. März 2018

Morgen-Grauen


Beim flüchtigen Durchblättern der Online-Portale ...

"Karliczek will die Digitalisierung der Schulen voranbringen" titelt der Doitschlantpfunk. Bund soll die Ausstattung finanzieren, die Länder die Inhalte regeln und die LehrerInnen ausbilden. Hm. Als man mich das Lehren lehrte, war ein eherner Grundsatz, Ziele des Unterrichtes stünden bei der Planung über allem, denn sie determinierten Methoden und Mittel. Aber damit verdient natürlich kein Konzern irgendwelchen Schotter. Und da Frau K. keine Ahnung hat, ist's schon mal ein guter erster Schritt, einfach so Kohle rauszubuttern, statt zunächst mühevoll zu untersuchen, was in Schulen eigentlich gebraucht wird und sinnvoll ist. "Digitalisierung" ist immer gut. Und über "Schule" darf jede/r jeden Scheiß in die Welt blähen, weil die Konsequenzen ja erst sichtbar werden, wenn die Legislatur vorbei ist.

Trump hat seinen Sicherheitsberater gefeuert, den wievielten Mitarbeiter in Reihe? Egal. Ich denke an den brillianten Artikel im Guardian, der Trumps Verhaltensdisposition mit der von Schimpansenmännchen vergleicht: Als Alpha-Männchen musst Du hin und wieder hirn- und anlasslos Randale machen, um zu beweisen, dass Du die Macht hast, hirn- und anlasslos Randale machen zu dürfen. Die Weibchen stehen drauf und wollen sich mit Dir paaren, Deine Konkurrenten kuschen verstört, die Dummen bewundern Dich. Ob Du Handels- oder Schießkriege vom Zaun brichst, Menschen nach Rasse und Geschlecht beleidigst oder Mitarbeiter feuerst, oder ob irgendwas davon irgendeinen Sinn ergibt, ist dabei völlig latte.

Facebook & Co.: Ok, ich habe die Übersicht verloren. Gibt es noch irgendwen auf diesem Planeten, der oder die NICHT mit Hilfe der sozialen Netze gewaltigen Einfluss auf die US-Wahlen genommen hat? Die Russen haben's auf jeden Fall getan, aber die sind sowieso immer schuld. Nun auch irgendwelche reichen Mega-Konzerne, die Cambridge-Analytics ... Ach, egal ...

Wären da nicht diese quälenden Fragen ...

Warum unterstützen alle Trump und warum kommt niemand mal auf die Idee, mit diesen Scheiß-Methoden die Guten zu unterstützen? Dass Putin Trump unterstützt, ist klar und klug erfolgreich, denn es scheint in Putins Interesse zu sein, das westliche Bündnis zu schwächen und bestenfalls zu zerschlagen. Rechtsradikale, europafeindliche Gruppen sind da hilfreich, Trump ist da sogar extrem hilfreich. Aber nicht nur Putin pampert Trump, auch megamächtige, kapitalistische global players tun es. Ist das nicht seltsam? Das sollten doch Antagonisten sein. Das ist, als würden beim Tauziehen beide Mannschaften am selben Ende des Seils ziehen. Oder profitieren etwa alle, wenn ein Irrer wie Trump die globalen Verhältnisse unsicherer, angstbesetzer, konfliktträchtiger macht?

Und: Ist die Masse des Wahlvolks, egal wo, wirklich so unfähig, sich gegen die Einflüsse der sozialen Netze zu immunisieren? Kann man wirklich durch Datamining und daraus abgeleitete gezielte Werbung das Denken der Mehrheiten ausschalten? Offensichtlich ja. Ohne Ironie: Der Gedanke ängstigt mich sehr.






















Montag, 19. März 2018

Dead parrot


Oje, Terry Gilliam, ein Ex-Monty-Python, bekommt gerade richtig Haue, weil er sich zu dem Hollywooder Weinstein-Skandal geäußert hat. Zwar stimmt Gilliam der Einschätzung zu, Weinstein sei ein "monster", gibt aber auch zu bedenken, dass seit jeher Macht in Hollywood missbraucht wurde und dass die Sache mit Weinstein nur deshalb hochkochte, weil der so ein besonderes "asshole" sei.

Ansonsten möge man aber bitte bedenken, so Gilliam, dass a.) alle Beteiligten erwachsene Menschen gewesen seien, die wussten, was sie taten und dass b.) durchaus nicht alle bereit waren, Weinsteins Preis für dessen "Türöffner-Dienste" für ihre Karrieren als Hollywood-Schauspielerinnen zu zahlen und es ergo auch nicht taten. In jedem Fall sei die aktuelle Hexenjagd eine unangemessene und irreführende Simplifizierung der Sachverhalte. Und es sei eine bemerkenswerte Ironie, dass die #metoo-Debatte völlig ignoriere , dass die USA einen Präsidenten gewählt haben, der sich vorab selbst unwidersprochen als "pussy-grabber" bezeichnet hat.

Wir müssen natürlich auch die Einwände gegen Gilliams Position ernst nehmen. Richtig ist: Wir waren in den Situationen nie dabei, und deshalb müssen wir uns mit Bewertungen zurückhalten und überhaupt in der Sache die Klappe halten. Aber Fragen sind erlaubt:

Laut Wikipedia wurden die Vorwürfe gegen Weinstein seit den 1980er Jahren "als offenes Geheimnis" gehandelt, also etwa 37 Jahre lang. Julian Assange, um ein anderes Beispiel zu nennen,  hatte 2010 eine einzige umstrittene Nacht mit zwei Frauen und sitzt deshalb seit 2012 in der Ecuadorianischen Botschaft fest, um einer Auslieferung in die USA zu entgehen. Wie erklärt sich dieses Missverhältnis? Warum hat 36 Jahre lang niemand gegen das System Weinstein revoltiert?

Qui bono?






















Mittwoch, 14. März 2018

Nix is'!


Früüühlink lässt sein blaues Band ....


Äh, nee, vergiss es!




(Irgendwo nördlich Oldenburg, Genaueres ist egal, weil's überall gleich aussah. Ca. 040, ca. 800 ft)


Ich bin ja eigentlich immer bereit, über die Schönheit luftgestützter Landschaftsbeobachtung zu schwärmen, aber abgesehen von ein paar Ausnahmen sah's heute überall echt kacke aus! Das Fliegen selbst ist natürlich immer geil, und als dann noch drei rumpöbelnde Jung-Bussarde checken mussten, ob ich a.) zu fressen und / oder b.) zu begatten sei, wurde es kurz sogar spannend. Sie fanden aber schnell heraus, dass ich einfach nur langweilig und lärmend und ansonsten zu nix zu gebrauchen sei.












Montag, 12. März 2018

Geschichtenerzähler



Hatte eine gewisse Menge ungenutzten Bargeldes zu Hause herumliegen, Restmengen des neulich stattgehabten Autokaufs, und habe sie gerade zwecks Risikominimierung zur Bank gebracht. Was antworten, falls nach Herkunft gefragt würde?

"Tja," würde ich sagen, "das ist immer doof, wenn man mit Drogen und Prostitution sein Geld verdient: Da kann man Bargeldmengen ganz schlecht disponieren. Mal haste viel zu viel Geld herumliegen, weil der Monat gut lief, die Freier großzügig, die Püppies ehrlich waren und gleichzeitig Deine Straßen-Dealer nach guten Geschäften treu und brav ihre Kohle abliefern - und dann gibt es Zeiten, wo Du mal gar kein Bargeld in der Schublade hast, und ausgerechnet dann kommt der Laufbursche vom Kolumbianer mit einer Riesenlieferung und will cash sehen - und nur cash, und zwar inmediatamente! Es ist wirklich schwierig. Aber es ist auch mein Fehler, ich bin selbst schuld! Giacomo, bei dem ich gelernt habe, in diesem Geschäft zu überleben, Giacomo hat mir damals gleich gesagt 'Marco;' hat er gesagt, 'Marco, Du musst unbedingt noch Waffenhandel in Dein Portfolio aufnehmen, dann kannst Du machen Tauschgeschäfte Waffen - Drogen, Drogen - Waffen; brauchstu nich' soviel Bargeld. Ohne Waffen is' lästig.' Aber ich habe ja nicht auf ihn gehört, bislang ..."

Alternativ fällt mir noch die Klondike-Geschichte ein: "Tja," würde ich sagen, "Viele haben damals gesagt, der Goldrausch am Klondike ist mausetot, da lohnt sich kein Investment mehr, aber der Enkel von Skookum Jim, der hat gesagt, da ist noch was, hat er gesagt, und ich, ich hab' ihm geglaubt! Gut, man musste da auch erstmal Geld in die Hand nehmen, is' klar! Ne Menge Geld sogar! Und da steckt Arbeit drin. Sehr viel sehr harte Arbeit. Aber nun ..." [bedeutungsvoller Blick auf die hingeblätterten Scheine]

Zurück zur Realität: Die sehr freundliche und sehr professionell agierende Mitarbeiterin der Bank hat, wie erwartet, nicht mal mit der Wimper gezuckt, als ich die Summe dahinblätterte, und aus einem entsprechenden Semsterferienjob weiß ich, dass Bankangestellte Bargeld teils wäschekörbeweise herumwuchten müssen und eine entsprechend trockene und höchst sachliche Umgehensweise damit pflegen.

Darum geht's mir auch gar nicht.

Mir geht's um die Frage, warum diese Geschichten urplötzlich in meinem Kopf waren. Dazu muss ich erklären, dass ich gar nicht darüber nachgedacht habe, habe nicht daran herumgefeilt, es steckt keine Absicht dahinter, da ist nichts, was sich entwickelt hat oder was ich entwickelt habe. Es hat nicht mal "Klick" gemacht. Die Situationsbilder, erst die Zuhälter-Variante, eine Minute später der Goldsucher, waren einfach da.

Ich finde sowas bemerkenswert. Zumal ich weiß, dass es anderen Menschen haargenau so geht. 

Wie sagte Terry Pratchett einst so schön am Ende von "The Science of Discworld II": "Plenty of creatures are intelligent but only one tells stories. That's us: Pan narrans." Wir sind nicht "Homo sapiens", der wissende Mensch, was für ein anmaßender Titel, oh nein: Wir sind "Pan narrans", der geschichtenerzählende Affe. Ob wir wollen oder nicht: Die Geschichten quellen einfach so aus uns raus, wie der Schleim aus einer Nacktschnecke.




(Skookum Jim, der [Er-]Finder des Klondike-Goldrausches - via wiki commons) 

Schau Dir dieses Bild an und schwöre eidesstattlich, dass Dir gerade KEINE Geschichte einfällt ...












Samstag, 3. März 2018

Demokratie - Verständnis


Wenn man einmal angefangen hat darauf zu achten, welche Ministerposten mit Menschen welcher Kompetenz besetzt werden, zeichnet sich ein durchgängiges Bild, das, sagen wir, Anlass zu Fragen gibt:

Ganz allgemein stellt man fest, dass designierte MinisterInnen in der überwiegenden Zahl der Fälle inkompetent sind. Damit meine ich nicht nur, dass sie niemals qua Berufspraxis, Ausbildung oder Studium mit ihrem künftigen Ressort kollidiert sind, sondern auch, dass sie in ihrer bisherigen politischen Laufbahn bis dato niemals mit dem Thema zu tun hatten.

Oft genug habe ich darüber gewitzelt, aber nun, da ich merke, dass das Phänomen flächendeckend ist, beginne ich, die Sache ernster zu nehmen. Fragen wir also mal, welche Vorteile durch und durch inkompetente MinisterInnen haben, oder besser: WER hat einen Vorteil, wenn MinisterInnen von ihrem künftigen Ressort so viel Ahnung haben wie ein Lurch vom Triebwerksbau?

Zunächst einmal die/der betreffende PlittikörIn selbst. Es ist natürlich eine feine Sache, wenn Du aus innerparteilichem oder Koalitions-Proporz einen hochdotierten Ministerposten brauchst und dabei auf Fachliches keine Rücksicht genommen werden muss. Man stelle sich vor, die Koalitionsverhandlungen und die innerparteilichen Drecks-Machtspielchen hätten für einen zu verschachernden Posten beispielsweise das Profil ergeben "CDU - Ossi - Frau - U50" und dann käme auch noch einer mit der Forderung - was weiß ich - "Grundkenntnisse in Umwelt-Scheiß" oder so. Da findste doch keinen, das geht gaaar nicht!

Auch die Ebenen der StaatssekretärInnen, Abteilungsleiter etc. in den Ministerien, die ewigen "powerfull second", wünschen sich natürlich eher jemanden, den/die sie wie Wachs in ihren Händen kneten und verbiegen können, als jemanden, die/der fachlich versiert ist und entsprechend selbstbewusst führen kann.

Das Gleiche gilt für die Lobbyisten: Ein/e MinisterIn, die keine Ahnung hat, ist natürlich viel leichter manipulierbar, während jemand mit Erfahrungen und Durchblick ganz ausgesprochen schädlich für's Geschäft wäre. Würde jemals ein/e erfahrene/r LehrerIn zur/m KultusministerIn aufsteigen, müsste Bertelsmann 'ne Gewinnwarnung an die Aktionäre rausgeben. Da sei Gott vor!

Ganz reizend ist's auch für die jeweiligen Kabinettschefs auf Bundes- oder Landesebene, wenn sie nämlich wissen, dass praktisch alle Leute am Kabinettstisch ein dauerhaft schlechtes Gewissen haben, da sie, die Minister, ja wissen, dass alle wissen, dass sie wissen, dass alle wissen, dass sie eigentlich keinen blassen Schimmer von dem haben, was sie da gerade auf höchster Ebene leiten und (eigentlich, theoretisch) zu verantworten haben. So etwas macht viele (nicht alle!) Menschen demütig und handzahm.

Ausnahmen scheint es nur in den Finanz- und Wirtschaftsressorts zu geben. Während eine designierte Kultusministerin schon mal ungestraft im Radio-Interview sagen kann, sie habe überhaupt keine Ahnung von ihrem Aufgabengebiet, aber viel Spaß, sich in unbekannte Sachverhalte einzuarbeiten, würde so etwas einem Finanz- oder Wirtschaftsminister in spe das Genick brechen. Das bedeutet nicht, dass da Leute mit professionellen Vorkenntnissen antreten, aber es werden nur jene auf die Posten gehievt, die schon lange genug als PlittikörrInnen in dem Bereich herumwurschteln, um zu wissen, dass sie eigentlich überhaupt nichts zu melden haben, weil nämlich die MÄRKTE, sprich: ein paar wenige Konzerne,  alles entscheiden. Es wäre für die Finanz- und Wirtschafts-Lobbyisten einfach unzumutbar, alle vier Jahre wieder den Willen, die Seele und den Geist irgendwelcher Newbies brechen zu müssen. Das kostet jedes Mal Kraft und Zeit, es nervt, und falls es an die Presse durchsickert, macht es für ein, zwei Tage einen schlechten Eindruck.








(via wiki commons)

Kompetenz wird überschätzt. Es reicht doch, wenn man so einen allgemeinen Überblick hat. *



* Ich gebe zu: Das war Ironie! Wenn Triebwerksbau wie Politik funktionieren würde ... oh nee, lieber nicht dran denken. (Dito: Chirurgie, Straßenbau ... eigentlich alles.)























Dienstag, 27. Februar 2018

Nicht schlecht.


Keine Details. Nur so viel: Durch etwas Kuddelmuddel bei der Barzahlung meines neuen Autos entstand gestern die interessante Situation, dass ich versehentlich, irrtümlich, unbemerkt und unbeabsichtigt fünftausend Euro, knapp die Hälfte des zu entrichtenden Betrages, wieder mit nach Hause genommen habe - nebst einer Quittung der Firma, die den Erhalt der vollen Summe attestiert.

Abendlicher Anruf des Mitarbeiters, der zwar zuständig, aber bei besagter problematischer Aktion weder beteiligt und nicht mal anwesend war. Er schildert das Loch in der Firmenkasse, die Verzweiflung der beteiligten Mitarbeiterinnen und ... ob ich die fünftausend Euro vielleicht hätte?

Ein Blick ins Kuvert - surprise, surprise!

Und jetzt kommt der entscheidende Punkt: Ich hätte an dieser Stelle einfach, sehr einfach, lügen können, hätte sagen können, dass "nein", hätte darauf hinweisen können, dass immerhin drei Leute nachgezählt hätten, dass ich eine Quittung mit Handzeichen der verantwortlichen Mitarbeiterin hätte, hätte empört argumentieren können, dass ich ja wohl kaum unter den Augen zweier Mitarbeiterinnen den Betrag hinblättern und anschließend die Hälfte wieder einsacken könnte etc. etc.

Etwas mehr als eine Sekunde lang habe ich darüber nachgedacht, dass ich all' das tun könnte und dass mir das einen schnellen, mühelosen Gewinn von fünftausend Euro (in Zahlen: 5.000,00 €) eingebracht hätte, cash on the nail, wie der Angelsachse zu sagen pflegt.

Nun, da ich das hier schreibe, ist klar, dass ich es nicht getan habe. Ich habe, und das sage ich nach mehrfacher peinvollster Introspektion, nicht einen Moment ernsthaft (!!!) darüber nachgedacht. Und ich finde mich dafür richtig gut, auch, wenn das jetzt ganz unbescheiden klingt. Und ich finde das Leben gut, dass uns in so völlig irrwitzige, widersinnige Situationen bringt, in denen völlig überraschend klar wird, aus was für Holze wir geschnitzt sind.

Ja, ich habe fünftausend Euro sausen lassen. Ja, dafür muss ich netto knapp anderthalb Monate arbeiten. (Und, nein, so dicke hab' ich's auch nicht, wenngleich auskömmlich.) Aber wieviel teurer ist mir die überraschend positive Selbsterkenntnis, im Spiegel demnach nicht nur einen täglich alternden, faltigeren, zynischeren Sack zu sehen, sondern auch einen, der im spontanen, relevanten Einzelfall ethisch richtig handelt. Hätte ich nicht gedacht: Ich glaube, ich mag mich!