Ich lese von einer europaweiten Studie, die sich mit corona-bezogenen Falschinformationen in Facebook-Beiträgen und Russia-Today-Artikeln befasst. Ich lese von Verschwörungstheorien, Antisemitismus, Corona-Leugnern, Impfgegnern, Nazis und anderen Fundamentalisten of any color and any kind.
Was ich nicht verstehe:
- Ist dann also der oft verbreitete Eindruck falsch, die Leute würden immer unfähiger, verschriftlichte Informationen aufzunehmen?
- Wenn diese Leute aber entgegen aller Unkenrufe in der Lage sind, verschriftlichte Informationen aufzunehmen, warum lesen sie dann nur diesen durchschaubar menschenverachtenden, dummen, destruktiven, vernunftzerstörenden Mist aus erkennbar verlogenen Quellen?
- Formulieren wir die Frage wertungsfrei: Welches besondere Merkmale haben jene Beiträge in sozialen Medien, die durchschaubar menschenverachtend, dumm, destruktiv und vernunftzerstörend sind? Was genau ist es, das sie so attraktiv macht?
- Welche Ursache hat es, dass so viele Menschen ihr Leben so tiefgreifend von Facebook-Beiträgen völlig fremder Menschen beeinflussen lassen, sei es bei Stilberatung, Autokauf, Potenzproblemen, Corona-Politik, Urlaubsreisen oder Rassismus?
90 Prozent der Doitschen würden, wären nächsten Sonntag Wahlen, irgendeine verfassungsbejahende, demokratische Partei wählen und nicht die AfD. Daher ist das Problem noch nicht allzu groß. Aber dennoch: Können wir, die vernunftbegabten 90 Prozent, an unseren Online-Veröffentlichungen oder an unserem gesamten öffentlichen Erscheinungsbild etwas verbessern, um auch die Knallköppe zu erreichen?
Hintergrund ist eine Idee, mir gestern während der arte-Doku "Die Jahrhundertschlacht" kam. Mir fiel auf, dass die Klima-Proteste in Frankreich anscheinend von einer Reihe attraktiver Frauen organisiert werden. Das ist interessant, seit man immer mehr begreift, dass politischer und religiöser Fundamentalismus, Rassismus, Faschismus etc. ihre stärkste Kraft aus der Verzweiflung der Incels saugen, der unfreiwillig zölibatären Männer, also jener Männer überall auf der Welt, die keine Geschlechtspartnerin finden und ihre Frustration in Fremdenhass, Frauenfeindlichkeit etc. projizieren.
Ein älterer Kollege hat mir mal gestanden, er habe sich nur deshalb für die "Frankfurter Schule" interessiert, weil in Habermas' Soziologie-Vorlesungen die knusprigsten Mädels saßen. So selbstironisch, wie er das erzählte, war da gar nichts Sexistisches dabei, nur sehr viel kluge Menschlichkeit und Selbsterkenntnis.
Vielleicht müssen wir Vernunft und Demokratie einfach - im Marketing-Sinne - sexy machen.* Es IST nämlich cool und neu und sexy, sich für Freiheit, Menschenrechte, Umwelt, die FDGO einzusetzen.
Stilprobe: Schaut Euch doch mal die Fascho-Bratzen genau an, egal, ob Männchen oder Weibchen: Wer Bock hat, mit denen ein Leben lang abzuhängen, muss echt einen an der Waffel haben!
*Laschet, Merz und Röttgen sind jetzt nicht so ... wie soll ich sagen ...