Mittwoch, 29. März 2017

Schwester im Geiste


Kaufe in letzter Zeit öfter in einer Bäckerei-Filiale, deren Chefin, nicht unintelligent, eine klassisch-konservative, man könnte sagen: strenge Mitarbeiterführung pflegt, auf Qualität von Ware und Verkaufs-Dienstleistung höchsten Wert legt und im Umgang mit Kunden, mit mir, freundlich, sachlich und zuvorkommend agiert, ohne jemals unterwürfig oder pomadig daherzukommen.

Stelle wieder mal fest, ich mag diesen Stil. Es mag Menschen geben, die die Normengeleitetheit, die Konventionalität der Verkaufsgespräche als spießig, gekünstelt und steif kritisieren würden. Aber ich glaube, das beruht auf einem Missverständnis.

Vielmehr bin ich überzeugt, dass der klassische Code, in dem besagte Dame und ich interagieren, folgende geheime Botschaft übermittelt:

"Wir beide sind uns vollkommen einig in der Überzeugung, dass der größte Teil der Menschheit aus -> Idioten und -> Arschlöchern besteht. Wir vermuten zwar voneinander, dass wir nicht dazu gehören, aber die Kürze, die Zweckgebundenheit sowie die Seltenheit unserer Gespräche ist nicht geeignet, diesbezüglich Sicherheit herzustellen. Wir sind also distanziert freundlich zueinander, denn es besteht kein Grund, sich durch mehr oder weniger versteckte Unfreundlichkeit und unterschwellig vermittelte Ablehnung gegenseitig das Leben zur Hölle zu machen ..."

Die "freundliche Distanz" darf als Kulturtechnik nicht aussterben, denn sie ist perfekter Ausdruck des Menschenbildes, das im Spannungsfeld zwischen erfahrungsbedingtem Zynismus und naiv-natürlicher Menschenliebe entsteht.




(verändert Quelle unbek.)