Samstag, 25. März 2017

You do it yourself.


Interessante Sache, das: Youtube, sprich: Google verliert gerade reihenweise Großkonzerne als werbende Großkunden, weil es einfach nicht gelingt, zu verhindern, dass deren Werbung immer mal wieder neben widerwärtigen und verstörenden Inhalten auftaucht. Zurecht verweist Google darauf, dass es technisch extrem knifflig ist, einen Algorithmus zu programmieren, der prüft, ob die Inhalte von Videos, Bildern und Texten zu den Aussagen der automatisch placierten Werbung passt. Der Kinderschänder verwendet womöglich ähnliche Zeichenketten wie der Hersteller von Kindernahrung oder Kinderkleidung.

Da wir hier von Marketing-Problemen schwerstprofitschindender Großkonzerne sprechen, hält sich mein Mitleid in ganz engen Grenzen. Aber ich finde, wir lernen hier was über das Internet, vor allem über Datenschutz und Grenzen der Ausspähung. Es ist eben nicht so, dass ein Konzern sich wirklich für Dich ganz persönlich, für Dich als Individuum, interessiert. Oder dass in einer Abhörzentrale ein NSA-Agent sitzt und persönlich Deine e-mails, whatsapps, Dein Surfverhalten und Deine Amazon-Wunschliste mitliest. Keine Chance: Pro Minute wird Videomaterial im Umfang von 400 Stunden auf Youtube hochgeladen, Stand Juli 2015. Ein Verhältnis von 1:24.000, Tendenz steigend, Sicht-Kontrolle unmöglich, es sei denn, Du hättest 24/7/365 24.000 MitarbeiterInnen plus nachgeordnete Operative im Einsatz, nur, um Videos zu überwachen.

Was aber prima von Maschinen kontrolliert werden kann, sind alle Daten, die tabellarisch anzuordnen und auszuwerten sind, wie z.B. Namen und Schuhgrößen und/oder Namen und Geburtsdaten und/oder Namen und andere Namen, z.B. aus Adressbüchern, Freundeslisten, Kontakten sozialer Netze, messenger-Dienste, e-mail-Konten. Und natürlich Namen und Selbstaussagen aus den multiple-choice-Menüs der "Profil-Einstellungen", wie Beziehungsstatus, Hobbies, sexuelle und politische Vorlieben etc.

Klar, worauf das hinausläuft? Das ganze Bespitzeln und Überwachen funktioniert nur, weil wir uns selbst ausliefern. Würden wir unsere Daten nicht, ach, so bereitwillig vorstrukturieren, könnten die Geheimdienste und Konzerne so viel Internet-Traffic mitschneiden, wie sie wollten, sie hätten es mit einer einzigen, riesigen, unüberschaubaren Datenflut zu tun. Kollaps in Sekundenbruchteilen. 


"Les tyrans ne sont grands que parce que nous sommes à genoux."
"Die Tyrannen sind nur mächtig, weil wir uns unterwerfen."

Boetie: Von der freiwilligen Knechtschaft, 1574


(aus: Das Leben der Anderen; 2006; stark verändert via bpb.de)
Hach, individuell abgehört und ausspioniert werden - ein Traum, ein Träumchen! Heute kümmert sich kein Schwein mehr persönlich um Dich. Alles muss man selber machen.