Donnerstag, 6. August 2015

Falsches Ziel


Die Milchviehhalter protestieren gegen die, Zitat, "ruinösen" Niedrigpreise der riesigen Discounter und Molkereikonzerne. 150 Bauern mit 80 Treckern blockierten neulich eine Aldi-Filiale im ländlichen Hesel, Ostfriesland, meldet das Käseblatt.

Ich verstehe das wieder mal nicht:

Wenn die Preise ruinös sind, warum liefern die Bauern dann noch? Klar, weil die Betriebe andernfalls sofort untergingen, aber das tun sie doch schon seit Jahren. Sind die jetzt noch übriggebliebenen Betriebe also jene, die seit Jahren jedem Druck willig gefolgt sind, jeden Trick angewendet haben, die Konkurrenz doch noch zu übertrumpfen, d.h. zu unterbieten? Ist das, was auf dem Milchmarkt gerade passiert, nicht gerade eine für kapitalistische Wirtschaftssysteme sinnvolle und gewollte Bereinigung? Was ist schlecht daran, wenn Angebot und Nachfrage den Preis regulieren und dass, wenn die Nachfrage sinkt, der Preis den Betrieben auferlegt, sich nach anderen, marktgängigeren Produkten umzusehen? Riefen die Bauern nicht seit Menschengedenken christkonservativ nach freiheitlich-betriebswirtschaftlicher Eigenverantwortung, nach freiem Spiel der freien Kräfte?

Was, bitteschön, macht der Aldi-Konzern falsch, wenn er die Produkte dort einkauft, wo sie am preiswertesten zu beziehen sind? Wenn französische, polnische, russische oder vietnamesische Bauern billiger produzieren können, dann muss man sich doch freuen, dann verdienen die nämlich auch mal Geld, und dann können sie sich, Beispiel, auch mal deutsche Autos oder wenigstens deutsche Maschinen kaufen. Die können Milch besser, wir können Maschinen besser, klug und friedensstiftend ist's, das zum beiderseitigen Vorteil zu befeuern.

Und außerdem: Selbst im agrarischen Hesel bietet Aldi laut Textnachricht billige Butter an. Daraus schließe ich, dass auch im agrarischen Hesel die Leute, auch die Bauern, gerne billige Butter im Supermarkt kaufen. Ich frage erneut: Was macht Aldi falsch?

Letzte Frage: Der Bundesverband der Milchviehzüchter hat ein schlichtes und gar nicht mal so dämliches Konzept entwickelt - soweit ich Total-Ahnungsloser das überhaupt beurteilen kann - um Milchpreiskrisen effektiv und solidarisch zu begegnen. Warum greift das nicht? Warum ist das nicht längst von Bauern einstimmig abgenickt und konsequent umgesetzt worden? Darf ich eine Vermutung äußern? Weil es auch unter den Milchviehhaltern immer ein paar dumme, rücksichtslose, egoistische, gierige Arschlöcher gibt, Leute, die, wenn alle anderen solidarisch gegen die Konzerne antreten, ihre Chance wittern und ihren Liter Milch um den halben, entscheidenden Cent niedriger anbieten, um einen kurfristigen persönlichen Profit auf Kosten der Gemeinschaft zu machen.

Tröstet Euch, ihr Bauern. Diese Arschlöcher gibt es in jeder Branche. Und was das Tollste ist: Das kapitalistische Wirtschaftssystem basiert darauf. Erst auf der Ebene globaler Konzerne sind so wenig Akteure auf der Bühne, dass diese Absprachen treffen können und zu allseitigem Gewinn durchhalten. Das, liebe Leute, ist der Grund, warum die Konzerne so stark sind und Ihr so schwach seid.

Vor 466 Jahren hat das ein 19jähriger begriffen und beschrieben. Keine Ahnung, warum wir bis heute außerstande sind, diesen einfachen Gedanken in verändertes Verhalten umzusetzen.

(Über die freiwillige Knechtschaft)
"Les tyrans ne sont grands que parce que nous sommes à genoux."
"Die Tyrannen sind nur groß, weil wir uns beugen."








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