Dienstag, 19. Dezember 2023

Der Reichsnährstand hat gesprochen!

 

Unbestritten, dass die Bauernlobby in Doitschland sogar noch mächtiger ist als die Autolobby, vor der ja bislang auch jede Regierung jederzeit devot einknickt. Als Bauer wäre ich aber trotzdem schwer beleidigt, wenn mein Verbandspräsident und der zuständige Bundesminister ganz öffentlich damit argumentieren, wenn ich meinen Willen nicht bekäme, liefe ich wieder zu den Nazis über

Gut, eine gewisse Affinität zu der Blut-und-Boden-Propaganda habe ich nie abgelegt, nachdem die Nazis uns damit '33-'45 so überaus erfolgreich gebauchpinselt haben, und entnazifizieren konnte man mich anschließend auch nicht, da ich seinerzeit ernährungswirtschaftlich viel zu wichtig war ...

Aber das so offen rauszuhauen und mit meiner latenten geistigen Nähe zu den heutigen Faschisten  so offen zu drohen, das ist schon ... mutig. Und dass Özdemir ganz öffentlich vor dieser Drohung einknickt, statt empört dagegen Sturm zu laufen, wie aufrechte Demokrat*innen es hätten tun sollen, zeigt, wie goldrichtig der Bauernverband mit dieser Dreistigkeit taktiert. 

Und, abgesehen von dem verschwindend geringen Bruchteil progressiver, d.h. gemeinwohlorientierter, ökologisch arbeitender (Solawi-)Betriebe sind wir Bauern nun mal ausschließlich darauf bedacht, unsere Profite weiterhin zu privatisieren und unsere Verluste und die von uns verursachten Umwelt-Katastrophen weiterhin zu vergesellschaften. Da sind wir konservativ, national - und wenn es um Subventionen geht - auch sozialistisch. 

Und die öffentliche Reaktion gibt uns doch recht: Blockaden durch "Last generation" werden kriminalisiert, Treckerblockaden werden gefeiert. Scholz nennt die Klimakleber "bekloppt", aber die Ampel nimmt die Kürzungen der Agrar-Subentionen sofort zurück. Wir sind durch und durch erfolgreich.

Warum sollten wir Bauern unsere Nähe zu den Nazis also leugnen? Wo uns das so in die Karten spielt?


(verändert via wiki commons)
Das ist die Zukunft, wenn man uns die Subventionen für Agrar-Diesel kürzt!










Samstag, 16. Dezember 2023

Wer entscheidet über Gendersprache?

 

Mich interessiert mittlerweile nicht mehr, aus welchen ausschließlich macht-taktischen Gründen gerade mal wieder die Gendersprache als Sau durch's Dorf getrieben wird. 

Halten wir aber bitte nochmals fest:

  1. Für Schulen und Behörden gilt bei uns, dass die jeweils obersten Dienstherr*innen Verwaltungs- Regelungen erlassen dürfen, z.B. für die Arbeits- und Ablauforganisation, Uniformen, Behördenlogos, Hierarchien, Dienstzeiten - und eben auch für den Schriftverkehr.
  2. Die deutschsprachigen Länder Österreich, Schweiz und Deutschland haben den gemeinsamen "Rat  für Rechtschreibung" gegründet, der Sprachregeln der drei Länder vereinheitlichen soll. Die von diesem Rat beschlossenen Regeln findet man in zwei kostenlosen *.pdf-Dateien auf der Website.
  3. In Deutschland sind diese Regeln für Behörden und Schulen von den weisungsbefugten Dienststellen verbindlich gemacht worden. 

So einfach kann das Leben sein!

Aus irgendwelchen Gründen, geilen sich einige alte weiße Männer¹ aber immer wieder daran auf, unser Leben kompliziert zu machen.

Und deshalb müssen wir immer wieder richtig stellen:

  • Als bayrischer MP darf Söder bayrischen Behörden und Schulen Sprachregeln diktieren. Bevor er sich mit Feinheiten wie dem Gendern beschäftigt, sollte er aber zunächst Sorge tragen, dass in bayrischen Behörden und Schulen richtiges Deutsch, also Hochdeutsch, also Preußisch bzw. Obersächsisch gesprochen wird. Nur zur Information: Der Satz "I hob di des g'sagt g'hobt!" kommt in keiner normalen und richtigen Sprache vor. Was für eine Zeitform soll das sein? Ultra-Perfekt? Deppen-Perfekt? 
  • Der Genderstern kommt in den Regeln des Rechtschreibrates nicht vor. Dass Söder nun öffentlich beteuert, das Gendern verbieten zu wollen, ist also völlig überflüssig, denn in dem Bereich, in dem Söder Regelungsmacht hat, ist das längst geklärt. Was für einen kleinen Pimmel muss man haben, um so auf dicke Hose machen zu müssen?
  • Solange wir nicht im Öffentlichen Dienst tätig sind, also in Behörden und Schulen arbeiten, betreffen uns die Schreibregeln überhaupt nicht. Wir können machen, was wir wollen, und das sollten wir auch ausnutzen!
  • Der Rechtschreibrat ist kein irgendwie demokratisch legitimiertes Gremium, sondern vornehmlich ein Ort, an dem linguistische und politische Personal-Altlasten entsorgt werden. Dementsprechend schwiemelig und intransparent sind seine Arbeit und Ergebnisse. Allerdings hat der privatwirtschaftliche Duden-Verlag dort eine irrsinnige Lobby-Macht und nutzt diese für seine kleinen, dreckigen Spielchen. ³
  • Ich habe NULL Verständnis für pseudoanarchistische Verschwörungs-Trottel*innen, die von Politiker*innen die Einführung gendergerechter Sprache einfordern. Was für ein Schwachsinn! Politiker*innen haben in dieser Hinsicht weder die Macht etwas zu verbieten, noch etwas zu erlauben. Und wer da nach staatlicher Regelung schreit, schafft überhaupt erst das Problem, das sie*er bekämpfen zu wollen behauptet.


(A. Vogel als Beckmesser in Wagners Meistersinger, 1935, verändert via wiki commons)






¹ Ich wiederhole: Dabei kann es sich auch um junge, dunkelhäutige Doppel-X-Chromosomen-Träger*innen handeln. Das Prädikat "alte weiße Männer" bezieht sich auf das Mindset "unbelehrbar, dogmatisch verkrustet, rückwärtsgewandt, rücksichtslos, menschenverachtend, egomanisch und grenzenlos machtgeil". Biologische Details spielen dabei überhaupt keine Rolle. Ich kenne sogar einen Gorilla, der als "alter weißer Mann" durchgehen könnte und vice versa².

² (Aussprache:  [ˈviːt͡sə vɛʁza]; und NICHT, wie die blöden Amis: "vaiss vörsö")

³ Um auch das nochmal ganz klar zu machen: Der Duden-Verlag ist eine ausschließlich profitorientierte Firma und hat NULL Regelungsgewalt. Allerdings arbeiten die Leute seit jeher daran, einen anderen Eindruck zu erwecken. 








Freitag, 15. Dezember 2023

Auf die Art des Donald T. aus W.

 

Höhöhö - joviales Altherren-Lächeln in die Kameras der Welt und kollektives Sich-gegenseitig-auf-die-Schulter-Klopfen: Die Silverbacks der Europäischen Union können sich gar nicht genug beömmeln über den "kreativen Verfahrens-Trick", mit dem sie ein Veto des ungarischen Alleinherrschers mit dessen Einverständnis und aktiver Mithilfe umgangen haben. ¹

Und nur ganz hauchdünn und lieblos wird der andere Trick camoufliert, der Ukraine ein rein symbolisches Signal der Hoffnung auf einen EU-Beitritt zu senden, obwohl ausnahmslos alle Beteiligten wissen, dass dieser Beitritt bestenfalls (!) in sehr, sehr weiter Ferne liegt. Man kann ja erstmal Gespräche versprechen, und mehr, beeilen sich alle zu versichern, ist ja nicht gesagt worden. Der Geruch zukünftiger Enttäuschungen und Frustrationen der naiv-wohlmeinenden Ukrainer*innen weht uns jetzt schon an.

Ich fühle mich herzlich unwohl mit dieser offen vorgetragenen und vorgelebten Verlogenheit unserer allerhöchsten Gremien.

Wenn "kreative Verfahrens-Tricks" angewendet werden müssen, um bestehende Regeln zu umgehen, dann bedeutet das zweierlei:

  1. Die Regeln sind inhaltlich schwachsinnig und müssten dringend verbessert werden. Wenn man aber nicht im Stande und/oder nicht Willens ist, die Regeln, die man immerhin selbst verfasst hat,  einer kontinuierlichen Qualitätskontrolle zu unterziehen, sondern die Fehlerhaftigkeit fortschreibt und sich ständig mit Tricksereien durchschummelt, dann findet kein Verbesserungsprozess statt. Folge: Stagnation, Verkrustung, Ende, aus.

  2. Wenn man auf allerhöchster Ebene vorlebt, dass man Regeln kreativ auslegen kann, dass man jedes Schlupfloch nutzen darf, dass nicht der Geist, die Ethik, sondern nur die kalten, toten Buchstaben des Gesetzes zählen, dann darf man sich nicht wundern, wenn die größten anzunehmenden Arschlöcher dieses Planeten sich diese Lehre zu eigen machen und entsprechend agieren. Und die Ehrlichen stellen mal wieder fest, dass sie mal wieder die Dummen sind. Es kostet Überwindung, in so einer Welt ehrlich zu bleiben.

Kurz: Es ist, was gestern in Brüssel geschah, kein großartiger Sieg, sondern, im Gegenteil, eine grauenhafte und erbärmlich klare ethische und politische Niederlage.


(stark verändert via wiki commons)

Was für einen mörderisch schlechten Einfluss
die Arschlöcher der Welt auf unser Denken haben ...
Warum lassen wir das zu?



¹ Natürlich muss man an dieser Stelle ergänzen, dass Orban zuvor die EU erfolgreich erpresst hat und erst nach einer Zahlung von 10 Milliarden Euro bereit war, seine dreckige Rolle in diesem dreckigen Spiel zu spielen.






Mittwoch, 13. Dezember 2023

Endlich bewiesen: Lagerfeld hatte recht!



Ich hoffe, ich habe das Foto stark genug verfremdet, um keine Urheberrechtsprobleme zu bekommen. 

Bei diesem Pressefoto aus dem Gaza-Streifen fiel mir perversereise das Lagerfeld-Zitat ein:

"Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren."

Dazu zwei Gedanken: 

Erstens: Ganz eindeutig hat Lagerfeld in diesem speziellen Fall recht. Diese Menschen tragen Jogginghosen. Und ihnen wurde die Kontrolle über ihr Leben genommen. Ich betone: Sie haben diese Kontrolle nicht (passiv) verloren, zufällig und versehentlich, wie man vielleicht einen Kugelschreiber oder einen Schlüssel oder einen ethischen Kompass verliert. Die Kontrolle wurde ihnen (aktiv) genommen. Es hat mehrere Gruppen gegeben, die ganz niedrige und erbärmlich egomanische Interessen hatten, diesen Menschen die Kontrolle mit Waffengewalt zu nehmen.

Zweitens: Wenn ich mir einerseits den Kontext des Zitats, den krankhaft arroganten, durch und durch trivialen Lagerfeld, seine dümmliche, überreiche, ekelerregende Camarilla und den ganzen hirnverbrannten aber milliardenschweren Rummel um die Haute-couture so anschaue und wenn ich - vermittelt durch obiges Zitat - andererseits das Leid so vieler Menschen sehe, dann bleibe ich fassungslos zurück und schäme mich wieder mal, dieser Specie anzugehören.






Donnerstag, 7. Dezember 2023

Noch 'n Rückzugsgefecht

 

Der Guardian überrascht mich immer wieder mit Insider-Informationen, so auch heute:

Hätte ich im Traum nicht gedacht, dass Fidel, der Máximo Lider, für die CIA arbeitete. Ich dachte, die hätten, im Gegenteil, eine eher konfliktbeladene Beziehung gehabt, bla, bla, bla ...

Klar, es ist natürlich wieder ein mehr oder weniger ulkiger Übersetzungsfehler:

Warum finden wir derartige Fehler bemerkenswert?

Erstens: Wir haben hier einen schönen Beleg dafür, dass die deutsche Grammatik, die im Vergleich zum Englischen komplexer und intellektuell fordernder ist, nicht ohne Grund ist, wie sie ist. In obigem Titel wird der Plural im Deutschen doppelt markiert: "... Fidel und Rául ..." und " ... arbeiteten ...". Im Singular stünde das Verb "... arbeitete ...". Im Englischen gibt es nur "... worked ...", und so musste die KI raten, ob Juanita oder Fidel und Rául für die CIA arbeiteten.

Zweitens: Wenn man aussichtslose Rückzugsgefechte führt, ist man für kleine Erfolge besonders dankbar. KI wird uns überrollen, und was vom menschlichen Geistesleben übrigbleibt, wird erbärmlich sein. Umso mehr erfreuen wir uns immer wieder daran, KI an Rückbezüglichkeiten (" ... who worked with CIA ...") scheitern zu sehen.

Um die Aussage der Titelzeile aufzulösen, muss man das Kontextwissen haben, dass Fidel und die CIA eher nicht kooperiert haben. Eine einigermaßen gute KI müsste sowas "wissen". Aber sie müsste auch "wissen" dass sie in diesem Fall, bei dieser Übersetzung, auf dieses "Wissen" zurückgreifen müsste - und woher, bitteschön, soll sie das denn "wissen"?

Klar, man könnte KI lehren, bei jedem Rückbezug eine Plausibilitätsprüfung einzuschleifen, aber wie berechnet die KI Plausibilität? Und wie lange soll sie rechnen, wenn es keine eindeutige Lösung gibt? Beispiel: "Horst liebt Heiko, weil er so nett ist." Ist Horst nett oder Heiko? Ich weiß es nicht, weil ich weder Horst noch Heiko kenne. Ich müsste nachfragen. Vielleicht tue ich es, vielleicht auch nicht, wen interessiert's? Was aber soll die KI in so einem Fall machen? Mich mit blöden Nachfragen zum Wahnsinn treiben? 

Suhlen wir uns noch ein bisschen in dem rasend schnell austrocknenden Tümpel des Überlegenheitsgefühls, das wir dem unerreichten menschlichen Kontextualisierungsvermögen verdanken.


(verändert via wiki commons)
 


 

 



Sonntag, 3. Dezember 2023

Advent = Ankunft

 

 

(...)
It's okay to start again cause change is gonna come.
Nothing ever stays the same, it's not like we're still young.
Let's blow it up and burn it down so we can stand alone.
No Fear of change, no fear of the unknown.

All my hopes and memories are blowing in the wind,
I started off with nothing and I'm back here once again.
(...)

Amy Mcdonald - Ashes  




Vorgestern anner Küste






Mittwoch, 22. November 2023

Worterklärung: Elite und Populismus

 

Ich mag es ja, wenn ein Wort maximal eindeutig definiert ist, denn wenn es das nicht ist, finden sich immer machtgeile Arschlöcher*innen, die es im Sinne ihrer niederen Zwecke pervertieren. 

Thema heute: Elite versus¹ Populismus

Elite:

Das Wort "Elite" wird von den fundamentalistischen Braunbratzen of any colour and any kind als abwertender Kampfbegriff gegen jeden Menschen verwendet, die*der sich selbständigen Denkens schuldig gemacht hat. Stattdessen wollen wir definieren, Elite, das sind

Menschen, die lebenslanges Lernen und Um-Lernen und Neu-Lernen (z.B. nach entsprechender Kritik und / oder Erfahrungen) für eine zwingende Notwendigkeit und einen je persönlichen Gewinn betrachten. Dabei ist es völlig (!) wurscht, wo man startet und wo man endet. Es ist einzig die lern- und bildungs-positive Haltung, die "Elite" ausmacht. ²

Ein jugendliches Genie, das ihre*seine geistige Entwicklung mit Ende Zwanzig beendet, mag einen Professoren-Titel haben, gehört aber nicht (mehr) zur Elite, sondern bestenfalls zur gehobenen Dienerschaft der Herrschenden. Ein*e Raumpfleger*in, der*die erst nach der Verrentung die Möglichkeit findet (und nutzt), sich mit außerberuflichen und -familiären Dingen denkend auseinanderzusetzen, ist Teil der Elite.

Elite sagt: Es ist ein Muss und ein Wert an sich, jeden Tag etwas schlauer zu werden, kritisch zu sein, zu zweifeln und zu prüfen.

Populismus:

Menschen, die eine allgemeine lern- und bildungs-positive Haltung ablehnen und öffentlich verunglimpfen, betreiben Populismus. Ihre Botschaft lautet, dass Denken und Lernen und die damit zwangsläufig verbundene kritische Haltung anstrengend, gefährlich, unnötig, spaßbremsend, öde, fehleranfällig und lahmarschig seien.

Populismus sagt: Du bist perfekt. Die Welt ist perfekt. Lernen ist anstrengend und unnötig.³ Nachdenken ist schädlich und Du kannst das sowieso nicht, also gib's auf. Veränderung ist schädlich und gar nicht nötig. Kritik ist ein Verbrechen, Du verdammter Klugscheißer, je grundsätzlicher, desto schlimmer.


Prüfungsfragen zum Textverständnis:

1.) Du bist Marketing-Tussi*Fuzzi in einem Konzern, der ethisch problematische Produkte zu irrwitzigen hohen Preisen verhökert. Welche Denkrichtung wünschst Du für Deine Zielgruppe?

A.) Elite

B.) Populismus

2.) Du bist ein*e machtgeile*s Arschloch*Arschlöchin und möchtest in einem Land mit einer pseudo-demokratischen Verfassung Präsident*in werden. Welche Denkrichtung in der Wählerschaft wirst Du mit Deinen verlogenen Wahlversprechen befeuern?  

A.) Elite

B.) Populismus

3.) Du bist dumm, häßlich, verlogen, faul, unhygienisch und stinkst. In welchem Mind-Set suchst Du nach Partner*innen für aufregende sexuelle Erfahrungen?

A.) Elite

B.) Populismus

4.) Du bist Politiker*in mit Einfluss auf die Finanzierung von Bildung in Deinem Staate. Da Du möglicherweise nicht wiedergewählt wirst, hast Du Dir schon mal Beraterposten bei namhaften Konzernen gesichert. Welcher Maxime neigst Du in Bezug auf allgemeine staatliche Bildung  zu?

A.) Wir brauchen mehr Bildung. Nur kritische Geister mit umfassendem, kontextualisierbarem Wissen werden in der Lage sein, die gewaltigen Menschheitsprobleme der Zukunft zu bewältigen.

B.) Lesen, Schreiben, Rechnen. Grundlagen-Wissen reicht. Ach ja, und US-Englisch, die Sprache der planetaren Herrscher, um deren Befehle richtig verstehen zu können. 




(Nike von Samothrake - stark verändert via wiki commons)
Höhö! Die Siegesgöttin voll mit apper Birne ... Höhöhö.





¹ Können wir uns mal eben ganz schnell darauf einigen, dass das Wort "versus" so gesprochen wie geschrieben wird? [ˈvɛʁzʊs] Was für ein vollverblödeter Schwachsinn, die falsche und dümmlich-arrogante us-amerikanische Aneignung "vörsis" nachzuäffen!

Noch viel grauenhafter: Nike wird ebenfalls so gesprochen wie geschrieben: [ˈniːkə]. Hirntote Vollidioten sagen natürlich "Naikiiiee", weil unsere überseeischen Hegemonen zu ignorant sind, den griechischen Ursprung zu kapieren. Und googelt mal "Nike" und prüft, nach wieviel Seiten Konzernwerbung die griechische Siegesgöttin erstmalig auftaucht. 

Tausende weitere Beispiele, aber ich rege mich ja nur wieder auf ...

² Muss ich noch betonen, dass Lernen, d.h. eine Vergrößerung des persönlichen Wissens grundsätzlich - und zwar per definitionem! -  eine Verhaltensänderung zum Guten nach sich zieht? Wenn Lernen nämlich nicht zu verändertem Verhalten führt, habe ich nix gelernt, sondern nur Faktenwissen angehäuft. Das hilft bei der Lösung von Kreuzworträtseln, ist aber ansonsten völlig nutzlos.

³ Motto: "Ich weiß alles, was man wissen muss. Was ich nicht weiß, muss man auch nicht wissen." Ich könnte kotzen, wenn ich überlege, wie oft ich - mehr oder weniger verklausuliert - diese Auffassung gehört habe.





Sonntag, 12. November 2023

Unmöglicher Brief zum Gaza-Krieg


Eigentlich hatte ich beabsichtigt, einen "Offenen Brief an alle friedliebenden Palästinenser*innen" zu schreiben, in dem ich ihnen erklären wollte, warum Deutsche niemals wieder das Recht haben werden, Juden, Israelis, den Staat Israel, israelische Institutionen etc. zu kritisieren. Ich hielt das für notwendig, um zu erklären, warum deutsche Nahost-Politik gerade den Anschein erweckt, Würde, Leib und Leben palästinensischer Menschen seien weniger wert als israelischer Menschen.

Ich wollte erklären, was für ein seltsames Gefühl das ist, wenn man gewohnt ist, alles Mögliche - und oft auch Unmögliches - grundsätzlich im Diskurs zu zerblättern, in Bezug auf das deutsch-israelische Verhältnis in diesem Grundsatz aber eine Riesen-Lücke klafft, wie ein großes Schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie. 

Ich wollte erklären, dass es, wie bei jedem anderen Staat auch, einige Punkte gibt, die mir an Israels Politik kritikwürdig erscheinen und dass die jüdische Religion, wie alle abrahamitischen Religionen, gewaltige ethische Probleme aufwirft ¹.

Und schließlich wollte ich erklären, dass wir Deutsche, die Nachfahren der Täter, dieses Recht auf Kritik ein für alle Mal und in alle Ewigkeit verspielt haben und dass das gut so ist! 

Die alten weißen Männer, die an der Spitze des israelischen Staates und seiner Religion stehen, die, wie alle alten, weißen Männer an der Spitze eines jeden Staates und einer jeden Religion,  kein Problem damit haben, hunderttausende von Menschenleben zu opfern, um ihren persönlichen Machterhalt zu sichern, werden anderswoher erleuchtet werden müssen. Ich bin raus. Wir Deutschen sind raus. Wir haben in diesem Fall kein Rederecht, und - ich wiederhole - das ist völlig gut und richtig so!

Am Ende des Offenen Briefes wollte ich die friedliebenden Palästinenser*innen meiner uneingeschränkten Solidarität und meines Mitgefühls versichern, ebenso die Jüdinnen und Juden. Da wäre mir schon was eingefallen, klarzumachen, dass alle Menschen gleich und Gewalt grundsätzlich Schwachsinn seien.

Egal.

Der Brief konnte nicht geschrieben werden. Das Gelände ist zu toxisch, geistig zu vermint, jede Seite fragt auf Meta-meta-meta-Ebene nur noch nach Motiven, Inhalte spielen überhaupt keine Rolle mehr. Hannah Arendt hat sowas als Merkmal von Faschismus identifiziert.

Es ist im Gaza-Krieg schlimmer, viel schlimmer als im Falle des Ukraine-Krieges. Wo ja auch schon der schlichte Wunsch nach Frieden Dich zum Putin-Befürworter stempelt.




(Schwarzes Loch, stark verändert via wiki commons)





¹Die sehr schwiemelige, undurchschaubare Kombination von Staat und Religion wäre auch so ein Kritikpunkt.) 






Donnerstag, 9. November 2023

Immer wieder: Grübeln über Enkelfragen

 
Ständig lege ich mir neue Antworten bzw. Ausreden zurecht, für den Fall, dass die Enkelgeneration mich eines Tages tatsächlich fragt: "Wie konntet Ihr nur ...?!" und "Warum habt Ihr nichts dagegen getan?"

Ihr müsst verstehen, werde ich sagen, der Kapitalismus war ein System, das uns alle so durchdrungen hatte, dass es uns schon gar nicht mehr auffiel. Man nennt das Internalisierung. Metapher zum Verständnis: Du kannst Stickstoff nicht riechen, weil Du 78 % Stickstoff atmest. 

Es war unhinterfragbar, dass ausschließlich individuelle Gier, Egomanie und Streben nach absoluter persönlicher Macht die Menschen im 21. Jahrhundert antrieben. Wer ernsthaft behauptete, es gäbe noch andere, idealistischere Motive, galt zunächst als Naivling, dann als Vollidiot und schließlich als potentieller Staatsfeind. 

Du konntest pottenhäßlich, dumm und soziopath sein, wenn Du Kohle hattest, bekamst Du Aufmerksamkeit, Anerkennung, Sexualpartner*innen und unfassbaren wirtschaftlichen und also politischen Einfluss. Warst Du hingegen ökopax, bescheiden, mitfühlend und solidarisch, galtest Du als schwaches, verschrobenes Weichei und kamst wirtschaftlich und menschlich nur schwer zurecht. Zwischen diesen Extremen konnte und musste Jede*r ihre*seine persönlichen, kleinen, dreckigen Kompromisse machen.

Neben dem Kapitalismus gab es noch einen zweiten katastrophalen, internalisierten Irrtum, und der betraf die Demokratie. Nicht, dass ich die Demokratie an sich in Frage stelle, oh nein, sie ist die einzige menschenwürdige Staatsform.

Allerdings nicht, wenn man sie mit "Wähl'-Dich-reich"¹ verwechselt. Die ursprüngliche Idee der Demokratie lautete, dass, wenn alle vernunftbegabten Mitglieder einer Gemeinschaft im Austausch mit anderen oder Jede*r für sich kluge und verantwortungsvolle Gedanken zur Zukunft dieser Gemeinschaft und den dafür angemessensten Maßnahmen dächten - dass sie dann jenen Politiker*innen Staatsmacht in die Hände legen würden, die diesen Gedanken am weitestgehenden willfahrten. ² 

Die ursprüngliche Idee der Demokratie war NICHT, dass, wenn ein Politiker ³ mit unverantwortlichen, unrealistischen und uneinlösbaren Wahlversprechen lockt und ein anderer kluge, wichtige und richtige Ziele formuliert, die vielleicht nicht immer bequem sind - dass dann automatisch und garantiert der Ehrliche verliert und der Lügenbold gewinnt und eine Legislaturperiode lang nur dafür sorgen muss, dass man ihm nicht allzu deutlich auf die Schliche kommt. Wonach dann alles vergessen ist, und der Spaß von vorne beginnt ... 

Zurück zu Eurer Frage, warum wir nichts getan haben: Das System war unangreifbar.

Demokratie setzt hinreichende Bildung in weiten Teilen der Bevölkerung voraus. Wenn es den Herrschenden einmal gelungen ist, das Volk gezielt zu verblöden - und in unserem Fall ist ihnen das gelungen! - dann hast Du statt mündiger Bürger*innen eine Masse fauler und korrumpierter Idiot*innen, Speichellecker*innen, Mitläufer*innen. 

Was ich "dagegen getan habe"? Ich bin Lehrer geworden, und zwar genau aus diesem Grund. Hat aber nix gebracht, deshalb habe ich frühestmöglich das Handtuch geschmissen. Alternativen hatte ich keine, denn als ich meine prinzipielle Wirkungslosigkeit erkannte, war's zu spät und für einen Neuanfang war ich zu alt und zu korrumpiert. 

(...)

Bitte? Nein, Bombenschmeißen hätte auch nichts gebracht, aus politischer Gewalt resultieren ausnahmslos Diktaturen.




(Schnackenberg, 1918, via wiki commons)





¹ Der Spruch stammt von Terry Pratchett, aber ich weiß nicht mehr, in welchem Text das auftaucht. 

² Konjunktiv von "willfahren"? "Willfahrten" oder "willführten"? Keine Ahnung! "Sie sagte, sie glaube, dass X und Y ihren Erwartungen willführten." ... Klingt falsch. Egal.

³ Ja, un-gegendert. In der Politik erreichst Du nur als machtgeiler, alter weißer Mann Machtpositionen, und dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wieviele X-Chromosomen Du hast, wann geboren und mit welcher Hautfarbe.







Samstag, 28. Oktober 2023

Lust auf Demokratie


In der Debatte um die scheinbar zunehmende Lust an individueller Unterordnung unter autoritäre Systeme hat mal jemand gesagt, man müsse, statt immer nur vernichtend gegen den Faschismus zu wettern, auch mal wieder klar sagen, was eigentlich das Geile an Demokratie ist. ¹

Hier meine spontane Sammlung:

Erstens: Am meisten liebe ich die Möglichkeit zu völlig diversen Lebensentwürfen, egal, ob politisch, sexuell, wirtschaftlich, gesellschaftlich, philosophisch usw. Mit Erstaunen, Interesse, Bewunderung, ungläubigem Kopfschütteln, mitunter auch angeekelter Ablehnung schaue ich mir allzu gerne an, was Menschen werden, wenn sie werden dürfen, wer sie sind. Und wiewohl ich selbst allzuoft viel zu faul und/oder zu feige war und bin, die Freiheit auszunutzen, in der ich leben darf, genieße ich das Potential des "Ich-könnte-auch-ganz-anders!" Immerhin könnte ich eines Tages. Das ist ein gutes Gefühl. Viel besser als "Ich würde gerne, aber irgendwelche Bratzen haben's verboten. Schade."

Zweitens genieße ich, dass in einer richtigen Demokratie die politischen Macht-Habenden nie so ganz sicher sein können, wie lange ihr Höhenflug dauert.² Politik in einer richtigen Demokratie ist immer ein bisschen wuseliger, unsicherer, unklarer. Niemand kann ungestraft "durchregieren", und das macht Entscheidungen in demokratischen Staaten auch ein bisschen lahmarschiger. Das nervt zwar manchmal, aber wannimmer ich dann denke, ein netter, aufgeklärter Monarch wie Friedrich II wär' doch auch mal wieder was, ist natürlich der Folgegedanke, was wohl passiert, wenn der Nachfolger des netten ein arschlöchiger Monarch wäre, und d'rum halte ich's mit Churchill, dass die Demokratie die schlechteste Regierungsform ist, abgesehen von allen anderen. 

Drittens geht eine richtige Demokratie logischerweise immer einher mit Rechtstaatlichkeit ³, denn die Goldene Regel ist nun mal ... tja ... die goldene Regel. Konkret heißt das, es gibt Gesetze, die mich vor der Übergriffigkeit staatlicher Stellen und Einzelner schützen.

Dazu ist vielleicht eine Erläuterung fällig: Neo-Nazis stellen sich einen autoritären, durchhierarchisierten Führer-Staat immer so toll, so klar und einfach und effizient und orrrdentlich vor. Die alltägliche Praxis für die Masse, die ganz normalen Volksgenoss*innen, ist aber, dass sie es meist nur mit den untersten Stufen dieser Hierarchie zu tun haben. Lasst Euch von Zeitzeugen mal erzählen, was Blockwarte waren. Vielleicht wisst Ihr aber auch aus eigener Erfahrung, was passiert, wenn ethisch und intellektuell unterbelichtete Arschlöcher plötzlich in die Lage versetzt werden, Macht auszuüben. Ich möchte mir nicht von einem kleingeistigen, sadistischen Nazi-Spießer vorschreiben lassen müssen, wie ich en detail mein Leben zu leben habe.

Alle fundamentalistischen Systeme fundamentieren letztlich auf dem kleinen, größenwahnsinnigen Blockwart ganz unten in der Machthierarchie. Der Diktator ganz oben tut Dir nix, der delegiert eigentlich nur. Ausgeübt wird die diktatorische Macht im Alltag von den dummen, nichtsnutzigen Arschlöchern ganz unten. 

Sowas hasse ich. Das ist ein ganz wichtiger Grund für mich, die Demokratie zu lieben!



(verändert via wiki commons)

Kann eine uniformierte Hackfresse wirklich Fetisch sein?
Will man sich denen wirklich devot unterwerfen?
Es ist unglaublich!




¹ Genaue Quelle und Wortlaut sind mir leider abhanden gekommen. Für Hinweise wäre ich dankbar.

² Jaaaa, ich weiß, die politisch Macht-Habenden sind sowieso nur die Lakaien der Konzerne, und wenn Protagonist*innen  abgewählt werden, fallen sie weich in hochdotierte Beraterverträge, und für die Mittelbauer gibt's die Operation Abendsonne. Leiden muss da niemand.   

³ Es sei denn, die Wahlberechtigten seien mehrheitlich völlig meschugge.