Montag, 13. März 2017

What is it good for ...?


Ziemlich einhellig die Meinung, dass das Verhalten der Erdogan-Junta und der Erdogan-Sympathisanten völlig inakzeptabel ist. Ziemlich unisono aber auch das "Aber": Die sind schließlich NATO-Mitglied!

Ja. Und?

Ich will ja gar nicht mehr so naiv sein, darauf hinzuweisen, dass auch die NATO anfangs irgendwie mal für irgendwelche ethischen Ideale eintrat, nein, es war und ist ein reines Machtbündnis. Aber selbst als solches ist es doch nicht mehr auf die Türkei angewiesen. Früher war das anders:


 (via frieden-und-sicherheit.de)

Schön zu sehen, wie die Türkei sozusagen in den ungeschützten Unterleib des "Russen" zielte, HARRHARRR! Aber heute? Nichts ist geringer als die Chance, dass "der Russe kommt". Was würde denn passieren, wenn 60 Jahre alte Kaltkriegs-Alpträume wahr würden und "russische Dampfwalze" durch Mitteleuropa zum Atlantik rollte? Die Chinesen würden's niemals akzeptieren, die Amis dito, und da Rest-Europa bzw. West-Europa so ganz wehrlos auch nicht ist, müssten die Russen schon Kräfte zusammenziehen, die sie an vielen anderen Stellen verletzlich machten. Da geht nix mehr! So eine Nummer kann und will sich niemand leisten.

Nur wessen strategisches Kalkül bei der Panzerschlacht von Kursk oder so hängengeblieben ist, argumentiert noch mit diesem "Wir-brauchen-die-Türkei"-Quatsch. Lass Erdogan doch zu Putin überlaufen, die verstehen sich bestimmt viel besser.

Einzig und allein die deutsche Rüstungsindustrie braucht die Türkei, denn 93 Milliarden Umsatz in einem Jahr sind nicht zu verachten!











Freitag, 10. März 2017

"Elite" für Dummies


Die Populisten dieses Planeten haben keinen eigenen Standpunkt. Sie definieren sich nur im Dagegen-Sein und in der Abgrenzung. Wichtigster innenpolitischer Abgrenzungs-Gegner ist dabei stets die sogenannte "Elite". Mit dieser verhassten "Elite" ist aber nicht der geradezu pervers Reiche gemeint, denn damit würden sich viele Populisten, Trump beispielsweise, ja selbst abschießen. "Elite" meint auch nicht die Machtelite, also die Leute, die aktuell die Macht in einem Staat ausüben. Dagegen können die Populisten natürlich auch nichts haben, weil sie genau das doch für sich selbst anstreben. Darum gehen Putin und Trump, Orban und Erdogan, Kaczinsky und Netanjahu sich auch nicht gegenseitig an die Kehle, sie erkennen, dass sie über alle politischen und rassistischen Gräben hinweg alle eines sind: Machtgeile alte Männer.


Wenn Finanz- und Macht-Eliten als Punching-Ball ausfallen, bleibt logischerweise nur der Hass auf die intellektuelle Elite, denn irgendwen muss man ja hassen, wozu wäre man sonst Populist? Und das ganze Volk zum Gegner zu erklären, ist taktisch unklug.

Nun ist es anscheinend so, dass ich nolens volens auch zur "intellektuellen Elite" gehöre, jedenfalls hat mich neulich mal jemand als "intellektuellen Wichser" bezeichnet. Ich habe Anlass zur Vermutung, dass auch diese Person sich damit von mir abgrenzen wollte, und diese Intention entspricht vollumfänglich der meinen, denn bei bestimmten Menschen hielte ich es für einen Affront, wenn sie mich beispielsweise für einen "besten Kumpel, Du verstehst mich, weißte ..." hielten.

Wie auch immer: Der Dalai Lama hat mal gesagt, dass man nur hassen könne, was man nicht genau genug kenne. Daher möchte ich versuchen, den nicht-intellektuellen Wichsern einfach mal zu erklären, wie wir intellektuellen WichserInnen so ticken.

Ich schreibe das in Form leicht fasslicher Thesen, damit die Braunbratzen mit der spiegelglatten Großhirnrinde auch 'ne Chance haben.

Wie "intellektuelle Elite" denkt:
  1. Goldene Regel: Was man mir nicht antun soll, will ich auch nicht anderen Menschen zufügen. Total simpel und in jeder Religion vorhanden. Selbsterklärend, oder?
  2. Hab' keine Angst vor fremden Menschen. Wenn man's nicht kennt, scheint's erstmal unglaublich, aber alle Menschen ticken überall (!) gleich. Es gibt überall den exakt gleichen Anteil an Doofen, Gewaltbereiten, Netten, Bequemen, Klugen usw., und im Durchschnitt sind sie harmlos und wollen nur irgendwie durchkommen.
  3. Hab' keine Angst vor fremden Ideen. Sei erstmal neugierig. Kommst Du zu dem Ergebnis, dass eine Idee totale Moppelkotze ist, musst Du sie ja nicht übernehmen.
  4. Nimm' Dir die Zeit, Dinge genau anzuschauen, auch banale Dinge, auch Dinge, von denen Du glaubst, sie seien Dir bekannt. Wenn Du einmal damit anfängst, wirst Du richtig besoffen davon, wie viel es zu entdecken gibt, an wie vielen Dingen Du bisher blind vorbeigelaufen bist.
  5. Solange sich alle Direktbeteiligten einig sind, gilt: Was Du beim Sex erregend findest, geht alle Anderen einen Scheißdreck an. Was alle Anderen beim Sex erregend finden, geht Dich einen Scheißdreck an.
  6. Eine Frage der Ehre: Die Starken schützen die Schwachen. Immer.
Ende Gelände. Der Hauptunterschied zwischen intellektuellen WichserInnen und nicht-intellektuellen Wichsern liegt, glaube ich, einfach nur in der Neugier, also in der Art und Weise, wie sie mit bislang unbekannten Menschen, Ideen und Dingen umgehen.

Naja, und wenn Ihr Nicht-I.-W. diesen Unterschied als Grund nehmt, solche Arschlöcher wie Trump, Erdogan, Petry, Höcke, Netanjahu, Kaczinsky etc. zu wählen, dann ist Euch eigentlich nicht mehr zu helfen. Aber ich starte noch einen letzten Versuch:

Wacht auf! Ihr werdet verarscht!




(via wiki commons)











Donnerstag, 9. März 2017

Das Denken hört einfach nicht auf ...


... und gebiert wieder diese quälenden Fragen: Erdogan betont eindringlich genug, es sei für die Türkei von existentieller Bedeutung, dass seine Camarilla in Deutschland Propaganda FÜR die diktatorische Machtanhäufung beim Amt des Türken-Präsi machen müsste.

Redet eigentlich IRGENDWER davon, dass die türkischen Oppositionparteien vielleicht auch mal gerne ihre Standpunkte vor den Doitsch-Türken verkünden wollen?  Nö! Warum nicht? Wollen die nicht? Dürfen die nicht? Oder ist der ganze Quatsch gar nicht sooo wichtig, sondern nur eine Image-Kampagne des psychisch kranken Mannes vom Bosporus?




 (via wiki commons)
Those were the days, my friend,
we thought, they'd never end ...

Erdogans Tragik ist, dass er überhaupt nicht mitgekriegt hat, dass andere Nationen sich in den letzten einhundert Jahren weiterentwickelt haben. Das bringt natürlich gewisse Enttäuschungen bei allen Beteiligten mit sich.








Sonntag, 5. März 2017

Theorie des Deutsch-Seins


Allmählich wird mir der neue Politik-Stil der Arschlöcher immer sympathischer. Es ist gut, dass Erdogan jetzt mal alle diplomatischen Rücksichten beiseite lässt und der Welt seine Gedankenwelt, seine wahre Gedankenwelt, vorführt. Wer nicht absolut, bedingungslos, hirnlos, kritiklos auf seiner Seite ist, wer hingegen Pressefreiheit, Demokratie und Menschenrechte für etwas unbedingt Wünschenswertes hält, ist ein faschistisch-kommunistisch-schwul-deutscher-PKK-Terroristen-Gülen-Spion-Verräter-Anti-Türke.

Ok.

Wir nehmen Derartiges zur Kenntnis, wie es aufmerksame PsychiaterInnen tun würden: Ein wenig besorgt, weil der Patient potentiell gemeingefährlich ist, aber doch auch fachlich interessiert, weil die pathologischen Befunde so herrlich offensichtlich sind, so, wie die idealisierten Zeichnungen in den Schulbüchern ...

Es geht in erster Linie ja gar nicht um Erdogan, denn der ist nur eine ganz arme Wurst, ein austauschbares Arschloch, wie Petry, Kim Jong Un, Le Pen usw. Viel wichtiger am neuen Pseudo-Politik-Stil sind die Reaktionen der Menschen drumherum. Ich bin im Großen und Ganzen recht einverstanden, dass unsere Böberschten derzeit wenigstens ein bisschen Kontra geben, immer noch viel zu zaghaft, aber immerhin mehr, als ich befürchtet habe.
 
Ich schaue mir aber auch die Reaktion der in Deutschland lebenden Türken an, soweit ich da überhaupt valide Informationen bekomme. Wenn Inhaber der doppelten Staatsbürgerschaft, in diesem Fall der türkisch-deutschen, sich immer noch, d.h. auch angesichts der offensichtlich menschenrechtsfeindlichen und anti-demokratischen Attitüde Erdogans ganz offen für ihn begeistern, dann ist das eine klare Willenserklärung GEGEN die deutsche Staatsbürgerschaft.

Diese Feststellung ist keineswegs rassistisch, denn "Deutsch-Sein" hat überhaupt nichts mit Ethnie zu tun. Die Nazis wollen uns mit ihrem Geschwafel von den "Bio-Deutschen" zwar was Anderes einreden, aber das ist kompletter Schwachsinn.

"Deutsch-Sein" heißt heutzutage einfach nur, zu den Lehren zu stehen, die man aus den schlimmsten Episoden deutscher Geschichte zu ziehen hat. Dabei ist es wirklich absolut schnurzpiepegal, welchen Alters, Geschlechts, Glaubens, Reichtums, welcher sexuellen Orientierung (oder ob überhaupt), welcher Staatsangehörigkeit, Schuhgröße (falls er/sie Schuhe trägt, was auch keine Voraussetzung ist), Augenfarbe, Sprache etc. etc etc. diese Person ist.

Sie muss nur sinngemäß sagen "Boah, was für eine unfassbare, abgrundtiefe Scheiße haben die Nazis da angerichtet! Wir müssen gemeinsam ALLES unternehmen, damit so etwas nie wieder, nicht mal in Ansätzen, passieren kann! Für die Demokratie, für Toleranz, Menschenrechte und Barmherzigkeit!" [*1]

Punkt. Das war's. Schon biste deutsch.

Mit diesem Text, meinetwegen schriftlich und mit Eigenblut unterschrieben, hat jedes Lebewesen des Universums [*2] Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft. Mit allen Rechten und allen Pflichten. In diesem - und NUR in diesem - Sinne bin ich übrigens durchaus stolz, eine deutsche Staatsangehörigkeit zu haben. Ich brauch' keine andere.

Wer stattdessen öffentlich betont, eine Staatsform zu bevorzugen, in der man sich einer übermächtigen, diktatorischen Vaterfigur devot unterwerfen darf, um im Gegenzug ein volkstümelndes Dicke-Hose-Gefühl haben zu müssen glaubt, darf bei uns gerne ein vorübergehendes Gastrecht genießen.




(verändert via wiki commons)
Hätte er unterschrieben? Aber sicher! Dreifache Staatsbürgerschaft. 
Irgendwann wird's ohnehin lächerlich.


[*1] Diese Definition ist ein bisschen idealisierend und bedeutet in der Tat, dass ein irrsinnig hoher Prozentsatz der Leute, die gegenwärtig die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, sie überhaupt nicht verdienen. Das ist ein Problem. Aber wer AfD wählt, fühlt sich ja auch in Polen wohl, die Bayern könnten nach Ungarn gehen, und vielleicht kann man für die restlichen Spießer Integrationskurse und Selbsthilfegruppen anbieten: "Ich bin der Ewald, und ich bin ein doofes, rechtes Spießer-Arschloch, möchte aber gerne Deutscher werden ..."

[*2] Ja. Ja. Ja! Schon klar: Bei Extra-Terrestriern mit völlig anderem Stoffwechselsystem könnte die Sache mit dem Eigenblut bei der Beantragung der deutschen Staatsbürgerschaft schwierig werden ... Können wir das, bitte, dann klären, wenn das Problem auftritt!? Ich bin sicher, dass wir da ganz schnell eine ganz pragmatische Alternative finden werden. Außerdem sind sowohl die Bemerkung mit den Außerirdischen als auch die Sache mit dem Eigenblut das, was wir Deutschlehrer als "hyperbolische Metaphern", zuspitzende Bilder, bezeichnen. Es ist an dieser Stelle nicht wirklich wichtig, ok? Vergiß es, ok!?





Dienstag, 28. Februar 2017

Hang zum Ekligen



Alle Welt regt sich darüber auf, dass der neue Vereinigte-amerikanische-Staaten-Präsident so viel twittert. Ich selbst habe ja keinen Twitter-account und ergo keine Ahnung, aber ist es nicht so, dass man, wenn man Trumps Tweets bekommen will, a.) einen Twitter-account braucht und b.) sich als Follower (oder was auch immer) beim realDonald anmelden muss?

Andersherum: Welchen Effekt hätten Trumps verbale Vomitationen, wenn wir sie alle als das ignorieren würden, was sie sind: Beschämende und krankhafte Ausflüsse eines machtgeilen alten Mannes!?

Wäre Trump auf einen Blasenkatheter angewiesen, würden normale Menschen dessen Ausflüsse doch auch nicht sehen wollen - warum also seine Tweets?





 (aus: Therapeutisches Lexikon - für praktische Ärzte, 1891, via wiki commons)
 Man will doch gar nicht immer alles wissen ...




Samstag, 25. Februar 2017

Sentimental Journey: Sozial-Demokratie


Um das gleich klar zu machen: Wählen werde ich sie nicht! [*1]

Aber ich empfinde viel Verständnis und durchaus Seelenverwandtschaft für Sozen-Sympathisanten. Das wird mir gerade besonders bewusst, da sonst überall in der Welt ein gefährlicher, ja: mörderischer, hirntoter National-Egoismus orgasmische Urständ feiert.

Ich würde generell nicht gerne mitten in einer Großstadt leben, auch nicht in sozen-regierten Städten. Aber diese bisschen heruntergekommenen Quartiers, zum Beispiel in Hamburg, Bremen, Berlin, die kreativ-fröhlich-stolz-verarmte Stimmung dort, diese völlig überforderten (weil etwas zu netten) Sozialbehörden, diese ein klein wenig dauer-inkompetenten Verwaltungsverantwortlichen - das ergibt zusammen einen sehr entspannten, weltmännisch-pragmatischen Flair, der ganz deutlich nicht beansprucht, immer und überall perfekt, immer und überall "first" sein zu wollen und zu müssen. Diese Städte leben und atmen das Bewusstsein ihrer BewohnerInnen, dass es wichtigere Dinge gibt als Geld, Macht und Erfolg. Das ist für mich auch Sozialdemokratie, und das ist ein Teil davon, den ich mag.

Verglichen mit dem steril sabbernden Seehofer und seinem obrigkeitlich choreographierten blau-weißen Blutrausch, verglichen mit Orbanismus, Trumpismus, Netanjahismus und all' den anderen Arschlochismen fühle ich mich in Sozi-Umgebungen stets menschlich und aufgehoben.




 (verändert via http://streetart-sammlung.blogspot.de)
Ya know what I mean?



[*1] Das hängt schlicht damit zusammen, dass die gesamte Partei-Spitze sich so hemmungslos pervers an die Konzerne ranschmeißt, dass es nur noch traurig und peinlich und ärgerlich ist. Was die Hörigkeit gegenüber den Konzernen angeht, ist die SPD kein Stück besser als CDU, CSU und FDP. Was würde Willy dazu sagen?






Montag, 20. Februar 2017

Always the same, it's just a shame ...


Keine Frage: Der Populismus, besser: der politik-gewordene Narzissmus und mit ihm all' die Trumps, Erdogans, Dutertes, Netanjahus, Wilders, LePens wird eines - hoffentlich nicht allzu fernen - Tages Schnee von gestern sein. Anlass zur Sorge besteht höchstens in der Frage, wie viel diese Leute mitreißen, wenn sie stürzen.

Mir graut aber davor, dass wir dann erstmal ganz mühevoll wieder aufbauen müssen, was eigentlich schon längst allgemeines Kulturgut war. Es geht um Dinge wie:

  • Respektiere Andersdenkende.
  • Lass auch Andersdenkende ihre Meinung äußern. Achte die Grundregeln des politischen Diskurses. Andersdenkende niederzubrüllen ist ebenso pervers, wie sie niederzuknüppeln.
  • Lüge nicht. Oder lass' Dich jedenfalls nicht dabei erwischen. Und falls doch: Zeige einen Rest von Anstand und tritt zurück. 
  • Das sachliche Argument, am besten das auf der naturwissenschaftlichen Erkenntnismethode fußende Argument, sei das Mittel der Wahl.
  • Müssen Entscheidungen ohne hinreichende Datenbasis und / oder in einem ethischen Spielraum getroffen werden, fördere den gesellschaftlichen Diskurs.
  • Sei kein egoistisches Arschloch.
  • Menschenrechte, Barmherzigkeit, Goldene Regel, bla, bla, bla ...

Das ist Alles so banal und klar und selbstverständlich. Und seit mindestens 200 Jahren allseits bekannt. Und immer, wenn die Leute sich nicht dran gehalten haben, ging's erwiesenermaßen in die Windel, und zwar heftig und mit unerträglich viel Leid bei allen Beteiligten.

Tja, und diesen banalen Kram werden wir in der Ära nach den Arschlöchern vielen Menschen wieder ganz neu vermitteln müssen.

Ich bin jetzt 55 und wütend. Und ich denke, ich werde langsam zu alt für diesen Scheiß!



(verändert via cinema.co.uk)

Symbole altern, Ideen nicht.





Sonntag, 19. Februar 2017

Deprimierend dämlich


Nicht,
dass ich keinen Bock auf diesen Blog
mehr hätte.

Nur,
dass es so deprimierend ist,
die vielen Belege kollektiver Idiotie und Unbarmherzigkeit
zu betrachten,
einer erschütternder als der andere.

Nun
gönne ich mir
zwischenzeitlich und trotz allem
auch mal das Gespräch über Bäume.




(Marvin - das Original 
aus Adams D.: "Per Anhalter durch die Galaxis"; verändert via tvspielfilm.de)


Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
 
B. Brecht





Sonntag, 12. Februar 2017

Hundert Prozent


Jerade Kolumne auf ZO jelesen. Verfassser fordert, Arbeitszeit solle dem jeweiligen Biorhythmus angepasst werden. Er moniert, die "... Arbeitsbedingungen sind es aber, die es mir nicht erlauben, 100 Prozent geben zu können. Das will ich genauso wenig, wie es jeder Arbeitgeber von mir wollen sollte. (...) " und erläutert weiter "Als Spätrhythmiker beginne ich nämlich frühestens um etwa elf Uhr zu funktionieren, vorher läuft mein Kopf nicht mit voller Kapazität. Vorher arbeite ich langsamer, unkonzentrierter und mache vermehrt Fehler. Jedes Unternehmen, dessen frühen Arbeitszeiten ich unterliege, verliert dadurch einen potenziell höheren Output."

Was für eine dümmliche, ranschmeißerische Attitüde! Was für eine auf die Spitze getriebene Selbstausbeutung, die hier als ganz intellektuell-flexibler, flippiger, hipper Life-Style zelebriert wird! Wie kann man nur so vorbehaltlos durch Unternehmers Birne denken? Bist Du bescheuert, Junge? Warum willst Du Deinem Konzern ausgerechnet die beste und effektivste Zeit Deines täglichen Lebens verkaufen?

Verkauf' Ihnen Deine Zeit, Deine Arbeitskraft, so, wie es im Arbeitsvertrag vereinbart ist. Aber wer sagt denn, dass das unbedingt immer die High-Quality-Zeit, die beste Zeit Deines Tages sein muss? Dein Arbeitsvormittag wird vom geistigen Auto-Piloten gesteuert? Gratulation! Das ist das Beste, was Dir passieren kann! Deine Firma zahlt nämlich dafür, dass Du Deinen Job erledigst, aber nicht dafür, dass Du ihn stets brilliant und im denkbar optimalen Höhenflug erledigst. Du bist erst abends wach und fit? Gut für Deine Freizeitgestaltung! Oder hapert's da bei Dir? Hast Du vielleicht keine anderen Ziele, als die, die Dir beruflich vorgegeben werden? Wie hip bist Du eigentlich wirklich, Knallkopp?

Wie kann man nur so geil drauf sein, sich noch effektiver ausbeuten zu lassen?


(via wiki commons)
Arbeitsleben 2017: Ich mach' mich selbst zum Sklaven und fühl' mich gut dabei!









Dienstag, 7. Februar 2017

Zwingende Taktik


Die Video-Aktion "everysecondcounts", die konzertante Reaktion europäischer und anderer Satiriker auf Trumps "America-first"-Gehabe, geht gerade durch die Decke, mit einigen guten, d.h. humorvoll-bissigen Ergebnissen.

Den Mexikanern war offensichtlich nicht humorvoll zumute, was absolut verständlich ist, also haben sie im Rahmen der Aktion zwei recht ernsthafte Ansprachen ins Netz gestellt. So sehr ich diese Reaktion verstehe, so sehr halte ich das für vergebliche Mühe. Was Trump mit Mexiko macht, gehört zum zwingend notwendigen Verhaltensrepertoire eines jeden brutal-dummen Schulhof-Mobber-Arschlochs.

Es reicht nämlich nicht, einfach nur hirntote Sprüche gegen alle Welt loszulassen. Um als Arschloch ernstgenommen zu werden, musst Du Dir ein Opfer suchen, irgendeinen Wehrlosen in Deiner Nähe, und dann musst Du ihn vor aller Augen immer wieder ohne jeden Anlass fertigmachen und demütigen. Die anderen schauen dabei tatenlos zu, aus Feigheit, Böswilligkeit oder Desinteresse, und während sie zuschauen, wünschen sie sich immer mehr, nicht an Stelle des Opfers zu sein.

Das, und erst das, gibt dem Arschloch Macht. Wären auch nur ein paar der Umstehenden willens, sich mit dem Angegriffenen zu solidarisieren, würde Arschlochs Macht schlagartig verpuffen und übrig bliebe ein allseits verachtetes Großmaul, eine ganz arme Wurst.

Aber die Zeiten, sie sind nicht so.




(…)



We're all living in Amerika
Amerika ist wunderbar
We're all living in Amerika
Amerika
Amerika

Wenn getanzt wird will ich führen
Auch wenn ihr euch alleine dreht
Lasst euch ein wenig kontrollieren
Ich zeige euch wie's richtig geht

Wir bilden einen lieben Reigen
Die Freiheit spielt auf allen Geigen
Musik kommt aus dem Weißen Haus
Und vor Paris steht Mickey Mouse

We're all living in Amerika
(...)


Ich kenne Schritte die sehr nützen
Und werde euch vor Fehltritt schützen
Und wer nicht tanzen will am Schluss
Weiss noch nicht dass er tanzen muss

Wir bilden einen lieben Reigen
Ich werde euch die Richtung zeigen
Nach Afrika kommt Santa Claus
Und vor Paris steht Mickey Mouse

We're all living in Amerika
(…)



Rammstein