Montag, 8. Juli 2024

ich ficke so leute wie dich

 

Am Wochenende veröffentlicht die Postillion-Redaktion regelmäßig ausgesuchte Leserbriefe zu ihren Artikeln. Aktuell zu einem, der sich mit dem "Wolfsgruß" Demirels befasst: 

https://www.der-postillon.com/2024/07/leserbriefe-der-woche-kw-2724.html

Man muss mit sowas ganz vorsichtig sein, die Gefahr, dass das gefaked ist, ist vergleichsweise groß. Andererseits enthält der Text einige Aspekte, die mir auch aus eigener Erfahrung aus Kontexten toxischen Türkentums und Nationalismus bekannt sind.

Doch keine Auswertung ohne Analyse.

Das erste Wort "dü" hat mich ernsthaft grübeln lassen, ob das hier ein Fake ist. Wir wissen dass die türkische Sprache das "ü" liebt, aber das hier ist doch ein bisschen übertrieben, oder?

"hässlicher bastard" soll hier wohl beleidigend sein, irgendwie geht das aber voll daneben: "Hässlich" ist eine subjektive Zuordnung, und wer es ist, kann meistens nichts dafür. Im doitschen Kulturkreis wird das Wort als Beleidigung für Menschen schon längst nicht mehr verwendet. Und der "bastard" ist ein Kind aus einer nicht-ehelichen Beziehung. In Doitschland werden 36+% aller Ehen geschieden und 34 % aller Kinder in Deutschland stammen aus nichtehelichen Beziehungen. Für 70 % aller Deutschen ist der "Bastard", wenn er denn beleidigend gemeint ist, ein Relikt aus dem 16. bis 19. Jahrhundert - und ein extrem patriarchalisches obendrein, weil Frauen, meist ohnehin von der Erbfolge ausgeschlossen, nie als "Bastarde" beschimpft wurden. Der "Bastard" demaskiert den Beleidiger als ziemlich zurückgebliebenen Spießer.

"lösch den post über demiral" (sic!) Der Imperativ ist interessant, weil er so rein gar nicht mit Art. 5 GG kompatibel ist. Hier agiert jemand aus völliger Unkenntnis, wie unser Staat, unsere Gesetze und unser Zusammenleben funktionieren.

"ich ficke so leute wie dich" - Ich habe bis heute nicht verstanden, wie das Wort "ficken" so verkommen konnte. Sex ist in meinem Verständnis etwas durch und durch angenehmes. Was für ein pathologisches Verhältnis muss man dazu haben, es als Drohung einzusetzen? Mein Mitleid.

"scheiss doppelmoral" Kritisiert wird vermutlich, dass wir einerseits das Recht auf freie Meinungsäußerung hoch halten und andererseits Nazi-Kacke nicht dulden.

"du hast keine ahnung was das bedeutet!" Mein Onkel Kurt war im 2. Weltkrieg Infanterist und Nazi, und zwar mit Begeisterung und ganz bis zum Schluss und darüber hinaus. Er hat nicht das "Wunder der Nacht" vom 09. Mai 1945 erlebt, als alle Doitschen offenbar als stramme Nazis ins Bett gingen und als stramme Demokrat*innen wieder aufwachten. Onkel Kurt hat seine Nazi-Gesinnung über den Tag der Befreiung hinweg gerettet und auch später nur marginal korrigiert ("Ja, das mit den Juden wär' vielleicht nicht nötig gewesen..."). Dafür hat er mir, im Gegensatz zu einigen anderen nervigen Verwandten und Bekannten, auch nie weismachen wollen, wie er (fast) ganz alleine (fast) den Krieg gewonnen hätte. Nur, dass der Karabiner K98k die beste Waffe der Welt war und ist ... Ich schweife ab.

Wenn ich besagtem Onkel Kurt die Enkel-Frage stellte, was ich natürlich nur in homöopathischen Dosen wagte, dann war seine repetitive Anwort: "Du/Ihr habt ja keine Ahnung, wie das war ...". Ende. Mehr kam nicht. Onkel Kurt hatte überhaupt kein Interesse, sich mit etwaigen Problematiken seines Tuns auseinanderzusetzen. Oder gar mit uns darüber zu reden. Und es war ihm völlig wumpe, ob und wie wir das beurteilten, denn er hatte sein Urteil ja gefällt, so what!?

"Du hast ja keine Ahnung!" ist ein hübsch bequemer Satz für Leute, die wissen, dass sie eigentlich Mist bauen / gebaut haben / bauen werden, die aber jede Kritik abblocken wollen.

Was mich an diesem Text am meisten schockiert, ist die Drohung gegen die Familie, hier dümmlich pseudo-intellektuell verpackt ("...und jede, die deine dna trägt"). Vor gefühlten 100.000 Jahren hörte ich das erstmalig bei einer lautstarken Auseinandersetzung vor einer Disco in der Variante "Ich bring' Dich um! Dich und Deine Familie!", und ich dachte damals schon, dass so eine Haltung vollkommen, total, absolut und überhaupt gar nicht mit europäischer Ethik vereinbar ist. 

Wenn ich eine Auseinandersetzung mit einem Menschen habe, was hat dann dessen Familie damit zu tun? Eine derartige Idee ist so weit weg von dem, wie wir denken und ticken, dass ich das Gefühl habe, hier haucht mich die zentralanatolische Steppe an und die Seldschuken (oder wer auch immer) feiern fröhliche Urständ. 

Und hier ist ein Punkt erreicht, an dem meine Toleranz und mein Wunsch nach kultureller Vielfalt endet. Wenn die Türken meinen, diese kranke Fixierung auf die Familie, Familienehre, Sippenhaft und Ehrenmorde sei ihnen unverbrüchlich eigen, dann wäre das ein Grund ganz offiziell zum Rassisten zu werden! Aber wir wissen ja: Es gibt reichlich normale europäisch denkende und tickende Türk*innen, und in jeder Gruppe gibt es eben auch Idioten.

Und damit zum letzten Punkt: Die ständige Drohung mit körperlicher Gewalt. Dazu nur ein Zitat von Maggie Thatcher:

Being powerful
is like being a lady.
If you have to tell people you are,
you aren't.

Bitte an die krassesten Türken-Toxiker: Könnt Ihr bitte aufhören, so verdammt macho-männlich zu sein, stattdessen etwas cooler, schmiegsamer, lustiger? Was einige von Euch da abziehen, ist eine so peinliche Spießer-Kacke, das ist einfach nur zum Fremdschämen. Und eine Bitte an die überwältigende Mehrheit normaler Türken: Sagt Euren Leuten das, dass die voll peinlich sind und dass die der Sache schweren Schaden zufügen.

Wir Bio-Doitschen hacken ja auch mit aller Kraft auf unseren Nazis rum - aus genau demselben Grund.




(Verändert via wiki commons)

Ok, nachdem die türkischen Faschos uns Lehrer*innen bzw. Erzieher*innen den "Schweigefuchs" geklaut haben (aber: s. auch diesen Text von 2018), brauchen wir eine neue Geste, für die Funktion, die lieben Kleinen zur Ruhe zu bringen. Statt des Fuchses könnten wir ja ersatzweise den Narwal nehmen. Ich überlege gerade, welche Handhaltung dazu passte.








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