Sonntag, 30. Juni 2024

Genuss- und Ausgleichsfliegen

 

Was ich bei meiner Fliegerei sehr genieße, ist,

  • dass es da oft Situationen gibt, in denen man nicht nicht entscheiden kann und
  • dass man oft ziemlich schnell entscheiden muss und
  • dass die der Entscheidung zugrundeliegende Datenlage oft nur Annahmen zulässt, aber keine Gewissheiten bietet und
  • dass aus jeder Entscheidung wieder neue Sachverhalte resultieren, die neue Entscheidungen erfordern und
  • dass die meisten Entscheidungen relevant sind, in dem Sinne, dass, wenn Du Mist baust, echt was kaputt gehen kann.
Vermutlich siele ich mich so sehr in dem Gedanken der Eigenverantwortlichkeit, weil in unserem Alltag viele Leute ein Interesse zu haben scheinen, uns genau davor zu bewahren. Warum nur?

(Zwischenruf: Ja-ha, ich weiß, dass es auch reichlich andere Handlungsfelder gibt, auf die diese Kriterien zutreffen, aber die Fliegerei ist nun mal meins. Warum sollte ich in die Domäne von, sagen wir, Bagger-Fahrenden oder U-Boot-Kommandierenden ¹ eindringen, um meine Gedanken zu exemplifizieren?) 

 


Gestern über Norddeutschland: Die Wetterfront war eigentlich für zwei, drei Stunden später angesagt. Der professionellen Vorhersage trauen und weiterfliegen? Oder dem eigenen, subjektiven Eindruck und abbrechen? Im Regen fliegen ist in einem Drachen-Trike möglich, aber nicht lustig. ² Juhu, eine Entscheidung wird fällig. Zumal der heimische Flugplatz genau in Richtung der hereinkommenden Schlotze liegt ...

Ansonsten war's wieder wunderschön. Meine alte Rennstrecke, weserabwärts.



Schiffe, Campingplatz, "Strand" wie im Miniatur-Wunderland. Mein Flugzeug hatte gestern das Bedürfnis, vergleichsweise hoch zu fliegen. Keine Ahnung, warum ...


... aber ich misch' mich da auch nicht allzusehr ein. Bin ja froh, wenn es mich mitnimmt.







¹ Seit "Das Boot" und "Jagd auf Roter Oktober" wissen wir natürlich alle, wie man das macht, ein U-Boot kommandieren. 

² Und ob ein 120-kg-Drachen-Trike im Gewitter als faradayscher Käfig funktioniert, ist unklar. Bisher hat das noch niemand ausprobiert.






Freitag, 28. Juni 2024

Demokratie ist nix für Doofe.

 

Das Prinzip der Demokratie ist, dass alle Menschen einer Gruppe über Themen, die das Wohl der Allgemeinheit betreffen, erst nachdenken und dann mehrheitliche Entscheidungen treffen. Die Grundlagen dieser Entscheidungen sind idealerweise

  1. Vernunft, zusammengesetzt aus wissenschaftlicher Erkenntnis sowie historischer und persönlicher Erfahrung und 
  2. Ethik, reduzierbar auf die "Goldene Regel": „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.“

Was wir machen, ist keine Demokratie. Die Parteien, die laut Verfassung (Art. 21 GG) eigentlich nur die Aufgabe haben, das Volk bei der demokratischen Willensbildung zu unterstützen, existieren nur noch (= ausschließlich) für den jeweiligen Machterhalt. Dafür versprechen sie uns Geld und Glück und Macht und dass wir unsere umwelt- und selbstzerstörerischen Gewohnheiten NIEMALS ändern müssen. 

Selbst der größte anzunehmende Dummdödel weiß, dass das alles Lügen sind, aber wehe der Partei, die uns realistischerweise sagt, dass wir grundsätzlich etwas ändern müssen, runter müssen von unserem völlig durchgedrehten Konsumismus. 

Und was machen wir Dummdödel, wir, das Wahlvolk, das eigentlich höchster Souverän in diesem unserem Staate sein sollte? Wir schmeißen den verlogenen Arschlöchern die Macht hinterher, je verlogener sie sind, desto mehr.

Die Bilanz ist überaus erschreckend: Wir leben längst nicht mehr in einer Demokratie. Wir leben in einer Ochlokratie, in einer Gesellschaftsform, in der jene, die am lautesten brüllen, sich am unsachlichsten daneben benehmen und herumpöbeln als gäb's kein Morgen, den Beifall der Massen und entsprechend die politische Macht gewinnen. Trump ist ein Beispiel, Milei, Orban, die AfD, u.v.a.m. sie alle wollen gar keine Demokrat*innen sein. 

US-Wahlkampf: Ist es wirklich denkbar, dass aus einem Volk von 328 Millionen Menschen ausgerechnet Trump bzw. Biden die bestgeeigneten Menschen sind, das mächtigste politische Amt der Welt zu bekommen? Da läuft doch etwas ganz grauenhaft falsch mit der Demokratie. 

Wie kann Scholz nach der Cum-Ex-Sache Kanzler sein? Wieso werden Verräter wie Krah und Bystron überhaupt gewählt? Warum hat deren Verrat, ihre Korruption, ihre himmelschreiende Doppelmoral der AfD überhaupt nicht geschadet? Nochmal: Was läuft falsch?

Immer wieder zurück zur Frage: Warum erinnert sich kaum noch jemand daran, was "Demokratie" eigentlich bedeutet?

Ich habe eine Hypothese:

  1. Wir sind einfach zu doof. Damit meine ich niemand Einzelnen, sondern die Summe aller Teile.
  2. Wir finden es zu anstrengend, uns mit den relevanten Themen auseinanderzusetzen, mit Vernunft und Ethik.
  3. Diese Haltung entspricht einer uns innewohnenden Bequemlichkeit, wird aber auch von außen aktiv bestärkt. Unterhaltungsmedien pushen nicht mehr Vernunft und Ethik, sondern nur noch Oberflächlichkeit, Gewalt, hemmungslosen Konsum, subklinische Psychopathen.

  4. Daraus ergibt sich meine persönliche Verschwörungstheorie: Die Herrschenden hatten NIE ein Interesse an einem gebildeten Volk. Doofe sind viel leichter zu beherrschen.

Ach, übrigens: Möchte jemand wissen, warum unser Schulsystem so kaputt ist, wie es ist? Und warum sich niemand ernsthaft darüber beklagt?




(verändert via wiki commons)

"Bildung ist der Zugang zu Freiheit, Demokratie und Entwicklung."
Nelson Mandela

Ja, für manche klingt das wie eine Drohung.







Sonntag, 23. Juni 2024

Toilettenpapier-Meditation

 

Es gibt gewisse Verrichtungen, bei denen wir gezwungen sind, relativ still zu sitzen und Dinge geschehen zu lassen. Die Muße ermöglicht zuweilen ganz tiefschürfende Gedanken zu denken und Fragen zu fragen.

Beispiel: Dieses Toilettenpapier.


Zentrales Motiv ist eine Eule, deren blaue Augen die Betrachtenden anschauen und an das übliche hilflos-vertrauensvolle Kindchen-Schema japanischer Mangas erinnern. Flügel und Krallen sind minimalisiert dargestellt (und wie die Augen anatomisch falsch) und offensichtlich völlig dysfunktional. 

Was will uns diese Figur sagen? Fliegen und Beutegreifen sind nicht wichtig, wenn Du nur niedlich genug aussiehst? Oder abstrahiert: Niedlich-Sein ist wichtig, alles Andere ist egal. Was für eine beruhigende Botschaft in einer Gesellschaft, in der ausschließlich hemmungslose individuelle Gier nach Macht und Geld als Motiv anerkannt wird. 

Drumherum haben wir blaue und braue Federn und stark stilisierte blaue Schneeflocken. Welcher Zusammenhang besteht zum Eulen-Motiv? Die Eule selbst scheint auch braune Federn zu haben, aber woher stammen die blauen Federn? Einzige Erklärung: Es hat einen Kampf zwischen der braunfedrigen Eule und einem blaufedrigen Gegner gegeben, beide Seiten haben dabei Federn verloren, aber die Eule hat gewonnen. Da die Leiche des Gegners nicht abgebildet ist, können wir annehmen, die Eule habe sie verspeist. Das würde auch den wohlgerundeten Bauch erklären. Das Ganze hat im Winter stattgefunden (-> Schneeflocken), wenn die Ressourcen knapp und der Überlebenskampf besonders hart ist.

Weiterführende Fragen:

  1. Wer denkt sich so ein Motiv aus?
  2. Muss man dafür ein einschlägiges Studium absolviert haben?
  3. Wie sieht der innerbetriebliche Entscheidungsprozess aus, der dazu führte, dass dieses Motiv und kein anderes millionenfach aufgedruckt wird? 
  4. Gab es konkurrierende Entwürfe?
  5. Gab es eine Jury aus Kunstsachverständigen und Marketing-Leuten, zahllose Konferenzen mit hitzigen Diskussionen ("Also, mir sagt das jetzt nicht so viel...!" "Ja, doch, ich würde so ein Produkt kaufen!")
  6. Hat das Controling die Kosten für den Druck einem dadurch etwa zu erzielenden Umsatz-Plus gegenübergestellt (Kosten-Nutzen)? Aufgrund welcher Annahmen bzw. Datenlage? 
  7. Hat der Konzern eine Abteilung, die die Nachhaltigkeit dieser Entscheidung prüft (“Corporate Social Responsibility [CSR])”?
  8. Würde das Klopapier auch ohne diesen Aufdruck funktionieren?
  9. Könnte es Menschen geben, die es für eine völlig bescheuerte Idee halten, Klopapier bunt zu bedrucken?
  10. Ist es denkbar, dass es viel zu viele Menschen gibt, die so bescheuert sind, buntes Klopapier dem nicht-bunten vorzuziehen?
  11. Und wenn die vorangegangene Frage positiv zu beantworten ist: Ist dann die Annahme plausibel, dass die Menschheit intelligent genug ist, den Selbstmord durch Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen abzuwenden?

Und dabei wollte ich eigentlich nur in Ruhe kacken ...












Samstag, 22. Juni 2024

Nach-Urlaubs-Gedanken


So, Urlaub ist vorbei. Ich habe einen wunderschönen, verwunschenen Ort kennengelernt, einen echten Geheimtipp, der Geheimtipp bleiben soll und ergo nur privatim weiter beschrieben wird.

Und sonst?

Ich stelle wenigstens eine (in Zahlen: "1") positive Spätfolge der Europa-Wahl fest: Meine auf diesem Blog schon oft thematisierte Angst vor den Enkel-Fragen hat sich definitiv erledigt. Juhu. 

Eine junge Generation, die sich so erbärmlich dumm und unverantwortlich und überproportional an die Rechten rangeschmissen hat, die so vollständig überhaupt nicht kapiert hat, dass und was insbesondere wir Doitschen aus der Geschichte zu lernen haben, eine solche Generation hat definitiv das Recht verloren, den Boomern im Allgemeinen und mir im Besonderen vorwurfsvolle Fragen nach dem "How-dare-you"-Schema oder nach dem "Warum-habt-Ihr-nicht"-Schema zu stellen.

Jaaa, und jetzt werden alle 16- bis 30-Jährigen natürlich aufschreien, wie furchtbar unfair ich hier die Rechtslastigkeit und Borniertheit verallgemeinere und dass es doch nur 16, 18 oder 20 % der jeweiligen Kohorte waren, die AfD gewählt haben, und dann werde ich sagen: "Ja und? Glaubt Ihr denn, dass Eure dümmlich-arroganten Scheiß-Verallgemeinerungen der bösen Boomer auch nur ein klitze-bisschen weniger unfair waren und sind?!" 

Und vielleicht, ganz vielleicht, kommen wir dann zu dem gemeinsamen Entschluss, dass arrogante Überheblichkeit und Generationenkonflikte unter den verbliebenen Aufrechten keine guten Strategien sind, um den Fascho-Bratzen of any colour and any kind Paroli zu bieten.

Ich hoffe und wünsche es so sehr.

Und sonst noch?

Ich habe zu viele nette und kluge Menschen kennengelernt, die einerseits über die täglich konkreter sich manifestierenden Folgen des anthropogenen Klimawandels in ihrem direkten Umfeld besorgt sind, die aber andererseits kaum den Bogen zur Notwendigkeit der Änderung eigenen Verhaltens schlagen. 

Bedauerlicherweise muss ich mich da teilweise einschließen: Auch ich könnte noch viel radikaler meinen Ressourcen-Verbrauch einschränken. Faulheit und Bequemlichkeit hindern mich - und  natürlich die Fallstricke des hyperbolischen Diskontierens

Wir werden es nicht schaffen.



Reste einer Baum-Schutthalde. Die Einheimischen bedauern das Absterben ihrer Wälder natürlich, sagen aber, schuld sei der Borkenkäfer, der alle 160 Jahren massenhaft aufträte. Eine Verantwortung des Menschen wird, wenn überhaupt, nur in einem ganz großen, ganz abstrakten Rahmen anerkannt - so abstrakt, dass die Frage nach je individueller Verhaltensänderung sich kaum stellt.