Sonntag, 23. Juni 2024

Toilettenpapier-Meditation

 

Es gibt gewisse Verrichtungen, bei denen wir gezwungen sind, relativ still zu sitzen und Dinge geschehen zu lassen. Die Muße ermöglicht zuweilen ganz tiefschürfende Gedanken zu denken und Fragen zu fragen.

Beispiel: Dieses Toilettenpapier.


Zentrales Motiv ist eine Eule, deren blaue Augen die Betrachtenden anschauen und an das übliche hilflos-vertrauensvolle Kindchen-Schema japanischer Mangas erinnern. Flügel und Krallen sind minimalisiert dargestellt (und wie die Augen anatomisch falsch) und offensichtlich völlig dysfunktional. 

Was will uns diese Figur sagen? Fliegen und Beutegreifen sind nicht wichtig, wenn Du nur niedlich genug aussiehst? Oder abstrahiert: Niedlich-Sein ist wichtig, alles Andere ist egal. Was für eine beruhigende Botschaft in einer Gesellschaft, in der ausschließlich hemmungslose individuelle Gier nach Macht und Geld als Motiv anerkannt wird. 

Drumherum haben wir blaue und braue Federn und stark stilisierte blaue Schneeflocken. Welcher Zusammenhang besteht zum Eulen-Motiv? Die Eule selbst scheint auch braune Federn zu haben, aber woher stammen die blauen Federn? Einzige Erklärung: Es hat einen Kampf zwischen der braunfedrigen Eule und einem blaufedrigen Gegner gegeben, beide Seiten haben dabei Federn verloren, aber die Eule hat gewonnen. Da die Leiche des Gegners nicht abgebildet ist, können wir annehmen, die Eule habe sie verspeist. Das würde auch den wohlgerundeten Bauch erklären. Das Ganze hat im Winter stattgefunden (-> Schneeflocken), wenn die Ressourcen knapp und der Überlebenskampf besonders hart ist.

Weiterführende Fragen:

  1. Wer denkt sich so ein Motiv aus?
  2. Muss man dafür ein einschlägiges Studium absolviert haben?
  3. Wie sieht der innerbetriebliche Entscheidungsprozess aus, der dazu führte, dass dieses Motiv und kein anderes millionenfach aufgedruckt wird? 
  4. Gab es konkurrierende Entwürfe?
  5. Gab es eine Jury aus Kunstsachverständigen und Marketing-Leuten, zahllose Konferenzen mit hitzigen Diskussionen ("Also, mir sagt das jetzt nicht so viel...!" "Ja, doch, ich würde so ein Produkt kaufen!")
  6. Hat das Controling die Kosten für den Druck einem dadurch etwa zu erzielenden Umsatz-Plus gegenübergestellt (Kosten-Nutzen)? Aufgrund welcher Annahmen bzw. Datenlage? 
  7. Hat der Konzern eine Abteilung, die die Nachhaltigkeit dieser Entscheidung prüft (“Corporate Social Responsibility [CSR])”?
  8. Würde das Klopapier auch ohne diesen Aufdruck funktionieren?
  9. Könnte es Menschen geben, die es für eine völlig bescheuerte Idee halten, Klopapier bunt zu bedrucken?
  10. Ist es denkbar, dass es viel zu viele Menschen gibt, die so bescheuert sind, buntes Klopapier dem nicht-bunten vorzuziehen?
  11. Und wenn die vorangegangene Frage positiv zu beantworten ist: Ist dann die Annahme plausibel, dass die Menschheit intelligent genug ist, den Selbstmord durch Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen abzuwenden?

Und dabei wollte ich eigentlich nur in Ruhe kacken ...












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