Der professorale Lautsprecher der übermächtigen deutschen Autolobby, Dudenhöffer, tönt medienöffentlich, die von der US-Justiz angedrohten Strafen im sogenannten Abgas-Skandal stellten für den angeklagten VW-Konzern "lösbare Risiken" dar.
Wie schön.
Ich vergleiche immer gerne mit Banküberfällen oder besser mit Scheckbetrug in 11 Millionen Fällen mit einer Schadenssumme von daumenpeil 30.000 Euro pro Fall. Und dann stelle ich mir vor, der ertappte Verbrecher sitzt vor dem Richter, spricht permanent von einem "Skandal", statt von einem "schweren Kapitalverbrechen im fortgesetzten Fall", und gibt, als der Richter ihn auf die mögliche Höhe der Strafe hinweist, tiefentspannt zu Protokoll, das sei ein "lösbares Risiko".
Aufschlussreiche Diktion: Ein Skandal ist nichts wirklich Schlimmes, eher etwas, was gewisse Kreise temporär ein wenig aufhorchen lässt, was aber bald wieder vergessen sein wird. Bei einem Schwerverbrechen gibt es Schwerverbrecher, bei einem Skandal gibt es ...? Genau! Niemanden! Skandale sind etwas, das passiert einfach. Es gibt keine Handelnden und also auch keine Verantwortlichen. Man ist verwickelt, aber wer und wie, will niemand wirklich genau wissen. Mein nächster Bankraub wird also auch ein "Bargeldtransfer-Skandal".
Und dann das "lösbare Risiko".
"Risikobewertung" ist ein betriebswirtschaftlicher Fachbegriff. Ich wäge mit mathematischen Mitteln ab, ob die Chancen und Risiken eines Einsatzes von Ressourcen die möglichen resultierenden Gewinne bzw. Verluste rechtfertigen. Gesetze, Regeln, Ethik tauchen in dieser eisekalten Rechnung nicht auf. Sie sind in der Bilanz kein Aktivposten, zumal VW ohnehin viel zu groß und zu global ist, um sich mit so angeschwiemeltem Dreck wie nationalen Gesetzen oder gar Ethik befassen zu können. Und die Kundschaft vergisst schnell, die vergessen sooo schnell ...
Wenn Dudenhöfer also sagt, das Risiko sei lösbar, eine etwas verschwurbelte Formulierung übrigens, dann bedeutet das, die betriebswirtschaftliche Kalkulation, die zu der Entscheidung zum massenhaften Betrug geführt hat, geht für VW nach wie vor auf. Es war und ist also betriebswirtschaftlich richtig, was die Manager gemacht haben. Das Risiko der Entdeckung, die Kosten für die eventuelle Bestrafung waren von vorneherein eingeplant.
Für meinen nächsten Bankraub, pardon: Bargeldtransfer-Skandal, bedeutet das, ich führe eine Kosten-Nutzen-Analyse durch, in der ich das Risiko, überhaupt erwischt zu werden und die Kosten für Strafen, außergerichtliche Deals, Schmiergelder usw. dem voraussichtlichen (steuerfreien!) Gewinn gegenüberstelle. Wahrscheinlich rechnet sich das Ganze nur, wenn ich gleich 26 Banküberfälle, äh Bargeldtransfers, hintereinander durchführe, so dass ich die Kosten für zwei, drei verpatzte Aktionen ( - ich werde erwischt - ) auf die erfolgreichen (d.h. unbemerkt gebliebenen) Aktionen umlegen kann. Vereinzelte Kleinkriminalität lohnt sich nicht, think big. Die Rechnung ist klar, logisch und unangreifbar.
Was ich ums Verrecken nicht verstehe: Warum klingt diese eiskalte, ethikfreie Kaltschnäuzigkeit bei einem Bankräuber so abscheulich pervers und warum tun wir die ganze Zeit so, als sei das für einen Konzern völlig normal und akzeptabel?
(via http://www.lka.polizei-nds.de)
Ach ist das süüüß! Nein, dass es sowas noch gibt. Richtig wie früher
mit Pistole an den Schalter. Ja, traditionelle Kulturtechniken sollten unbedingt gepflegt werden. Hat so'n bisschen was von Bonny-and-Clyde-Re-enactment. Oder wie 'n Mittelalter-Markt. Was für 'ne arme Wurst!