Donnerstag, 16. März 2023

Ageism selbstgemacht.

 

Mich selbst zu beobachten liefert mir die meisten Anlässe, mich köstlich zu beömmeln:

Eine offenbar jung-erwachsene Mastodon-Nutzerin erwähnte neulich beiläufig und ohne zu werten, dass hier (im Fediverse) ja mehr ältere Leute als auf Twitter unterwegs seien. Meine (317ppm) spontane Reaktion: Achduscheiße, der Laden ist überhaupt nicht aktuell. Erst beim zweiten Nachdenken wird mir klar, dass es ein Alleinstellungsmerkmal der Ü50+ ist, dass sie nicht mehr jedem Trend hinterherrennen, sondern sehr bewusst Spreu und Weizen unterscheiden. ¹

Ich lerne: Abgesehen von der riesigen und realen Gefahr, in Altersstarrsinn zu verfallen, darf man auch nicht der Fehlannahme erliegen, eine Entscheidung sei allein deshalb schlecht, weil die Gruppe der Ü50er sie mehrheitlich trägt. Das hatten wir neulich schon in anderem Zusammenhang, aber diesmal habe ich mich selbst dabei erwischt, age-istische Vorurteile zu transportieren. Mastodon für besser zu halten als Twitter, ist eine fundierte Entscheidung, eine eventuelle Korrelation mit dem Lebensalter sollte wertfrei analysiert werden, gelegentlich. 

Kurz: Falls es überhaupt zutrifft², dass junge Menschen tendenziell eher beim blauen Vogel bleiben, so kann das auch ein Zeichen jugendlicher Blödheit sein. Die ist ebenso verbreitet wie Alters-Blödheit, glaubt mir.



(verändert via wiki commons)
Wissen, was gut ist: 

"It's astounding,
Time is fleeting,
Madness takes its toll ..."





¹ Das ist ja auch der Grund, aus dem die Werbebranche mit der Kohorte 50+ nichts anfangen kann. Da ist's schwer, einen neuen Hype loszutreten, wo die Menschen nach zig Jahren voller Fehlentscheidungen dann doch gelernt haben, Erlesenes vom Schrott, Wichtiges vom Unwichtigen zu trennen. Jaja, auch hier droht irgendwann, wenn man nicht ganz dolle aufpasst, vollverblödeter Altersstarrsinn, die Gefahr ist mir bewusst ...

² Ich bezweifle das.



Mittwoch, 15. März 2023

Humanismus 2023 / 2




Humanismus heißt auch:

Du kannst Dich nicht

nicht weiterentwickeln.










Montag, 13. März 2023

Humanismus 2023

 



Humanismus heißt:

Kein Mensch hat das Recht, 

sich nicht weiterzuentwickeln.










Mittwoch, 8. März 2023

Bringt NULL: Einfach mal rumkotzen

 

"Gewöhnlich erwartet der gemeine Deutsche von Menschen mit nichtdeutschen Wurzeln, die in seinem Land leben oder leben wollen, zuallererst Dankbarkeit. Von dieser Erwartungshaltung sind die schon hier geborenen Nachkommen der Einwanderer, die keine andere Heimat als Deutschland kennen, selbstverständlich nicht ausgenommen." Pamuk K.: Kiffen, Kaffee, Kajal, Gütersloh, 2019, S.14

Jaja, das soll nur eine schmissige Einleitung sein, und jaja, als biodoitscher alter weißer Mann sollte ich das nicht kritisieren, sollte ich nicht monieren, dass das eine schwachsinnige und der Sache sehr abträgliche Verallgemeinerung ist, von der ich bitte ausgenommen werden muss und möchte. Stattdessen sollte ich berücksichtigen, dass Menschen islamischer Kultur eben dieses Gefühl haben, und darauf käme es ja an etc. etc.

Etwas schärfer hat vorgestern eine Frau auf Mastodon Vergleichbares über die Boomer formuliert, über die sie anschließend hemmungslos und weitgehend entgrenzt abgelästert hat.¹ Auch die Boomer sollten gefälligst nicht greinen, dass ohne Rücksicht auf den Einzelfall alle Boomer als Ultra-Arschlöcher zu bashen seien, in der Summe sei das von ihnen angerichtete Ergebnis doch dasselbe, man schaue sich die Welt an. Also sollten sie jedes vernichtende Urteil widerspruchslos zur Kenntnis nehmen, ob verdient oder nicht, ausnahmslos alle. 

Ja, ja, ja, ich habe die Botschaft verstanden. Ich, ich persönlich und ich alleine habe, da ich ein alter, weißer Mann bin, Schuld. An allem! Können wir einfach davon ausgehen, dass ich das jetzt zugegeben und akzeptiert habe? Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa, die Katholen wissen, worum es geht, die stehen ja auf sowas.

So. Können wir zweitens davon ausgehen, dass mir die ganze Culpa in Wirklichkeit kalt am Arsch vorbeigeht, weil Kritik, die in dieser dümmst-arroganten Form dahingeschlenzt wird, mich gar nicht berühren kann, da sie in Wirklichkeit nichts über mich, aber unendlich viel über die Kritisierenden aussagt!? 

Wir können das Thema an dieser Stelle beenden: Ihr kotzt Euch aus, und bei mir kommt nichts an. Nullsummenspiel. So what?

Leider geht das so nicht. 

Pamuk: Wenn Du / Ihr darauf besteht, dass Euer Unwillkommen-Sein-Gefühl bearbeitet werden soll, dann müsst Du / Ihr das besser kommunizieren. Diese reine Gefühls-Argumentation haben die AfD-Bratzen nämlich benutzt, als man ihnen Punkt für Punkt nachgewiesen hat, dass sie die "Ausländer-Kriminalität" wahlkampf-taktisch gezielt übertrieben haben, und die dann sagten, die unbestechliche, mathematisierbare  Statistik sei das Eine, aber das Gefühl in der Bevölkerung sei ein Anderes und das müsse man ja auch ernst nehmen. Nein, muss man nicht, jedenfalls nicht, wenn es um gesellschaftlich relevante Entscheidungen geht. Aufpassen mit sowas! Was Ihr macht, ist gefährlich!

Boomer vs GenZ/millenials: Überlegt Euch, liebe Boomer-Hasser, genau, wer den größten Vorteil daraus zieht, wenn wir, die progressiven, aufrechten und kritischen Geister, den kritischen Diskurs um Klimawandel, Demokratie, LGBTQIA etc. etc. zu einem Kampf Alt gegen Jung umrubeln. Wer gewinnt, wenn unsere Solidarität den Bach runtergeht? Aufpassen mit sowas! Was Ihr macht, ist gefährlich!

So, und nun tue Jede*r, was sie*er ohnehin nicht lassen kann. 

 

(G.v.B. - stark verändert via wiki commons)

Ritter Götz von B. hätte einen Vorschlag dazu...











¹ Ich hab's leider nicht im O-Ton wiedergefunden, aber vielleicht findet sich's noch unter unter #boomer und #rant.





Dienstag, 7. März 2023

Was ich von der Serie zu Schätzings "Schwarm" lerne

 

In meinem nächsten Leben möchte ich Film-/Fernseh-Wissenschaftler*in werden. Damit meine ich nicht, dass ich "was mit Medien" machen will, sondern, dass ich als Naturwissenschaftler*in gerne wie "die im Film" arbeiten können möchte: Beliebiger Zugriff auf Equipment, Boote, U-Boote, Forschungsschiffe, Hubschrauber¹, Autos, Labore, Personal, Hotel- und sonstige Unterkünfte und rattenschnelle Kommunikations-Infrastruktur, alles vom feinsten und alles sofort verfügbar. 

Noch wichtiger: Die immateriellen Güter, wie freie Zeiteinteilung, Fokussierung auf selbstgesteckte Ziele, keinerlei Legitimationsdruck, keine Lehre, keine Verwaltung, keine nervigen Studies, kein demütigendes Betteln um Drittmittel, deren Beantragung 80 % der Arbeitszeit kostet, kein Veröffentlichungszwang, kein eifersüchtelndes Hickhack in den Gremien. Ich bin aus dem Thema Meeresforschung ziemlich raus, aber wird der Einsatz der Forschungsschiffe nicht auf Jahrzehnte im Voraus minutiös festgelegt? Und wer bearbeitet deren Reisekostenabrechnungen, die Freistellungsanträge, wer triggert die Reiserücktrittsversicherungen, wenn mal wieder ein*e Wissenschaftler*in im aufopferungsvollen Kampf gegen die Yrr, nunja, aufgeopfert wurde? Da bleiben unglaubliche Kosten an den Instituten hängen, wenn man nicht aufpasst. ²

Noch, noch wichtiger: Ich will diese kurzen, straff strukturierten, zielführenden Meetings mit ausschließlich kompetenten, gutaussehenden, charmanten Teilnehmer*innen, die knappen, pointierten Diskurse. Die haben im Film gar keine Tagesordnungen mit "TOP 1: Begrüßung..." und "TOP 13: Sonstiges/Schluss" und niemand fragt "Äh, das Protokoll von der vorletzten Sitzung, ist das inzwischen eigentlich raus? Ich glaub', ich hab' das gar nicht gekriegt...!" oder "Vielleicht habt Ihr ja schon gehört, die Vanessa hat letzte Woche ihr zweites Kind gekriegt, und da wollten wir was schenken, und ich hab' dazu letzte Woche auch schon 'ne Mail an Alle geschickt, aber ich dachte, ich frag' hier auch noch mal, ob Ihr bla bla bla bla..."


Zusammengefasst: Der Schätzing, das ist schon ein ganz begnadeter Science-Fiction-Autor. Seine Fiktion, wie Science sein könnte, beeindruckt mich sehr.



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¹ Besonders heiß bin ich auf den Heli, der die 700+km von Trondheim zu den Shetlands und wieder zurück an einem Tag und in einem Rutsch (nebst Rettungsaktion) packt. Normale Helis dieser Art haben daumenpeil eine Reichweite von 500 km und eine Geschwindigkeit von 250 km/h.


² Ha! Das ist meine Idee für das "Schwarm"-Sequel:

In dem Versuch, den angesammelten Verwaltungsscheiß der involvierten "Schwarm"-Wissenschaftler*innen und ihrer Institutionen aus den Folgen 1 - 8 nachträglich aufzuarbeiten, konstruiert ein genialer, aber verzweifelt-wahnsinniger IT-Projektmanager eine gigantische Datenbank, die dann aber unter dem schieren Eigengewicht der Daten kollabiert und zu dem digitalen Pendant eines Schwarzen Loches wird, das anschließend alle globalen Rechenzentren und also die Weltherrschaft übernimmt und uns zwingt, nur noch Dinge zu verwalten, Listen zu schreiben usw., statt sinnvolle Arbeit zu tun ... 

"Es gibt eine (...) Theorie, nach der das schon passiert ist." Douglas Adams



Babelfisch aus "Hitchhiker's Guide to the Galaxy" Douglas Adams/BBC


Montag, 6. März 2023

Was ich von Corona lerne


Erstens: Es hilft nichts, immer nur von Selbstmitleid zu REDEN. Damit Selbstmitleid funktioniert, musst Du etwas TUN.


Zweitens: Es hilft nichts, darauf zu warten, dass sich etwas tut. Du musst selbst aktiv werden, den Startschuss geben, die Richtung bestimmen.


Drittens: Wenn das ######-Virus Dir auch Deinen Geschmackssinn zerschrottet hat, dann gönn' Dir wenigstens ein besonderes Mouth-Feeling.







Sonntag, 5. März 2023

Etwas fiebrige Logik


Am köstlichsten kann ich mich nach wie vor über mich selbst amüsieren. 

Hatte ich schon erwähnt, dass ich seit ein paar Tagen an einer Corona-Infektion laboriere? Ich bin darüber ein klitze-bisschen beleidigt, weil ich

a.) nach dreifacher Impfung nicht mehr mit so einer heftigen Symptomatik gerechnet hatte,
b.) insgesamt sehr diszipliniert und konservativ mit Infektionsschutz-Sachen (Maskentragen etc.) umgegangen bin, und es unfair finde, dass es es mich jetzt, nach drei Jahren, trotzdem erwischt und weil ich
c.) eigentlich auch überhaupt keinen Bock auf so eine völlig aus der Mode gekommenen Uralt-Krankheit hatte.¹ 

Seit gestern sind nun auch Geruchs- und Geschmackssinn beim Teufel, und als sich dieser mein Eindruck heute Morgen zu einer Gewissheit verfestigte, war ich erneut überrascht. Und ich musste tatsächlich erst darüber nachdenken, wieso mich das überraschen konnte, denn das Phänomen gehört ja zur typischen Corona-Symptomatik dazu, wenngleich es nicht zwingend auftritt. 

Wie bei der ganzen Corona-Sache hatte ich, so muss ich im Nachhinein feststellen, offenbar das Gefühl, solche Dinge stießen immer nur anderen zu, aber nicht mir. Das ist keine Arroganz. Ich war auch immer sehr berührt, mitfühlend, sehr empathisch, wenn ich hörte, dass "es" wieder jemanden in meiner Nähe erwischt hatte. Aber für mich selbst war das eigentlich keine echte Option ...

Drauf geschissen! Stattdessen: Wie mitfühlend kann ich wohl wirklich gewesen sein, wenn ich die Sache plötzlich ganz neu und anders und als viel gravierender bewerte, sobald sie mich persönlich (be-)trifft? 

Hübsch menschliche Frage, sowas.² Jedenfalls glaube ich, dass bei allen Menschen zwischen wahrhaftig empfundener (und gelebter) Empathie einerseits und dem Erlebnis eigenen Angeschissen-Seins andererseits ein Abgrund von Realitäts-Erleben klafft, und ich glaube, diese Erkenntnis ist nicht banal. 

Nehmen wir die Leute von Tuvalu. Das sind die, deren Land demnächst absäuft, weil aufgrund der anthropogenen Klimaerwärmung der allgemeine Meeresspiegel entsprechend weit ansteigen wird. Die sind arm, können sich also nicht mit technischen Finessen freikaufen, und die wissen auch nicht, wohin, weil natürlich niemand so arme Schlucker aufnehmen und durchfüttern will.

Ich bin empört. Natürlich. Ich bin sauer und auch beschämt. Natürlich. Und wenn ich auf dieses Gefühlsset jetzt noch den o.g. Abgrund von Realitäts-Erleben draufrechne, den ich nach eigener Corona-Erfahrung auf meine normale Empathie aufrechnen muss, um die Gefühlslage bei direkter, persönlicher Betroffenheit zu erreichen, dann ... freue ich mich, dass die Tuvali so friedlich gestimmt sind, dass sie nicht zur Kalashnikov schielen, das Semtex-Bündel schnüren und in die Welt ziehen.

Ergebnissicherung: Was ich aus meiner Corona-Infektion gelernt habe, lässt sich in einer Formel darstellen. 

EA = meine Empathie, wenn es Anderen dreckig geht
ES = meine Empathie, wenn es mir selbst dreckig geht

Die Formel lautet:

               ΔE = ES - EA 

 ΔE ist ein Wert, der den Realitäts-Abgrund zwischen "gefühlter" Empathie und dem Leidenserlebnis bei konkret-eigenem Angeschissen-Sein beschreibt. Je mehr Anlässe man findet, ΔE zu berechnen, desto präziser wird der Wert.  Nach einigen Wiederholungen gilt dann:

               EA +  ΔE = ES*

Mit ES* kann man dann bei jeder Unmenschlichkeit, die Menschen einander antun, einen plausiblen Schätzwert dafür angeben, wie schlimm das für die Betroffenen selbst sein  muss - unabhängig von unserer "gefühlten" Empathie. ³

Und mit Sicherheit müssen wir ES* benutzen, wenn wir künftig über Klimawandel reden. Die Diskussionen über Maßnahmen gegen den Kollaps erscheinen mir immer noch so ... weit weg! Wenn ich den zombiehaften Habitus der alten Männer auf den vollkommen wirkungslosen globalen  Konferenzen sehe, dann bin ich sicher, die agieren alle bestenfalls (!!!) auf dem Niveau von EA. Das heißt, sie sondern in Interviews die richtige Dichte entsprechender Terminologie ab, aber sie haben ganz offensichtlich nicht wirklich begriffen, worum es geht. 

Ganz zu schweigen von dem Verdacht, dass sie, korrumpiert durch Ämter und Profit, EA auch lieber kleiner als größer ausarbeiten wollen ... 




(Tuvalu - stark verändert via wiki commons)






¹ Ich mein': Das Ding heißt Covid-19, weil es 2019 erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde. 2019! Wie lange ist das denn her? Gab's da schon Computer? Ich mein', ich frag' nur ...! Kann ich auch sagen, ich habe Covid-24? das klingt doch viel hipper, proaktiver, mehr nach 24 / 7 / 367 und nach 2024 und so.

² Streichen wir das Wort "Hübsch", ok? Ersatzlos.

³ Das Asterisk (*) signalisiert, dass es sich um einen erschlossenen Wert handelt. 



Freitag, 3. März 2023

Pensionierter Lehrer

 
Seit dem 01. Februar bin ich auf eigenen Wunsch frühpensionierter Lehrer und hatte also inzwischen ein wenig Zeit, mich mit der neuen Rolle auseinanderzusetzen. Ich stelle fest:

Erstens: Es ist mir wieder möglich, Momente in Ruhe zu erleben und mich auf diese Ruhe einzulassen. Beispiel: Ich sitze im Garten und höre den Vögeln beim Frühlings-Zwitschern zu. Das habe ich früher auch gemacht, dann aber immer mit dem kleinen Mann im Ohr, der mir sagte: "Ja, genieß' das mal, nachher musst Du noch Unterricht vorbereiten / Klausuren korrigieren / telefonieren / blabla." Das fand ich nicht schlimm, man war's ja gewöhnt, aber aktuell überrascht mich der Kontrast. Diese ganz und gar ungestörte Ruhe erinnere ich aus Kinder- und Jugendzeiten, und sie wiedergefunden zu haben, ist ein Geschenk.¹ Und dieser Eindruck dominiert alles Andere.

Zweitens: Was ich mir noch nicht hinreichend abgewöhnt habe, ist das Status-Denken. "Pensionierter Lehrer", wie scheiße klingt das denn!? Mich trieft da die ekelerregende Geschichte eines langweiligen alten Sacks an, der für richtige Jobs zu unfähig war², der nur in der streng geschützten und reglementierten Umwelt der staatlichen Schule überlebensfähig war und der jetzt, da ihm sogar die behördlich legitimierte Tyrannei über Kinder und Jugendliche entzogen ist, eigentlich gar nichts mehr ist und hat und dessen Wissen und Erfahrungen außerhalb der Institution eigentlich auch zu gar nichts mehr zu gebrauchen sind. Der aber monatlich eine Mörder-Kohle einstreicht, money for nothing, bedingungsloses Grundeinkommen vom Feinsten ... 

An dieser Verachtungs- und Neid-Sache muss ich noch ernsthaft arbeiten.

  • Soll ich meinen Status künftig besser leugnen? "Ich bin Schriftsteller, Flieger und Philosoph!" 
  • Oder soll ich offensiv damit umgehen? "Klar ist das geil, frühpensionierter Lehrer zu sein. Hättste ja auch machen können, Blödmann. Augen auf bei der Berufswahl, Du Loser!" 
  • Oder wie wär's mit der Selbstbezichtigung maoistischer Prägung? "Ja, ich habe mich dem System prostituiert, habe Kinder und Jugendliche verführt, ihre Seelen verkrüppelt und ihre jungen, unschuldigen Leben den kapitalistischen Verwertungsinteressen zugeführt, und dafür lasse ich's mir jetzt richtig gut gehen."

Würmelt vielleicht irgendwo in mir der Gedanke, dass ich, solange ich Kohle vom Staat kriege, gesamtgesellschaftlich relevant zu sein und zu bleiben habe?



"Ich bin Schriftsteller, Flieger und Philosoph!"
Da wär'ich in guter Gesellschaft: Antoine Saint-Ex.






¹ Ok, es ist natürlich KEIN Geschenk, denn ich zahle dafür mit knallharten Abzügen bei meiner Pension. Aber da ich mich vom Geld wirklich erfrischend weit emanzipiert habe, bin ich's sehr zufrieden, wie es nun ist.

² Wie mein späterer Ex-Schwiegervater beim ersten Treffen sagte: "Ach, Du studierst. Willst Du gar keinen richtigen Beruf lernen?" 




Montag, 27. Februar 2023

Entwertete Kultur


Ach herrje, der arme Scott Adams, jahrzehntelang hat man und habe ich seine genialen Dilbert-Cartoons gemocht, und nun outet er sich als Rassist und white suprematist. Was für eine Enttäuschung.

Vergleichbares empfand ich auch bei dem sogenannten Barefoot-professor Daniel Howell, der 2010 ein kleines, kluges, eingängiges, professionelles und umfassendes Barfuß-Buch verfasste, das mich sehr beeindruckte, bis der Verfasser sich später als bedingungsloser Trump-Fan und fundamentalistischer Extrem-Marktliberaler zu zelebrieren begann. 

Ich registriere deutlich, dass ich den Spaß mit und an den Büchern solcher Knallköppe komplett verliere. Mag der Inhalt der Werke an sich auch unverändert und frei von Dümmlichkeiten sein, so gelingt es mir im Zuge der Rezeption nicht, mein Wissen über die geistige Verfasstheit der Schöpfer auszublenden. Solange mein Bild von Scott Adams einen  klugen, selbstironischen und ein wenig desillusionierten Menschen zeigte, ein Bild, das er selbst früher in Foren und Blogs von sich zeichnete, konnte ich seine Cartoons entsprechend fröhlich lesen. Fürderhin werde ich nicht umhin kommen, wenigstens halb-bewusst darauf zu achten, wie Dilbert mit POC umgeht. Ende der Leichtigkeit.

Bei Howell beeindruckte mich, wie konsequent er seine Denke als Biologe und Chemiker auf ganz alltagspraktische Verhaltensmuster (hier: den widersinnigen gesellschaftlichen Zwang, Schuhe zu tragen) übertrug und wie plausibel und transparent seine Argumentation daherkam. Erhofft und erwartet hätte ich, dass Howell in der Folge auch andere unsinnige soziale Konstruktionen auf's Korn nimmt, sprich: dekonstruiert. Stattdessen: Trump-positiv! Irgendwas muss ich übersehen haben.

Jaaa, ich weiß, dass ich die Latte damit hoch auflege! Ich verlange nicht nur, dass die Leute gute Werke erschaffen, ich erwarte ja anscheinend auch, dass sie mit ihrem gesamten Lebenswandel und, neudeutsch, Mind-set vollumfänglich und unerschütterlich dahinterstehen. 

Bingo! So isses!

Wir reden hier nämlich von Kunst! Und von Kunst erwarte ich, dass sie authentisch ist, dass sie also etwas abbildet, was in einem Menschen drinsteckt, was wichtig ist und was darum bettelt, nach Außen getragen zu werden. Alles andere kann ich von Text- bzw. Malerei-KIs (Chat GPT, MidJourney f.ex.) erledigen lassen und / oder als triviale kunsthandwerkliche Auftragsarbeit¹ abbacken. 

Hm, mir fällt gerade auf, dass wir damit so ganz en passant auch geklärt haben, wo der tiefe, breite Graben zwischen KI und menschlichem Denken verläuft. Sehr gut!

Aber wir sind noch nicht fertig: Was mache ich denn nun mit den fraglichen Büchern?


Verbrennen?

Ei, ei, ei, da gibt es böse Vorbilder!

Behalten will ich die Bücher aber auch nicht, denn ich werde sie definitiv nicht nochmal lesen oder zitieren. Sie klauen kostbaren Regalplatz, und sie machen mich - Kondo lässt grüßen - nicht glücklich. Mein Motiv ist NICHT mit den Bücherverbrennungen der Nazis und all ihrer geistigen Vor-, Nach- und Wiedergänger vergleichbar, da ich mich mit den Ideen des Rassismus' und Trumpismus' bereits reichlich auseinandersetzen musste, so, wie sie uns medial aufgenötigt wurden und werden. 

Conclusio: Es ist ethisch völlig korrekt, die Bücher fachgerecht zu entsorgen.

Weder ich noch Andere sollten mich zwingen, mich mit Werken von Leuten zu umgeben, die die gute Sache verraten haben. 

Siehe auch hier und hier. 





¹ Nichts gegen Kunsthandwerk!




Sonntag, 26. Februar 2023

Abgebrochene Bücher

In letzter Zeit mehren sich bei mir Bücher, deren Lektüre ich wegen inhaltsbedingten Unwohlseins abbreche. Nennt mich hypersensibel¹, aber ich sehe keinen Sinn darin, mit Gewalt zu Ende zu bringen, was mir nur beschränkten Erkenntnisgewinn, aber mittelfristig negative vibrations beschert.

Da wären:

Niklas Frank: dunkel seele, feiges maul; Bonn, 2. Aufl. 2017; Untertitel: "Wie skandalös und komisch sich die Deutschen beim Entnazifizieren reinwaschen." Franks Stil ist nicht immer professionell, die genannten Beispiele und aufgezeigten Strategien dürften aber authentisch sein. Es ist frustrierend und erbärmlich, wie viel Lügen, Betrügen, Denunziantentum, Dreistigkeit und Korruption am Beginn unserer Demokratie stehen.

Volker Ullrich: Acht Tage im Mai; München, 2020; ein ganz hervorragend recherchiertes und dennoch leseappetitliches Werk, an sich rundherum empfehlenswert, aber in zeitlichem Zusammenhang mit dem Frank-Werk (s.o.) völlig deprimierend.

Etwas weg vom Krieg und Nazitum: Thomas Piketty: Eine kurze Geschichte der Gleichheit; München 2022. Mir war schon vorher klar, dass unsere Welt und unser Verteilungssystem auf hemmungsloser individueller Gier und nicht auf Gerechtigkeit basiert, aber wenn Piketty die trockenen, nachweisbaren Zahlen, die seine Leute und er mühevoll zusammengetragen haben, wenn er diese Zahlen gut lesbar, aber sachlich und wertfrei vorstellt, dann wird mir ob der Dimensionen der hervorscheinenden Ungerechtigkeit kotzeübel. Ich werde das Buch noch zu Ende lesen, ich schwör', aber ich brauche echt eine Erholungspause.

Heinz Schuler, Dominik Schwarzinger: Die Masken der Psychopathen; München 2022. Auch dieses Buch werde ich zu Ende lesen ... demnächst. Aber die sehr gut belegte These, dass subklinische Psychopathen in unserem Weltbild als die coolen, harten, ultra-durchsetzungfähigen Macher verehrt werden und entsprechend in den Hierarchien hochpurzeln und sich dort mit ihrer unheilbaren Krankheit (!) resident festsetzen, ist zur Zeit noch zu dicht an eigener Leidenserfahrung dran. Wenn Du auf den nächsten zwei Hierarchiestufen über Dir subklinische Psychopathen sitzen hast, bleibt nur die Flucht ². Trotzdem ist das Buch zwingend empfohlen.






 



¹ ... was ich durchaus nicht als Beleidigung auffassen würde... 

² Die Verfasser raten schon bei einem psychopathischen Vorgesetzten zur Flucht. Veränderungen einzufordern, Diskurse auf üblichen Dienstwegen sind bei dieser Diagnose nach Aussage Schulers/Schwarzingers völlig sachfremd. Die Krankheit ist im MRT nachweisbar, sie ist genetisch - und also nicht durch rationalen Diskurs heilbar.