Dienstag, 17. Dezember 2024

Stau - Gedanken

 

Die Zufahrt zum Stadtautobahnring ist dicht. Baustelle. Zum Glück kenne ich Ausweichrouten, Schleichwege. Bin aber wohl nicht der Einzige, der diese Routen kennt. Sie sind auch dicht. Stau, Stillstand, Verkehrskollaps.

Wo kommen die vielen Menschen her? Was machen die hier - an einem Dienstagvormittag? ¹

Klaustrophobie ist die Angst vor engen Räumen, Agoraphobie meine Angst, in großen Räumen von Menschenmassen eingekeilt zu sein. Eine verkehrskollabierte Innenstadt ist der Ort, an dem man beides gleichzeitig erleidet. 

Ich weigere mich aber, meine Angstreaktion als Angststörung zu betrachten, neige eher zur Annahme, dass nur eine soziokulturell deformierte Psyche sich in derartiger Zwangslage nicht unwohl fühlt. Die Metropolregion Tokio hat aktuell etwa 37,2 Millionen Einwohnys ² und etwa 3.000 Einwohnys pro Quadratkilometer. Hier im Ammerland sind's 177 pro qkm, und ich finde, es wird hier langsam eng. 

Neulich wurde in irgendeiner Arte-Doku über Nachhaltig und Klima und Wohnen und Zukunft und so³ gesagt, die lockere Verteilung der Wohnbebauung außerhalb unserer Städte sei energetisch ganz großer Mist wegen Wärmedämmung, Verkehrsanbindung, Versorgung u.v.a.m. Wir sollten uns des Klimas und der Umwelt zuliebe stattdessen angewöhnen, die positiven Aspekte des Wohnens in größeren Einheiten in Mega-Cities, vielleicht sogar in Arkologien zu würdigen. 

An der Stelle spürte ich, wie ein ganz kreatürlicher Trotz von mir Besitz ergriff. Mir fielen einige Science-fiction-stories ein, deren Handlung vom Gegensatz zwischen den smarten Bewohnys hochtechnisierter Mega-Cities und den barbarischen, sturen Natur-Leuten außerhalb lebt. Und ich habe mich nie anders als in der Rolle des alten, faltigen, verwilderten, trotzigen, griesgrämigen Sacks gesehen, der, in rohe Tierhäute gekleidet, in rußiger Höhle (natürlich WEIT außerhalb der Mega-Cities) sitzt und archaische Verwünschungen gegen die Städter ausstößt. 

Wenn wir Menschen nur noch überleben können, indem wir auf ein menschenwürdiges Leben  verzichten, dann haben wir's verkackt, "die Uhr mag stehen, der Zeiger fallen, es sei die Zeit für [uns] vorbei." (Faust I)


(Still aus "Matrix" I, stark verändert via wiki commons)







¹ Ja, klar müsste ich mich das selbst auch fragen, aber ich weiß ja, dass ich verdammt gute Gründe habe, hier langfahren zu müssen. Aber die anderen...?

² Die gesamte BRD hat 84,5 Millionen Einwohner, d.h. 44 % der Einwohnys Doitschlands drängen sich in Tokio einer einzigen Stadt, naja Region.

³ Ich muss gestehen, die Quelle nicht wiedergefunden zu haben, reiche sie ASAP nach.






Samstag, 14. Dezember 2024

Sprache bei der Arbeit


Kindheitserinnerung: Sommersonnntagsbesuch bei Großeltern. Ich (4½) spiele draußen mit Nachbarstochter Doris (6?). Doris macht völlig anlasslos irgendwas total Fieses und rennt feixend weg. Ich rufe mit maximaler Empörung und ebensolcher Lautstärke hinterher "Doris, Du schwarzes Arschloch!". Meine Eltern ... konsterniert ... bitten mich zum Gespräch.

Erläuterung: In meiner mittelstandsbürgerlichen Erziehung kam das Wort "Arschloch" nicht vor, weder aktiv noch passiv, war völlig undenkbar, und das gilt für die gesamte Familie. Irgendwo muss es aber in mein kindliches Gemüt gedrungen sein und war dann da, als Zorn und Wut in eben diesem Gemüt heißglühten und verbalen Ausdruck suchten. Mehr noch: "Arschloch" war zwar das allerschlimmste mir verfügbare Schimpfwort, aber offensichtlich dem Sachverhalt noch nicht hinreichend angemessen, so dass ich spontan und kreativ das "schwarze(s)" noch davor setzte. Das "schwarze Arschloch" war definitiv eine totale Wortneuschöpfung, die als solche in den Familiolekt und die Annalen des Clans einging.

Relevanz: Wir sehen an diesem Beispiel, wie Sprache funktioniert und wie sie sich immer weiterentwickelt. Es gibt ein dringendes Bedürfnis, Dinge oder Gefühle auszudrücken, und wenn dieses Bedürfnis stark genug ist, dann finden wir entweder Worte in unserem Wortschatz oder wir basteln spontan neue. Das ist doch unglaublich spannend, oder? Ich glaube, KI kann das nicht.


(stark verändert via Inet)

Wenn ich mit dem Abstand von fast 60 Jahren so drüber nachdenke, bin ich aber auch froh, dass es keine Wortmagie gibt. Wäre Sprache wirkmächtig, hätte mein Zorn ein "Wort der Macht", z.B. ein Feuerball, werden können, wäre von Doris damals nur noch ein Aschewölkchen übriggeblieben.







Mittwoch, 11. Dezember 2024

Spielregeln zum Boomer-Bashing

 

Ok, das Boomer-Bashing greift um sich, das war zu erwarten. Als Betroffener habe ich auch überhaupt nichts dagegen, denn Vieles, was da von X, Y, Z an Kritik geäußert wird, haben zahlreiche Boomer (incl. mir) bereits als Selbstkritik formuliert.

Ob diese Kritik kommt oder nicht, habe ich weder zu bestimmen noch zu bewerten. Was ich sagen kann, ist, ob Kritik bei mir irgendwas bewirkt oder nicht. Hier die Boomer-Bedienungsanleitung:

  1. Wer bei den LTW 2024 oder überhaupt jemals die AfD gewählt hat, hat mir überhaupt nichts zu sagen. Eine Alterskohorte, die zu fast 40 Prozent AfD gewählt hat, hat weißgott reichlich eigene Probleme zu bearbeiten, bevor andere, demokratiefreundlichere Generationen attackiert werden. 
  2. Und so, wie Ihr pauschal ALLE Boomer verurteilt, weil sie Eure Umwelt in die Grütze gehauen haben, sage ich, dass Ihr pauschal ALLE eine Nazi-Generation seid, die unsere FDGO und die Menschenrechte in die Grütze haut. Demnach hat keine*r von Euch das Recht, mir i-was vorzuwerfen.
  3. Ich sehe weder bei Gen X noch Y noch Z gegenwärtig überzeugende und schlagkräftige Konzepte, die die Zukunft nachhaltig betreffen. Jaaa, Ihr habt FFF und tralala, aber vergleichbares Aufbegehren gab's in den 80ern auch. Schaut selbst, was draus geworden ist. Wo stecken Eure Menschys, die die unbequeme Wahrheit, dass wir von unserem Lebensstandard runtermüssen, großflächig durchsetzen? Ein paar wenige Enthusiasten reichen nicht, die hatten wir auch. Ihr habt aktuell nichts auf der Pfanne, was Euch zur Kritik berechtigt.
  4. Im Moment sehe ich mit Grausen, dass (und wie sehr) Ihr Euch durch fucking social-media-Kampagnen beeinflussen lasst, statt durch Lektüre von Fachliteratur. Team science? Drauf geschissen. Mimimi, der böse Putin bezahlt böse Tiktok-Kampagnen! Seid Ihr wirklich so weich in der Birne, dass Euch das beeinflusst? Ernsthaft!? Und Ihr wollt Boomer kritisieren!?

Soll ich weitermachen? Wir können eine riesen-fiese Diskussion vom Zaun brechen.

Oder wir fangen an nachzudenken: Wem ist am meisten geholfen, wenn sich die kritischen Potentiale der Generationen gegenseitig zerfleischen, statt gemeinsam auf den eigentlichen Gegner loszugehen (gewaltfrei natürlich!)? 

Wer.Hat.Ein.Interesse.Daran?

Tipp: Folge dem Geld!

Noch 'n Tipp: Pauschale Urteile nach dem Schema "Alle Boomer sind doof!" sind einer kritischen Praxis kontraproduktiv. Globale Probleme eskalieren, und die Führungs-Camarilla der Welt blockt alles ab (vgl. COP29). Wenn wir uns auch noch gegenseitig blockieren, ist Feierabend. Wir haben ja ohnehin noch nicht mal wirksame Ideen.

Mich würde es sehr freuen, und das meine ich 110% floskelfrei, wenn wir mit der Kinderkacke aufhören und mit der notwenigen Arbeit anfangen bzw. weitermachen könnten.



(verändert via wiki commons)

Man kann viel erreichen, wenn man zusammenarbeitet!









Sonntag, 8. Dezember 2024

Ehre zwopunktnull


Ich plädiere aus vielen aktuellen Gründen für die Wiedereinführung der Idee der persönlichen Ehre. Natürlich in einer aktualisierten Fassung, ohne die fatalen, verlogenen und brandgefährlichen großbürgerlichen und feudalistischen Normensysteme vergangener Zeiten.

Wir definieren:

"Persönliche Ehre" = Der Grad der Wahrhaftigkeit, den ich einem Menschy zuschreibe. ¹

"Wahrhaftigkeit" = Die Selbstverpflichtung eines Menschy, nur das zu sagen, was sie*er für wahr hält.

Begründung:
Wahrhaftigkeit wird bereits von Kant mit "Ehrlichkeit" gleichgesetzt, damals noch im ursprünglichen Wort-Sinn von "Ehre haben". Was beweist, dass schon der alte Königsberger den Zusammenhang von Lügen und Ehrlosigkeit bzw. von Wahrhaftigkeit und Ehre ganz simpel und vollständig erfasst hat.

Wenn ich sage :"X ist ehrlos!", dann meine ich, X sagt bewusst die Unwahrheit, sofern es zu seinem*ihrem persönlichen Vorteil ist.

"Persönliche Ehre" fragt, inwieweit ich annehme, dass eine Person selbst glaubt, was sie*er sagt.

Mit diesem bestechend einfachen Gedanken prüfen wir nun die Menschys unserer Umgebung. Vielleicht hilft es, das jeweilige Ergebnis in Form einer Skala von 1 bis 10 auszudrücken.

"1" bedeutet, er*sie lügt notorisch, alle Aussagen sind ausschließlich taktisch motiviert und auf den eigenen Vorteil bedacht.

"10" bedeutet, sie*er sagt nur Dinge, die er*sie für wahr hält, auch, wenn das zum eigenen Nachteil wäre. 

Wichtig: Dabei spielt es keine Rolle, wie wir selbst den Wahrheitswert einer Aussage bewerten. Man kann aus Unwissenheit, mangelnder Datenlage und sogar aus Verblendung unbeabsichtigt unwahre Aussagen machen. Das menschliche Irren ist ja nicht taktisch motiviert. Falls doch, dann wäre es kein Irren, sondern eine Lüge.

Viel Spaß beim Ausprobieren! Vielleicht fangen wir zur Übung mit Politikys an ...



(FP45 - verändert via wiki commons)

Ein ganz primitive aber effiziente Schusswaffe
zum Gebrauch durch Partisanen im Zweiten Weltkrieg.
Eine Ethik-Guerilla braucht primitive aber effiziente Begriffe.






¹ Zur Abgrenzung "Wahrhaftigkeit" und "Wahrheit" vgl. Kant 1797: "Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen". Was war ich sauer, als ich feststellen musste, dass das, was ich mir zum Thema überlegt habe und hier als neuen, heißen Scheiß darlegen wollte, von I.K. schon vor 227 Jahren äußerst präzise, schlüssig und eloquent beschrieben worden ist. Ich musste meinen bis dato mühevoll zusammenformulierten Text komplett in die Tonne kloppen und praktisch neu beginnen. Fick Dich, Kant! Aber in echt! ²

² Andererseits kann ich nicht leugnen, dass es ein erhebendes Gefühl ist, mich einem Genie wie I.K. geistig so weit angenähert zu haben, dass ich realen Grund habe, stinksauer auf ihn zu sein. ³

³ Ich hatte mal einen alten Soziologie-Prof, der aus Indien stammend, stinksauer auf Mahatma Gandhi war, weil der die marxistische Revolution in Indien verhindert habe. Da  wehte uns Studies immer so ein Hauch Historie an, wenn P.A. losschimpfte.







Dienstag, 3. Dezember 2024

Ein bisschen hinterhältig

 

Vorweg, weil wichtig: Der Fehler liegt bei mir, und ich habe keinen Grund zur Klage!

Sachverhalt: Ich kaufte bei einem namhaften Online-Versandhaus einen Skizzenblock; A3; 100 pages, für einen relativ günstigen Preis.



Erst beim Auspacken fiel mir mein Denkfehler auf, dass nämlich "pages" mit "Seiten" zu übersetzen ist und nicht mit "Blatt". Und hätte ich beim Online-Kauf genauer hingeschaut, wäre mir aufgefallen, dass im "Kleingedruckten" die Mengenangabe "100 Pages/50 Sheets" steht. Ich hatte also nur 50 statt erwarteter 100 Blatt, und dafür war der Preis völlig überhöht.

Ich hätte die Übersetzungsleistung erbringen können oder wenigstens die Assoziation, ein Buch mit 1.000 Seiten/Pages besteht aus 500 beidseitig bedruckten Blättern/Sheets, während bei Toilettenpapier nur die Zahl der Blätter/Sheets angegeben wird, weil eine beidseitge Nutzung eher unüblich und ein wenig unappetitlich ist, die Seitenzahl daher irrelevant. Dass ich Skizzenblock-Blätter immer nur einseitig benutze, ist meine persönliche Entscheidung und nicht zu verallgemeinern.

Also nochmal: Mea culpa, in gieriger Schnellklickerei habe ich einen Fehler gemacht. 

Allerdings fällt beim Design des Covers (s.o.) auf, dass der Hersteller schlicht durch die Wahl der Schriftgrößen und Schriftarten diesen Fehler auch nach Kräften unterstützt hat. Da haben pfiffige Marketing-Tussies*Fuzzies mich intelligent reingelegt, und ich gratuliere ihnen zu dieser Leistung und erbiete sportliche Anerkennung: Ihr seid, liebe Jungs und Mädels und alles dazwischen, mir einfach überlegen. Ihr habt gewonnen, und ich habe verloren. Da gibt es nichts zu deuteln.

Ich finde die Sache auch nicht schlimm, denn erstens geht es nur um Geld und zweitens wurde ich auf diese Weise wieder einmal daran erinnert, dass Verkäuferys und Endverbraucherys natürliche Feinde sind. Die Konzerne, die Supermarktketten, die Herstellerys sind nicht ehrbar. Sie wollen nicht Ware gegen Geld tauschen, sondern sie wollen Dich bescheissen.

Einzelhandel ist Krieg gegen die Kund*innen. 
Kein Vertrauen, kein Pardon!

Dass ich das vergessen habe, das werfe ich mir in dieser Sache vor. Allerdings frage ich mich auch, ob das zwingend so sein muss. Die plausibelste Antwort: In einem Wirtschaftssystem, das ausschließlich am maximalen Profit orientiert ist, JA.



(stark verändert via wiki commons)

Meine Dummheit, dass ich auf den Angriff nicht vorbereitet war.