Samstag, 14. Dezember 2024

Sprache bei der Arbeit


Kindheitserinnerung: Sommersonnntagsbesuch bei Großeltern. Ich (4½) spiele draußen mit Nachbarstochter Doris (6?). Doris macht völlig anlasslos irgendwas total Fieses und rennt feixend weg. Ich rufe mit maximaler Empörung und ebensolcher Lautstärke hinterher "Doris, Du schwarzes Arschloch!". Meine Eltern ... konsterniert ... bitten mich zum Gespräch.

Erläuterung: In meiner mittelstandsbürgerlichen Erziehung kam das Wort "Arschloch" nicht vor, weder aktiv noch passiv, war völlig undenkbar, und das gilt für die gesamte Familie. Irgendwo muss es aber in mein kindliches Gemüt gedrungen sein und war dann da, als Zorn und Wut in eben diesem Gemüt heißglühten und verbalen Ausdruck suchten. Mehr noch: "Arschloch" war zwar das allerschlimmste mir verfügbare Schimpfwort, aber offensichtlich dem Sachverhalt noch nicht hinreichend angemessen, so dass ich spontan und kreativ das "schwarze(s)" noch davor setzte. Das "schwarze Arschloch" war definitiv eine totale Wortneuschöpfung, die als solche in den Familiolekt und die Annalen des Clans einging.

Relevanz: Wir sehen an diesem Beispiel, wie Sprache funktioniert und wie sie sich immer weiterentwickelt. Es gibt ein dringendes Bedürfnis, Dinge oder Gefühle auszudrücken, und wenn dieses Bedürfnis stark genug ist, dann finden wir entweder Worte in unserem Wortschatz oder wir basteln spontan neue. Das ist doch unglaublich spannend, oder? Ich glaube, KI kann das nicht.


(stark verändert via Inet)

Wenn ich mit dem Abstand von fast 60 Jahren so drüber nachdenke, bin ich aber auch froh, dass es keine Wortmagie gibt. Wäre Sprache wirkmächtig, hätte mein Zorn ein "Wort der Macht", z.B. ein Feuerball, werden können, wäre von Doris damals nur noch ein Aschewölkchen übriggeblieben.







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