Montag, 23. Dezember 2019

Paradoxie der Selbstreferenz



Heute Vormittag im Straßenverkehr:



Bevor wir mit der Interpretation beginnen erstmal die Analyse in Stichworten:


  • Rassisten-Flagge übergroß im Heckfenster
  • davor ein zu wutentbrannter (?) Mimik fähiger Totenschädel mit einem Zahnschema, das eher kleinkindlicher Vorstellung als anatomischer Tatsache entspricht, Unterkieferknochen fehlend, dafür scheint das Wesen zu sabbern
  • darunter mittig in Frakturschrift "I hate people" ohne Satzzeichen
  • direkt darunter leicht nach rechts versetzt in einer serifenlosen Schriftart, fett, kursiv "maybe you, ass!"
  • links außen "Ich bremse NUR für Tiere!"
  • rechts außen "SHIT happens"
  • Das amtliche Kennzeichen bildet u.a. die Zeichenkette "Fri_nd", die man mit wenig Phantasie zu "Friend" erweitert
  • Die Anhängerkupplung wird von einem Gummitotenkopf abgedeckt.


Das Gesamtkunstwerk findet auf dem Heck eines in toto mattschwarz gestrichenen Vans statt und gibt mir reichlich Stoff zum Nachdenken. Zentrale Frage:

Wenn jemand die Menschheit so sehr hasst, warum gibt er sich dann so viel Mühe, der Menschheit ebendies so drastisch mitzuteilen? Wäre es nicht viel logischer, konsequenter und beeindruckender, jegliche Kommunikation mit dem Objekt des Hasses einzustellen? 

Zwischen Jever und Wittmund radelt mitunter ein Mensch, der sich so sehr von seiner Umwelt abzukapseln wünscht, dass er sich mit reichlich Tape, vielen"gelben Säcken" und einem selbstgebastelten Helm (einem Eimer mit Sichtschlitz) vollständig bedeckt. Viele Leute lächeln darüber, manche bemitleiden ihn, aber immerhin zieht er "sein Ding" konsequent und unmissverständlich durch.

Bei dem Van-Fahrer habe ich hingegen Schwierigkeiten, die Nachricht zu entschlüsseln. Vielleicht liegt das auch an dem Kennzeichen. "Fri(e)nd". Ist das vielleicht der augenzwinkernde Hinweis, man solle den Rest nicht so ernst nehmen? Mehr noch: Wird hier womöglich absichtlich äußerst subtil ironisiert? Lautet die implizite Botschaft vielleicht: "Ja, es ist Alles großer Schwachsinn, was hier an menschenfeindlicher Symbolik zusammengetragen ist, aber, siehe, so ticken hirntote Rassisten nun mal. Sei gewarnt, Freund!" Dazu würde auch das "Shit happens" passen, das ja eher hippieesk, buddhistisch, intelligibel und cool konnotiert ist, nicht jedoch braunbratzig, rassistisch und doof.

Fazit: Wir haben hier entweder einen spätpubertierenden, dummen Fascho-Proll oder einen kritischen Progressiven, der mit seiner Subtilität aber unverantwortlich und gefährlich nahe der Grenze zur Missverständlichkeit agiert.










 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Vielen Dank für Ihren / Deinen Kommentar