Freitag, 29. September 2017
Hoffnungsschimmer und Naturekel
Jrade jelesen:
Professionell, leseappetitlich, untrivial und vor allem: Sehr aufschlussreich, wenn normale Menschen sich mal wieder fragen, wie diese seltsame psychische Verfasstheit der dominanten US-Amis zustandekommt.
Besonders berührt hat mich diese Aussage über den Dawes-Act von 1887:
"Henry Dawes und seine Mitstreiter wollten das 'Indianerproblem' dadurch lösen, dass die Indianer 'ich' statt 'wir' und 'das ist mein' anstelle von 'das ist unser' zu sagen lernten. Ihnen sollte ein vermeintlich gesunder Egoismus eingeimpft werden. Denn: 'Selbstsucht ist die Grundlage der Zivilisation. Bis diese Leute nicht einwilligen, ihr [gemeinsames] Land aufzugeben und es unter ihnen [einzeln] aufzuteilen, (...) werden sie keinen großen Fortschritt mehr machen." (S307 f., Anm. [...] von mir)
Ausführlich wird beschrieben, wie die US-Regierung aktiv und zielgerichtet versucht, die Indianer zum Egoismus umzuerziehen, beispielsweise durch Zwangseinweisung der Kinder in Internate usw.
So grauenhaft das auch klingt, enthält es doch auch einen Funken Hoffnung. Bedeutet es doch, dass Egoismus dem Menschen nicht naturgegeben, sprich: genetisch oktroyiert, sondern anerzogen, sprich: kulturell erworben ist.
Das entspricht jedenfalls meinen Kindheitserfahrungen: Früher befielen mich immer Abscheu und grausiges Entsetzen, wenn ich Menschen sah, die offensichtlich nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht waren. Und dieses Gefühl war ein Natur-Ekel. Das war unabhängig von meiner Erziehung. (Wenngleich die eigentlich auch lehrte, Egoismus zu verachten.)
Man musste mir ja auch nicht beibringen, dass zermatschte Schnecken eklig sind. Manche Dinge weiß man einfach.