Samstag, 30. Dezember 2017

Ist nicht Alles schlecht ...




Heute noch bisschen den Hangar aufgeräumt, wo Anno und ich gerade den neuen Tank in mein Flugzeug einbauen. (Also, Anno baut, weil er der Luftfahrt-Ingenieur ist, und ich mache die Hiwi-Arbeiten, weil ich der Weitgehend-Ahnungslose bin ...) Anschließend war ich noch in zwei Läden einkaufen, unter anderem, um mich zum Kauf einer neuen HiFi-Anlage beraten zu lassen.

Und als ich zu Hause ankam, stellte ich fest, dass ich die ganze Zeit die knall-lila Haarnadel im Haar trug, die ich derzeit, wenn ich alleine vor mich hinwerkele, gerne trage, weil mein Pony gerade wieder so lang ist, dass er auf der Stirn und in den Augen nervt, aber noch nicht lang genug, um ihn schon mit einem Haargummi als Pferdeschwanz einzufangen.

Was ich als hoffnungsvolles Zeichen ansehe: Niemand, wirklich niemand, hat darauf reagiert! Das finde ich gut, und mir ist es völlig schnuppe, ob, und wenn ja was die Leute möglicherweise, vielleicht und eventuell gedacht haben könnten. Fakt ist, dass ich NULL Reaktion erfuhr.

Mag sein, dass das jetzt wie 'ne Binse klingt, dass die Leute es heutzutage eher tolerieren, wenn ein alter Sack wie ich mit 'ner quietschbunten Haarspange rumläuft. Aber ich möchte das nicht gering schätzen. Vor dreißig, vierzig Jahren hätte es dümmliche Reaktionen gegeben, da bin ich ziemlich sicher.

Gerade weil in der Welt und in Europa derzeit so viele Machthaber samt ihren Speichelleckern zurückrudern in die 1950er, in die 1910er oder am besten gleich ins Mittelalter, finde ich diese scheinbar banale Feststellung wichtig: Es gibt auch immer noch die Mehrheit, die auf dem Weg in die entgegengesetzte Richtung ist!

Nil desperandum!












Donnerstag, 28. Dezember 2017

Mögliche Lösung für Nahost-Konflikt!


Endlich mal ein richtiger, taktisch kluger Schritt im Nahost-Konflikt: Der furz-nationalkonservative Transportminister Israels, Israel Katz, will eine demnächst zu errichtende Bahnhaltestelle in unmittelbare Nähe der Klagemauer in Jerusalem nach Donald Trump benennen, weil der sich ja um die völkerrechtswidrige Anerkennung Jerusalems als Reichshauptstadt Israels so verdient gemacht habe.

Ich finde die Idee gut, denn sie hilft, diesen ganzen ultrareligiös aufgeladenen Bereich zu entzaubern und zu säkularisieren. Klagemauer, al-Aqsa-Moschee und Felsendom sind niemals in ihrer Geschichte mehr gewesen als Kristallisationspunkte für die geifernde, psychopathologische Machtgier kranker alter Männer. So wie Flußpferdmännchen Ihre Reviergrenzen vollkacken, um anderen zu signalisieren "Wenn Du diese Grenze überschreitest, herrscht Krieg!", so dünsten Religionen Heiligtümer aus, um bei Bedarf einen Grund zu haben, Andersgläubige niederzumetzeln.

Wenn jetzt einer von diesen dummen, egomanischen Macht-Habern, ein aktueller noch dazu, dort namentlich verewigt wird, werden andere bald nachfolgen: Neben der Moschee wird der "Prince-of-Saudi-Arabia-Airport" hingeferkelt, dann wollen die Iraner natürlich mindestens die "Chamenei-Subway-Station", und vor der Klagemauer ist noch reichlich Platz für einen Supermarkt, die "Benny-Netanjahu-Wall-Mall"; Den Felsendom ziert der Daimler-Stern-von-Bethlehem und seitlich blinkt meterhoch die Cola-Werbung ...

Und in einer Generation wird die Welt auf diese Symbole der Hybris und der Lächerlichkeit schauen, auf diese Stätte des Wahnsinns und der Verlogenheit, und nichts empfinden als verständnislosen Ekel.




(via wiki commons)

Also, städtebaulich in da ist da noch 'ne Menge mehr drin: Links das "Putin-Park-'n-Ride-Parkhaus", oben ein McDonald's-Flagship-Store mit den Geschmacksrichtungen "koscher", "halal" und "standard" ... 'chgottchen, wenn man einmal anfängt, drüber nachzudenken ...

Hauptsache, der bisherige Schwachsinn hört endlich auf.






Sportsgeist!



Sieh an, sieh an. "Top-Spielerin boykottiert Schach-WM in Saudi-Arabien wegen Kleidervorschriften für Frauen" titelt DLF und berichtet, dass nicht nur Anna Musytschuk, sondern gleich ein paar mehr WeltklassespielerInnen die Veranstaltung wegen der Menschenrechtslage in S.A. boykottierten. Und gleich darunter "Einreise verweigert - Israelis dürfen nicht zur Schach-WM in Saudi-Arabien".

Ja, ja, die erste Frage ist natürlich, warum SchachspielerInnen Mut, Anstand und Verantwortungsbewusstsein genug haben, derartige Entscheidungen zu treffen und zum Beispiel unsere heilige Fußball-Nationalmannschaft nicht, und die banal-bekannte Antwort ist natürlich, dass  Fußball, insbesondere internationaler Fußball, eine global durch und durch korrupte Veranstaltung * ist, bei der es ausschließlich um sehr viel Geld und absolut überhaupt nicht um Ethik geht.

Soweit, so banal. Mich interessiert aber viel mehr die Frage, wie die SchachspielerInnen klarkommen, die da trotz allem hinfahren. Was ist das für ein Gefühl, an einem Wettkampf teilzunehmen, von dem Menschen aus politischen, religiösen oder rassistischen Gründen ausgeschlossen worden sind? Oder zu wissen, dass die eigene Teilnahme eigentlich nur möglich ist, weil man so stumpf fähig ist, ethische Aspekte, wie Menschenrechtsverletzungen, Terrorunterstützung etc. vollständig zu ignorieren? Wie werden sich die "Sieger" dieser Wettbewerbe fühlen, wenn ihnen doch klar sein muss, dass das Ergebnis völlig anders hätte aussehen können, wenn entweder alle SpielerInnen ethisch richtige Entscheidungen getroffen hätten oder zumindest die Location offener, toleranter, demokratischer, humanistischer gewesen wäre? Kann man so einen Siegpokal überhaupt vorzeigen? Oder stellt man sich da nicht viel mehr den konkreten Beweis der eigenen Korrumpierbarkeit in den Schrank?

Normalempfindende Menschen würden vor Scham im Boden versinken.

"Es gibt kein richtiges Leben im falschen." (Adorno)

 


Olympia 1936 - Hauptsache, alle haben ihren Spaß!





* nota bene: Von "Sport" ist hier nicht die Rede!




Mittwoch, 27. Dezember 2017

Schnappschuss-Gedanken


Oh Scheiße! Neulich hat eine Kollegin ein Bild von mir geschnappschusst, auf dem ich so richtig teigig, faltig, fertig und alt aussehe, so als wäre ich nicht Mitte 30, sondern Mitte 50. Gut, laut Personalausweis und allen relevanten ZeugInnen BIN ich rein rechnerisch tatsächlich Mitte 50, aber das war bislang noch lange kein Grund, mich auch so zu fühlen - auch nicht im Winter, wenn man ohnehin immer noch käsiger, fetter, unbeweglicher und depressiver ist als normalerweise ...


Ja, ich habe das Bild ein wenig nachbearbeitet, um klarzumachen, was ich meine. Aber nur ganz allgemein mit Kontrasten und so ... Den Rest erledigen das Alter, der trübe Winter und das eiskalte, psychotische LED-Sparlampen-Großraumbeleuchtungs-Neonlicht.

Aber lassen wir mal die selbstironisch geschauspielerten Eitelkeiten beiseite: Ich fühle die Last der Jahre nicht in erster Linie körperlich, sondern geistig. Innerhalb von 55 Jahren, so stelle ich mit zunehmender Häufigkeit fest, hat man schon so viele Fehler gemacht, darunter auch so viele heftige Fehler, dass man ein Idiot sein müsste, wäre man aus ihnen nicht auch ein kleines Bisschen weiser geworden.

Und man hat so viel auf die Fresse gekriegt, metaphorisch gesprochen, dass es immer leichter fällt, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und dass man, sofern man, wie gesagt, kein Idiot ist, die ersten embryonalen Kristallisationspunkte dessen erahnt, was bei weiterer mählicher Reifung zu einem eigenen in sich geschlossenen Weltbild werden könnte. 

Nee, ich möchte nicht nochmal 25, 35 oder 45 sein, und erst recht nicht 15. Weniger fett, ja, aber sonst?

Alles ist gut!










Montag, 25. Dezember 2017

Trefflich fein


Soso, Guatemalas Präsident hat jetzt via Fehsbuck angekündigt, er werde Trumps Vorbild folgend die guatemalesische Botschaft in Israel nach Jerusalem verlagern, um den entsprechenden  völkerrechtswidrigen Vorstoß US-Israels zu unterstützen.

Natürlich fallen uns spontan 500.000 Zynismen ein, die die bisherige Rolle Guatemalas im Nahost-Konflikt von den Anfängen bis zur Gegenwart betreffen. Nach vielem Klamauk kämen wir endlich zu dem gemeinsamen Schluss, dass hier wieder nur ein weiterer machtgeiler, nationalistischer, korrupter Anti-Demokrat dem obermächtigen Trump in den Arsch kriecht und dass Guatemalas Einfluss auf die Geschicke dieses Planeten so erbarmungswürdig gering ist, dass selbst das Arschkriechen seines Präsidenten als symbolischer Akt uns peinlich berührt.

Immerhin denken auch die Tschechen darüber nach, ihre Botschaft zu verlagern. Damit hätte Trump in der Sache weltweit schon fast zwei Verbündete. (128 Länder haben sich in der UN gegen die Aktion ausgesprochen, 35 waren nicht dagegen, ein bis zwei machen mit.) Wir werden natürlich nie erfahren, welche informellen diplomatischen Prozesse Guatemala und (fast) Tschechien zu ihrer Entscheidung motiviert haben, aber das spielt eigentlich auch keine Rolle, denn uns ist klar, dass es natürlich nicht um Jerusalem oder Israel oder Palästina geht, sondern ausschließlich um dreckige Machtspielchen ein paar weniger psychisch kranker, alter Männer.

Wir sollten derartige Dinge einfach nur registrieren. Lasst uns unbestechliche Listen führen. Wer kriecht bei Trump? Wer treibt noch Handel mit der Türkei? Wer mit Saudi-Arabien? Wer schafft die Errungenschaften freiheitlich-demokratischer Grundordnungen, weil nie wirklich verstanden, wieder ab?

Die Karte der Welt wird neu gezeichnet. Für Europa gilt:

  • Skandinavien, Benelux, Deutschland (ohne Bayern und Sachsen), Frankreich, Spanien (ohne Katalonien), Italien, alles keine ethischen Musterländer, aber doch Länder etwa gleichen Geistes. 
  •  Polen, Tschechien, Ungarn, Balkan, Weißrussland - Länder gleichen Geistes, entschuldigt, dass wir Euch in die EU aufgenommen haben, heute wissen alle Beteiligten, dass es ein Fehler war. Wir passen einfach nicht zusammen. Ach ja, und nehmt die Österreicher, die Bayern und Sachsen bitte mit, die denken wie Ihr. 
  • Britannien, Schweiz und Katalonien? Wir wünschen Glück auf ihrem Weg. 
  • Griechenland? Baltikum? Sollten sich, wie alle, entscheiden.
  • Türkei? Ist nicht Teil Europas, ist es nie gewesen.

Je eher wir diese Dinge konkret umsetzen, desto besser.






(stark verändert via bauernhof.net)
Die Spreu vom Weizen zu trennen, ist nicht wirklich schwer.












Donnerstag, 21. Dezember 2017

Döstädning - konsequentes Aufräumen


Die Schweden sollten das Namensrecht behalten: "Döstädning". Die amerikanische Übersetzung "Death cleaning" klingt viel zu marktschreierisch *1 und die deutsche Übersetzung "Todes-Aufrämen" viel zu morbid *2. Es geht schlicht darum, das eigene Leben zu vereinfachen, indem man die eigenen Scharteken so weit wie möglich reduziert und sie so einfach, schlicht und übersichtlich strukturiert, wie möglich. Als Maßstab, als Denkmodell sozusagen, könnte man sich permanent fragen, was man eventuellen Hinterbliebenen - oder wer immer Deinen Mist beseitigen muss - wohl zumutete, wenn man itzo, instantáneamente den Allerwertesten zukniffe.

Ich finde die Idee brilliant. Sie steht in bester philosophischer Tradition, der Erkenntnis, wie förderlich es doch sei, das eigene Leben alltäglich vom Moment des Todes aus zu denken, oder wie   Gellert sagte: "Lebe, wie Du, wenn Du stirbst, wünschen wirst, gelebt zu haben." oder, wie ich es lieber ausdrücke: "Im Augenblick Deines Todes, in jener endlosen Sekunde des Hinüberwechselns ins Was-auch-immer, wird Dir endlich die ganze Wahrheit, eine umfassende Erkenntnis bewusst. Und stell' Dir vor, Dir würde in diesem letzten Moment klar, dass Du Dein Leben vollständig verkackt hast, dass Du's mit nichtsnutzigen Dingen verplempert hast, immer nur falschen Idealen aufgesessen, idiotischen Zielen hinterhergerannt bist, dass Du gar nicht richtig gelebt hast, jedenfalls nicht das Leben, das eigentlich DEIN Leben gewesen wäre ... Mal ehrlich: Wie scheiße würde sich DAS in DIESEM Moment wohl anfühlen!?"

Naja, das ist, ernsthaft, jedenfalls eine sehr grundsätzliche Überzeugung von mir, eine, die man, da sie nicht beweisbar ist, aber trotzdem Auswirkungen auf meine Lebensführung hat, gerne auch als "religiös" bezeichnen darf ... Aber das führt uns jetzt doch weit vom Thema weg.

Was ich eigentlich sagen wollte: Brilliantes Konzept!

Und was ich ganz eigentlich sagen wollte: Habe heute einen großen Schritt getan, alle (!) meine Finanz-Sachen bei einem einzigen, örtlichen Institut unterzubringen. Angesichts der in den vergangenen Jahrzehnten "gewachsenen Strukturen" ist das eine Aufgabe mit dem Charme und der Komplexität einer Herz-Lungen-Transplantation, und etwa genau so lustig - aber das Ziel fühlt sich guuut an!









*1 Dafür eignet sich diese Sprache ja auch allzu gut.
*2 siehe *1







Dienstag, 12. Dezember 2017

Save Oberst Holstein


Eine der skurrilsten, schrulligsten und einprägsamsten Figuren der Filmgeschichte ist für mich der herrlich bekloppte Oberst von Holstein aus den "tollkühnen Männern in ihren fliegenden Kisten", GB 1965, dargestellt von Gert Fröbe.




Ja, er ist ein Kind seiner Zeit, ein Militarist, wie er in den 1910er Jahren - nicht nur in Deutschland - im Buche stand.
Ja, er ist ein bisschen beschränkt, ein bisschen ignorant, und er neigt dazu, Marschmusik zu grunzen.
Ja, er wird im Film, stellvertretend für das Preußentum, herrlich trivial veräppelt, und die Flieger Frankreichs, Englands und der USA sind insgesamt viel cooler und tiefentspannter, und die Vertreter Italiens und Japans auf die eine oder andere Weise auch viel netter und menschlicher.
Ja, am Ende scheitert er ziemlich lächerlich.



Das Scheitern ist übrigens in mehrfacher Hinsicht interessant. Erstens muss er notwendigerweise scheitern, weil der Plot des Filmes es nicht ertrüge, wenn ein alter, dicker, dummer Preuße neben den jungen, smarten, schlanken Westeuropäern technisch oder sonstwie reüssieren würde.

Zweitens war das Erstaunen der Siegermächte über den technologische Vorsprung der Deutschen im Zweiten Weltkrieg - gerade in der Luftfahrt - 1965 noch nicht hinreichend veratmet, um die fiktionalen Deutschen in einem lustigen Film ein technologisch determiniertes Rennen gewinnen zu lassen. Das wäre nicht lustig gewesen. *1

Drittens und am wichtigsten: Das Scheitern von Holsteins ist vor allem das Scheitern eines Konzeptes, das sich am besten durch einschlägige Zitate aus dem Film beschreiben lässt, entnommen aus Wikipedia
  • Hauptmann Rumpelstoß (nachdem ihm befohlen worden ist, während des Wettfluges die deutsche Flugmaschine zu steuern, obwohl er noch nie geflogen ist): „Wie soll ich denn fliegen lernen?“ – Darauf der Oberst: „Ganz einfach: Lesen Sie die Dienstvorschrift, und dann fliegen Sie!“
  •  Oberst von Holstein (in der Bedienungsanleitung lesend): „Nummer 1: Hinsetzen!“
  •  Oberst von Holstein (mehrfach im Film): „Es gibt nichts, was ein deutscher Offizier (im Original „German officer“) nicht kann!“
Haha, wie lustig.



C.C. Bergius berichtet in der "Straße der Piloten", 1959, dass dem ersten Militärpiloten der USA, Lt. Selfridge, ein Aeroplan zur Verfügung gestellt wurde, nebst Anweisung, sich das Fliegen damit selbst beizubringen. Vielleicht wäre Selfridge, der 1911 übrigens bei einem Flugunfall ums Leben kam, ganz froh gewesen, wenigstens eine Checkliste, zu deutsch Dienstvorschrift, gehabt zu haben.

Und was ist falsch daran - wenn man denn nichts Anderes hat - so eine Dienstvorschrift bzw. Checkliste abzuarbeiten, auch wenn sie scheinbar lächerlich mit "Nr. 1 - Hinsetzen" beginnt? Beim Start einer Saturn-Rakete gab es  angeblich 158.000 Einzelschritte, die im Rahmen des Countdowns akribisch abgearbeitet werden mussten *2. Der Countdown beginnt schon viele Tage vor dem Start und dient nicht, wie Viele meinen, dazu, in den letzten zehn Sekunden vor dem Start die Spannung noch ein bisschen zu pushen. *3

Ist es denkbar, dass der lächerliche "German officer" *4 gar nicht so lächerlich ist?




Betrachten wir mal die Exposition dieser Figur: Holstein ist Oberst der Kavallerie, der gerade den Absturz des offenbar einzigen deutschen Militärflugzeuges *5 beobachtet, skeptisch kopfschüttelnd, als fände er die ganze Idee ziemlich blöd. In dem Moment erreicht ihn der kaiserliche (!) Befehl (!!), das internationale Luftrennen zu gewinnen (!!!). Hier geschehen zwei kritikwürdige Dinge: Der kaiserliche Befehl zeugt von irrwitziger Überheblichkeit, und Holstein lehnt ihn nicht als undurchführbar ab, kritisiert ihn nicht einmal. Typisch preußischer Kadavergehorsam, typisch preußische Arroganz, oder?

Nun, am 12.09.1962 hielt JFK (!) seine berühmte "We-choose-to-go-to-the-moon"-Rede, in der er anordnete (!!), die USA würden bis zum Ende des Jahrzehnts auf dem Mond landen (!!!), was bei den betroffenen Ingenieuren sofortige Schnappatmng auslöste, da sie sehr wohl wussten, wie vergleichsweise jämmerlich man in der Sache aktuell dastand. Widersprochen hat da natürlich auch niemand.

Wie auch immer: Der arme von Holstein steht nun also mit dem kaiserlichen Befehl unter unglaublichem Erfolgsdruck, und er hat nichts in der Hand, außer ungeschultem Personal und anscheinend gewisse finanzielle Ressourcen. Was denkt so einer in so einer Situation? Ich weiß es nicht. Ich weiß ich nur, was ich dächte, nämlich: "Ok, ich habe diesen Auftrag bekommen, für den ich fachlich überhaupt nicht qualifiziert bin. Entweder hat jemand in der Personalverwaltung Mist gebaut oder die haben tatsächlich niemanden, der weniger ungeeignet wäre als ich. Bei einem Auftrag dieser Tragweite gehe ich nicht davon aus, dass die Jungs leichtfertig handeln. Demnach bin ich tatsächlich der am wenigsten Ungeeignete. Und folglich habe ich den Job jetzt an der Backe."

In der kurzen Szene im Film (Kapitel 6) sieht man nur ein ganz kurzes Zögern *6, dann ist von Holstein wieder in seiner Rolle als verantwortlicher Vorgesetzter. Und was soll er machen? Zuversicht und Aktivität bei seinen Mitarbeitern verbreiten. Das Projekt anschieben. Klar machen, dass es keine Zweifel gibt. Delegieren. Leute aktivieren. Von Holsteins Reaktion ist überhaupt nicht lächerlich und da ist keine Spur von Kadavergehorsam. Der Mann packt einfach an, was getan werden muss, und er macht es auf der Ebene der Mitarbeiterführung genau richtig *7.


Dass er als projektverantwortlicher Manager dabei logisch und vor allem konsequent vorgeht, beweist er, indem nach Ausfall des ursprünglich vorgesehenen Piloten Rumpelstoß selbst das Steuer übernimmt, auch hier wieder in der klaren Erkenntnis, dass er von allen in Frage kommenden Ersatzleuten der am wenigsten inkompetente ist. Es muss nicht besonders betont werden, dass die Situation, in der Holstein diese Entscheidung treffen muss, eine katastrophale ist, verursacht durch eine Reihe struktureller und prozessualer Fehler - und zwar weit oberhalb der Hierarchie-Ebene von Holsteins.
 
Allmählich und noch einigermaßen diffus zeichnet sich da eine ganz neue Bedeutung ab, wenn Holstein sagt: "Es gibt nichts, was ein preußischer Beamter / Offizier nicht kann." Vielleicht muss man diesen Ausspruch einfach nur übersetzen:


"Es gibt ein erhebliches Problem. (Möglicherweise sogar durch unsere eigene staatliche Organisation verursacht, aber das ist ein Gedanke, den wir einstweilen zurückstellen müssen.) Wir sind nicht qualifiziert, dieses Problem zu bearbeiten, aber das ist niemand, denn sonst wäre es ja kein Problem. Also werden wir da jetzt rangehen, mit all' unserer Inkompetenz und mit dem signifikanten Risiko zu scheitern und uns lächerlich zu machen ..."

Oder kürzer: "Mein Amt und meine Würde als preußische/r Beamter / Offizier gebieten mir, Probleme meines Staates, meiner Gesellschaft zu bearbeiten, auch und gerade dann, wenn die entsprechenden materiellen und ideellen Voraussetzungen für eine Lösung nicht gegeben sind."

Das ist krass. Das klingt gut. Damit kann ich mich identifizieren.

Und das ist allzuoft mein Alltag.














*1 Heute wäre das ganz anders. Da würden die Deutschen in so einem Klamauk-Film mit Super-High-Tech-Systemen mit Goldrand auftrumpfen, um dann ein ums andere Mal herrlich auf die Fresse zu fallen. Vgl.  PAH Tiger, NH 90, A 400, U-Boote, Jäger - bruahaha - "90", G36 etc. etc. Oder Hauptmann Rumpelstoß käme mit 25 Jahren Verspätung zum Rennen, aber dafür mit einem ganz ausgebufften Flugzeug. Text könnte sein: "Ja, wir kommen zu spät, aber dafür funktioniert jetzt der Brandschutz ...!"

*2 Frischler K.: Wunderwaffen; 1965; S. 170

*3 Und warum wohl werden in der Fliegerei, aber auch in vielen anderen Bereichen immer noch Checklisten abgearbeitet? Ich will gar nicht so tun, als sei ich der mega-erfahrene Flieger, das bin ich nicht, aber selbst mit meinen nur paarhundert Starts kann ich bestätigen: Du vergisst irgendwann Deinen Arsch, ehrlich!

*4  ... was man auch mit "doitscher Beamter" übersetzen könnte ...

*5 Um weitermachen zu können, muss er erst ein neues Flugzeug ordern.

*6 Das stimmt natürlich nicht. "Those Magnificent Men ..." ist nicht gerade der Film für sensible Charakterstudien. Obwohl der Fröbe sowas bestimmt hätte spielen können.

*7 Selbst die gegrunzte Marschmusik ist ein Teil Mitarbeiterführung: Sei authentisch! Sei bereit, Dich auch mal zum Affen zu machen. In richtiger Dosierung kann so etwas entscheidend für's Teambuilding sein.