Sonntag, 5. Januar 2020

Geschichtswissenschaft - nichts für Feiglinge!


Die Polen sind sauer auf Putin, weil der Ende Dezember 2019 sagt, der polnische Botschafter in Berlin von 1934 bis 1939, Lipski sei ein antisemitsches Schwein, weil er, Lipski, gesagt habe, die Polen wollten Hitler ein Denkmal in Warschau setzen, wenn jener die Juden aus Europa nach Afrika vertriebe.

Weiterhin sind die Polen sauer auf die Russen, weil diese darauf hinwiesen, dass die Polen damals im Oktober 1938 aktiv an der Zerstückelung der Tschechoslowakei beteiligt gewesen seien und - ebenso wie die Ungarn - sogar territoriale Happen erhalten haben, als die Nazis die Rest-Tschechei besetzten.

Und schließlich behaupten die Russen, der Nichtangriffspakt zwischen Nazi-Deutschland und der UdSSR werde von der aktuellen westeuropäischen Geschichtsschreibung in seiner Auswirkung als Auslöser des II. Weltkrieges absichtsvoll überschätzt, da die UdSSR immerhin der LETZTE Staat war, der einen Nichtangriffspakt mit Hitler geschlossen hätte, die Engländer, Franzosen, Polen etc. etc. hätten längst einen solchen Vertrag in der Tasche gehabt.

Das Alles ist wohl nachlesbar, unter anderem leider auch auf RT Deutsch, der offziellen russischen Propaganda-Seite, die in weiten Teilen so brechreizerregend dumm und platt und schlecht gemacht ist, dass man sie nicht mal frequentieren mag, wenn man einfach nur wissen will, was die Russen wollen, das wir glauben sollen. Egal, die Polen sind keinen Fatz skrupelloser im Umgang mit der Geschichte und haben jetzt ein Gesetz erlassen, das festlegt, was Wahrheit ist und was Lüge. Gefährlicher Ansatz, das.

Aber auch das ist mir eigentlich egal, denn weder Russland noch Polen sind derzeit in einer - Achtung: Wortspiel - politischen Verfassung, in der man mit ihnen in einen rationalen Diskurs über derlei Themen eintreten könnte oder wollte.

Was mich beschäftigt, ist die Frage, warum unsere, die bundesdeutschen, Historiker*innen nicht längst angefangen haben zu arbeiten. Hier ist doch ein spannendes Forschungsfeld offenbar geworden, das ganz viel mit unserer nationalen Vergangenheit und Identität zu tun hat. Hier kann und muss möglicherweise Geschichte neu geschrieben werden. Hier hat die Geschichtswissenschaft ganz dringend ganz besonders präzise Naturwissenschaft zu sein, ganz aufgeklärt, ganz frei von Meinungen, Voreinstellungen und politischen Rücksichtnahmen. Und vor allem: Dies ist ein Thema, das man auf gar keinen Fall den politischen Schmieren-Darstellern zweier nationalistischer, antidemokratischer Staaten überlassen darf!

Oder steigt uns hier etwa der sauer-faulige Geruch wissenschaftlicher Feigheit in die Nase, der eitrige Haut-gout der Inopportunität? Frösteln wir ob des gefühllosen, eisekalten taktischen Kalküls, es sich weder mit der einen noch der anderen Seite verderben zu wollen, und wenn es auch die eigene Geschichtsschreibung auf's unerträglichste klittert? Vertrauen die Historiker*innen möglicherweise nicht ihrer Fachdisziplin, der Unbestechlichkeit ihrer Methoden? Wie armselig!





(Bundesarchiv - verändert via wiki commons)
Sowjetisch-deutsches Treffen in Polen, 22. September 1939

Liebe Historiker*innen, 
wenn Ihr diesen Scheiß nicht erklärt, finden sich Andere, die es tun!














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